Bundesrechnungshof missbilligt BMG-Strategie |
Cornelia Dölger |
04.09.2024 16:15 Uhr |
Der Bundesrechnungshof hat seine seine Analyse zu den BMG-Ausgaben an den Haushaltsausschuss des Deutschen geleitet. / Foto: IMAGO/Dirk Sattler
Mit seiner im Magazin »Stern« veröffentlichten Ankündigung, dass im kommenden Jahr aufgrund knapper Kassen und wegen Investitionen in notwendige Reformen wohl die GKV-Beiträge steigen werden, hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) einmal mehr Kritik auf sich gezogen, vor allem seitens der Krankenkassen sowie der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Tenor: Strukturreformen dürften nicht zulasten der Beitragszahler gehen.
Nun hat auch der Bundesrechnungshof (BRH) die Finanzierungsstrategien des BMG kritisiert. Im Visier haben die Prüfer das geplante Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz sowie das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG). Für Ersteres ist ein so genannter Transformationsfonds vorgesehen, über den Vorhaben zur Verbesserung der Strukturen der Krankenhausversorgung gefördert werden sollen. Die GKV soll dazu aus der Liquiditätsreserve dem Transformationsfonds ab dem Jahr 2026 jährlich 2,5 Milliarden Euro zur Verfügung stellen, insgesamt 25 Milliarden Euro bis zum Jahr 2035.
Der BRH hat dazu eine klare Meinung: »Die Finanzierung von Krankenhausstrukturen ist nicht Aufgabe der GKV«, heißt es in dem Bericht, der der PZ vorliegt. Die Kassen trügen nur die Kosten für die konkrete Behandlung ihrer Versicherten und den Betrieb der Krankenhäuser. Zuständig für die Finanzierung der Krankenhausstrukturen seien die Länder.
Dass diese durch die BMG-Pläne entlastet werden sollten, sei »angesichts der seit Jahren anwachsenden, erheblichen Lücke zwischen notwendigen und tatsächlichen Investitionen kaum verständlich«, kritisieren die Rechnungsprüfer.
Auch wäre es nach Ansicht des BRH kritisch, den Bund an der Finanzierung zu beteiligen, zumal dieser die Krankenhäuser in den vergangenen Jahren bereits mit rund 30 Milliarden Euro unterstützt habe, heißt es.
Bei den Kassen verfängt die Rüge freilich. Konkret forderte Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (vdek), dass die »Zweckentfremdung von Beitragsgeldern« ein Ende haben müsse. Die »klaren Worte« des Bundesrechnungshofs sollten die Politik »endlich wachrütteln«.
Auch Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, teilt die Kritik. Er sagte zur PZ: »Der Bundesrechnungshof zerpflückt die Gesundheitspolitik der Ampel – mit Ansage, denn die Koalition zögert dringende Reformen zulasten der Versicherten immer weiter hinaus.«
Bei der Krankenhausreform sei die Kritik des Bundesrechnungshofes entlarvend. »Sie könnte deutlicher kaum ausfallen«, so Sorge. Schließlich sei es »mehr als fragwürdig, die GKV-Versicherten beim Transformationsfonds derart stark zur Kasse zu bitten, wie es die Ampel aktuell plant«. Diese Belastungen in Milliardenhöhe seien schlichtweg nicht Aufgabe der GKV.
In einem ersten Schritt hätte die Bundesregierung einen Beitrag der Länder zum Transformationsfonds verhandeln müssen, so Sorge weiter. Das hätte dazu beigetragen, den verbleibenden Mittelbedarf möglichst gering zu halten, schätzt er. »Stattdessen aber die Bürger zur Kasse zu bitten, sollte das allerletzte Mittel sein.«
Auch die BMG-Pläne zur Verbesserung der ambulanten Versorgung stehen beim BRH in der Kritik. Von der so genannten Entbudgetierung, die laut GVSG-Entwurf die Vergütung der 55.000 Hausärztinnen und Hausärzte anpassen soll, rate der BRH nach wie vor ab, heißt es in dem Bericht, der gestern dem Haushaltausschuss des Bundestags zugeleitet wurde.
Zur Begründung heißt es: »Die Budgetierung trägt dem Wirtschaftlichkeitsgebot Rechnung und schützt Versicherte vor nicht erforderlichen Leistungen.« Ohne Budgetierung würde die Versorgung weniger gesteuert und Fehlanreize in der kassenärztlichen Versorgung begünstigt.
Konkret kritisieren die Prüfer, dass eine Entbudgetierung weder die Wirtschaftlichkeit und die Qualität der Versorgung von Versicherten maßgeblich verbessern würde. Für Letzteres sollten eher bestehende Möglichkeiten genutzt werden.
Der GKV-Spitzenverband habe die zu erwartenden Mehrausgaben der GKV auf 200 bis 300 Millionen Euro pro Jahr beziffert. Eine Entbudgetierung schaffe in unterversorgten – ländlichen beziehungsweise strukturschwachen – Regionen »keinen spürbaren finanziellen Vorteil«, denn die Auszahlungsquote betrage hier ohnehin nahezu 100 Prozent.
Das missfällt den niedergelassenen Ärzten. Der Bundesvorsitzende des Virchowbundes, Dirk Heinrich, kritisierte in einer Mitteilung: »Er hat‘s schon wieder getan. Zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres äußert sich der Bundesrechnungshof zu Sachverhalten im Gesundheitswesen auf eine Weise, bei der selbst halbwegs Kundige nur noch mit dem Kopf schütteln können.«
Die Budgetierung von Hausarztpraxen führe durchaus zu Terminverknappung und damit direkt zu weniger Leistungen für Patienten, so Heinrich. In Gebieten wie Bayern oder Thüringen, »wo es faktisch bereits seit Jahren keine hausärztlichen Budgets mehr gibt«, seien weder Fehlanreize noch Leistungsausweitungen zu verzeichnen. In einem Offenen Brief an den Gesundheitsausschuss fordert der Virchowbund das Ende der Budgetierung ärztlicher Leistungen.