Bundestagsjuristen sehen »Überwachungslücke« im EU-Versand |
In einem Rechtsgutachten kommt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages zu dem Schluss, dass die EU-Versender nicht ausreichend kontrolliert werden. / Foto: Imago/pemax
Der CSU-Bundestagsabgeordnete Stephan Pilsinger hat beim Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages ein Gutachten zur Überwachung der EU-Versandapotheken in Auftrag gegeben. Das Papier liegt der Pharmazeutischen Zeitung vor und trägt den Namen »Arzneimittelversandhandel aus anderen EU-Mitgliedsstaaten mit deutschen Endverbrauchern«. Konkret geht es um die Frage, ob und wie die großen Versandhandelskonzerne, die in Deutschland zahlreiche Patienten mit Arzneimitteln beliefern, überwacht werden.
Schon in ihrer Vorbemerkung stellen die Hausjuristen des Bundestages klar, dass diese Überwachung von großer Bedeutung ist. Denn: Nicht zuletzt wegen des Umsatzvolumens im Versandhandel sei diese eine Herausforderung für den Gesetzgeber. »Es gilt, die Einhaltung deutscher Standards durch EU-Mitgliedstaaten zu gewährleisten und die deutschen Endverbraucher vor mangelhaften Arzneimitteln und unzureichender medizinischer Beratung zu schützen.«
Mit Blick auf die aktuelle Rechtslage in Deutschland sehen die Gutachter keine Zweifel: Die EU-Versender müssen sich an deutsches Recht halten, wenn sie Kunden in Deutschland beliefern wollen. Konkret gelten für den Versandhandel laut Arzneimittelgesetz und Apothekengesetz die gleichen Vorschriften wie für Vor-Ort-Apotheken. »Dies bedeutet, dass ausländische Versandapotheken an das deutsche Arzneimittelrecht, das Heilmittelwerberecht und an das Apothekenrecht vollständig gebunden sind.«
Die Bundestagsjuristen beschäftigen sich auch näher mit der sogenannten Länderliste, zu der es nach wie vor unterschiedliche Interpretationen hinsichtlich ihrer Wirkung beziehungsweise Verbindlichkeit gibt. Zur Erinnerung: Auf der Liste stehen eine Reihe von Ländern, aus denen der Arzneimittelversand nach Deutschland grundsätzlich zulässig ist, weil dort vergleichbare Sicherheitsstandards gelten. Auch die Niederlande stehen auf dieser Liste.
Die Gutachter bewezweifeln jedoch, dass die in den Niederlanden geltenden Regulierungen mit den Standards in Deutschland vergleichbar sind. Wörtlich erklären sie in ihrem Gutachten: »Größeren Sicherheitsbedenken unterliegen dagegen die Regelungen in den Niederlanden. Legt man lediglich das geschriebene Recht zugrunde, ist festzustellen, dass die dortigen gesetzlichen Vorschriften zum Arzneimittelversand den deutschen Regelungen nicht entsprechen, da das niederländische Recht keine dem deutschen Recht vergleichbaren Sicherheitsstandards und -konzepte vorsieht.« Zur Begründung heißt es weiter, dass in den Niederlanden auch ohne eine Apotheke im Hintergrund ein Versandhandel betrieben werden kann. Bekanntermaßen gilt in Deutschland genau das Gegenteil.
Schließlich bemängelt der Wissenschaftliche Dienst ausdrücklich, dass die großen EU-Versender weder von deutschen noch von den Behörden in ihrem Land ausreichend kontrolliert werden. »Eine Überwachung ausländischer Apotheken in Bezug auf die Einhaltung deutscher Vorschriften existiert de facto nicht«, so die Schlussfolgerung der Juristen. Denn die deutschen Behörden könnten nur die Einhaltung des deutschen rechts in Deutschland überwachen, gleiches gilt für die Behörden in anderen Ländern.
Eventuelle Verstöße gegen das deutsche Apothekenrecht könnten daher nur in Gerichtsverfahren geklärt werden, heißt es weiter. Es sei zwar nicht davon auszugehen, dass sich die EU-Versender der Überwachung aktiv entziehen. Allerdings: »Eine Überwachung der in Deutschland maßgeblichen Bestimmungen findet weder von deutscher noch vonseiten eines EU-Mitgliedstaates statt. Diesbezüglich besteht eine systemimmanente Überwachungslücke.«