Bundesrat lässt Klinikreform passieren |
Die Klinikreform hat es heute durch die Länderkammer geschafft. Mit der Reform wird die Finanzierung der Krankenhäuser neu geregelt. / © IMAGO/dts Nachrichtenagentur
Ziel des Reformpakets ist es unter anderem, Leistungen in spezialisierten Kliniken zu konzentrieren. Dies soll nach dem Willen der Bundesregierung die Qualität der Behandlungen steigern. Zudem sollen ambulante und stationäre Sektoren enger verzahnt werden.
Bis zuletzt war unklar, ob Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nach dem Scheitern der Ampelkoalition noch sein wichtigstes Vorhaben retten kann. Zwar war die Reform nicht zustimmungspflichtig im Bundesrat. Doch einige Länder wie Bayern und Nordrhein-Westfalen hatten angekündigt, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Das hätte die Reform weiter verzögert und angesichts der Bundestagswahl am 23. Februar das Scheitern der Pläne bedeutet. Noch kurz vor der Entscheidung im Bundesrat hatte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) wegen unterschiedlicher Ansichten Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) entlassen, die vor einem Scheitern der Reform gewarnt hatte.
Schließlich stimmten Bayern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg für die Anrufung des Vermittlungsausschusses. Die Stimmen aus Thüringen wurden als ungültig gewertet, da sich Koalition nicht einigen konnte. Schleswig-Holstein enthielt sich, die übrigen Länder stimmten für die Reform.
Bundesgesundheitsminister Lauterbach äußerte sich kurz nach der Entscheidung der Länderkammer in einem Statement: »Der Bundesrat hat heute im Interesse der Patientinnen und Patienten entschieden. Mit der Krankenhausreform wird ihre Behandlung in Kliniken besser. Ihre Chancen steigen stark, dass notwendige schwere Krebs- oder Herzoperationen gelingen.« Durch die Reform hätten auch Krankenhäuser auf dem Land wieder eine Überlebenschance. Lauterbach appellierte an die kritischen Länder, sich konstruktiv an der Umsetzung zu beteiligen. »Sie haben mit der Reform die Chance, ihre Krankenhausplanung zu verbessern und für ein flächendeckendes und qualitativ gutes stationäres Versorgungsangebot zu sorgen«, sagte der Minister.
Mit dem Gesetz wird die Finanzierung der stationären Versorgung grundlegend verändert. Die Krankenhausabrechnung erfolgt zukünftig weniger durch Fallpauschalen, sondern zu einem großen Teil über eine Vorhaltevergütung. Anders als bisher richtet sich die Finanzierung der Kliniken somit nicht ausschließlich nach der Anzahl der Behandlungen, sondern nach den Leistungen, die sie grundsätzlich vorhalten. Hierzu sind 65 Leistungsgruppen vorgesehen, die mit Qualitätskriterien und Mindestvorhaltezahlen verknüpft werden.
Um die Behandlungsqualität zu verbessern, sollen Kliniken Fachbehandlungen in jedem Stadium nur noch dann vornehmen, wenn sie über das dafür notwendige Personal und die entsprechende Ausstattung verfügen. Für Stroke Units, Traumatologie, Pädiatrie, Geburtshilfe, Intensivmedizin, Koordinierungsaufgaben, Unikliniken und Notfallversorgung werden zusätzliche Mittel gewährt.
Das Gesetz sieht eine Annäherung von ambulanter und stationärer Behandlung vor. Besonders in ländlichen Gebieten stünden Patientinnen und Patienten oft vor dem Problem, keine Fachärztin oder keinen Facharzt zu finden und für Spezialuntersuchungen weite Wege fahren zu müssen, so die Bundesregierung in ihrer Begründung zum Gesetz.
In Regionen mit Fachärztemangel sollen daher bestimmte Kliniken (sogenannte Level 1i-Krankenhäuser) auch fachärztliche Leistungen anbieten, sodass sich Patienten statt beim niedergelassenen Facharzt auch ambulant im Krankhaus untersuchen und behandeln lassen können. Bei Hausärztemangel können Kliniken, die als sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen gelten, auch allgemeinmedizinische Behandlungen anbieten. Zudem soll die ambulante Versorgung schwerkranker Kinder und Jugendlicher erleichtert werden.
Das Gesetz führt eine ärztliche Personalbemessung ein. Damit möchte die Bundesregierung die Attraktivität des Krankenhauses als Arbeitsplatz für Ärztinnen und Ärzte steigern und die Behandlungsqualität fördern. Hierzu soll in Abstimmung mit der Bundesärztekammer zunächst ein Personalbemessungsinstrument wissenschaftlich erprobt werden. Zudem soll geprüft werden, ob dies auch für weitere Berufsgruppen wie Hebammen oder Physiotherapeuten erforderlich ist. Das Gesetz sieht zudem Maßnahmen zur Entbürokratisierung vor.
Die Strukturreform soll über einen Zeitraum von zehn Jahren durch einen Transformationsfonds in Höhe von 50 Milliarden Euro finanziert werden, dessen Kosten zur Hälfte vom Bund und zur Hälfte von den Ländern getragen werden.
Die Reform tritt zum 1. Januar 2025 in Kraft. Bis Ende 2026 können die Länder ihren Kliniken Leistungsgruppen zuweisen. 2027 bis 2028 wird das Finanzsystem langsam schrittweise umgestellt. 2029 soll dieser Prozess abgeschlossen sein.
Die Reaktionen auf die Reform fielen sehr unterschiedlich aus. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft forderte mit Blick auf die Bundestagswahl am 23. Februar, eine neue Regierung müsse die Krankenhausreform umgehend korrigieren. Die Versorgung werde sich mit dem Gesetz nicht verbessern, sondern vielfach verschlechtern und in einigen Regionen ganz wegbrechen. Der Verband der Universitätsklinika begrüßte dagegen, dass nun bessere Qualität und mehr Effizienz auf den Weg kämen.
Bundesärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt betonte, dass es nun auf die konkrete Umsetzung der Reform ankomme. Für die neue Wahlperiode bleibe der Abbau bürokratischer Hürden essenziell. Die Vorhaltevergütung müsse weiterentwickelt werden.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz bedauerte eine vertane Chance, einen guten Kompromiss zu erreichen. »Jetzt steht die medizinische Versorgung in den strukturarmen Regionen auf dem Spiel«, sagte Vorstand Eugen Brysch.
Der Chef der Techniker Krankenkasse Jens Baas begrüßte, dass die Länder den Weg für mehr Qualität und Spezialisierung frei gemacht hätten. Es komme nun noch auf weitere Verordnungen auf Bundesebene und eine kluge Krankenhausplanung in den Ländern an. Für die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) sagte Verbandschefin Carola Reimann, trotz aller Mängel sei das Gesetz eine solide Basis für eine Verbesserung der Behandlungsqualität und zur finanziellen Absicherung von Kliniken, die für den Bedarf notwendig sind.
Stefanie Stoff-Ahnis, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, kritisierte die Teilfinanzierung des Krankenhaus-Transformationsfonds durch die Kassen im Umfang von 2,5 Milliarden Euro im Jahr. Bleibe es dabei, sei das ein »zusätzlicher Beschleuniger für weitere Beitragssatzerhöhungen in den kommenden Jahren«, warnte Stoff-Ahnis.
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