Bundesratsausschüsse gegen Dispensierrecht für Notärzte |
Der federführende Gesundheitsausschuss sowie der Innenausschuss des Bundesrats lehnen das geplante Dispensierrecht für Ärzte in Notdienstpraxen auch für eine Übergangszeit ab. / Foto: Getty Images/Eva Katalin
Die Bundesregierung will die Akut- und Notfallversorgung optimieren. Das sieht der Regierungsentwurf zur Reform der Notfallversorgung vor, den das Bundeskabinett am 17. Juli beschlossen hat. Kernstück der Reform sind sogenannte »Akutleitstellen« in denen Ärztinnen und Ärzte telefonisch oder per Video beraten, sowie sogenannte Integrierte Notfallzentren (INZ) an Krankenhäusern. Dort sollen Notdienstpraxen und Notaufnahmen eng zusammenarbeiten und auch mit niedergelassenen Praxen kooperieren.
Um die Patienten mit Notfallmedikamenten zu versorgen, sollen die Notdienstpraxen künftig Versorgungsverträge mit öffentlichen Apotheken abschließen können. Gemäß dem neuen § 12b Apothekengesetz (ApoG) muss die versorgende Apotheke in unmittelbarer Nähe zur Notfallpraxis liegen. Alternativ soll die Apotheke eine Zweitoffizin direkt auf dem Klinikgelände des Notfallzentrums mit vereinfachten Vorgaben betreiben dürfen. Für den Fall, dass kein Versorgungsvertrag geschlossen ist, sollen die Notdienstpraxen ein begrenztes Dispensierrecht erhalten.
Die ABDA lehnt ein ärztliches Dispensierrecht zur Überbrückung des Zeitraums, bis zu dem ein Versorgungsvertrag abgeschlossen worden ist, strikt ab. Das machte die Bundesvereinigung bereits in ihrer Stellungnahme zum Referentenentwurf deutlich. Die Arzneimittelversorgung könne in diesen Zeiträumen durch die normale Dienstbereitschaft der öffentlichen Apotheken organisiert werden, hieß es. Zudem sorgt sich die ABDA um die Ausgestaltung der »zweiten Offizin« auf dem Klinikgelände und warnt vor Parallelstrukturen.
Der federführende Gesundheitsausschuss und der Innenausschuss des Bundesrats teilen die Bedenken der ABDA und gehen in ihren Empfehlungen zum Gesetzentwurf, die der PZ vorliegen, sogar noch weiter. Auf Betreiben von Bayern, das einen Antrag im Gesundheitsausschuss gestellt hatte, erteilen sie auch den Abschluss von Verträgen zwischen Notdienstpraxen und öffentlichen Apotheken eine Absage.
Die vorgesehene Einführung einer sogenannten »notdienstpraxisversorgenden Apotheke« gemäß § 12b ApoG werde abgelehnt, da dafür keine Notwendigkeit bestehe, heißt es zur Begründung. Vielmehr würde eine Parallelstruktur zu den nacht- und notdiensthabenden Apotheken geschaffen. Die vollumfassende Arzneimittelversorgung sei durch das bestehende Netz an öffentlichen Apotheken – auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten durch die nacht- und notdiensthabenden Apotheken – rund um die Uhr sichergesellt. »Die bisherige wohnortnahe Organisation des Apotheken-Nacht- und Notdienstes hat sich bewährt und soll erhalten bleiben«, heißt es.
Die Ausschüsse warnen zudem vor der geplanten Möglichkeit, eine zweite Offizin mit Lagerräumen am Standort der Notdienstpraxis zu betreiben. Dies führe zu »reinen Arzneimittelabgabestellen ohne vollständige Versorgung«, also beispielsweise ohne Labor, Rezeptur oder vollständiges Arzneimittelangebot. Zudem sei nicht explizit geregelt, ob in der »zweiten Offizin« während der gesamten Öffnungszeiten ein Apotheker oder eine Apothekerin körperlich anwesend sein müsse. Wegen des eingeschränkten Warenlagers könne eine Versorgung der »normalen« Nacht- und Notdienstpatienten aus der zweiten Offizin nicht vollumfänglich erfolgen, argumentieren die Ausschüsse.
Sie lehnen auch die geplante Regelung ab, wonach Ärztinnen und Ärzten in Notdienstpraxen Arzneimittel für den akuten Bedarf selbst an die Patienten abgeben dürfen sollen, wenn noch kein Versorgungsvertrag mit einer Apotheke geschlossen wurde. Sie begründen dies damit, dass in diesem Fall eine möglicherweise erforderliche Beratung zu den Arzneimitteln durch fachkompetentes pharmazeutisches Personal nicht ausreichend sichergestellt sei.
Zudem führen die Ausschüsse an, dass der Betrieb einer »zweiten Offizin« nicht wirtschaftlich wäre. Da eine Notdienstpraxis grundsätzlich in der Lage sein müsse, jede Erkrankung zu behandeln, sei es notwendig, praktisch das gesamte Sortiment einer Apotheke mit mehreren tausend Arzneimitteln und unterschiedlichen Darreichungsformen in der Notdienstpraxis vorrätig zu halten – mithin quasi eine Apotheke ohne pharmazeutisches Personal zu betreiben. Dies bedeutet eine erhebliche Investition in das Warenlager und die notwendige technische Ausstattung – insbesondere Kühlgelegenheiten für Arzneimittel – was angesichts des etablierten und funktionierenden Notdienstsystems der öffentlichen Apotheken nicht wirtschaftlich sei, heißt es.
Am 27. September wird sich der Bundesrat in seiner Plenumssitzung mit den Empfehlungen des Gesundheits- und des Innenausschusses befassen und anschließend eine Stellungnahme abgeben. Da das Gesetz nicht zustimmungspflichtig ist, ist die Bundesregierung allerdings nicht verpflichtet, die Empfehlungen der Länderkammer umzusetzen.