Bund soll Cannabis-Folgekosten bezahlen |
Die kontrollierte Cannabis-Freigabe ist da – aber wie die Länder sie konkret umsetzen sollen, wirft noch Fragen auf. / Foto: Getty Images/Emilija Manevska
Ab 1. April dürfen Erwachsene bis zu 25 Gramm Cannabis im öffentlichen Raum straffrei besitzen, auch der Eigenanbau bestimmter Mengen wird erlaubt. Ab 1. Juli sollen Clubs zum nicht kommerziellen Anbau möglich werden. So hat es der Bundestag am vergangenen Freitag beschlossen.
Dem vorausgegangen war nicht nur eine hitzige Diskussion im Plenum, sondern über Monate auch eine ausgedehnte gesellschaftliche und politische Debatte zum Für und Wider des Vorhabens, selbst innerhalb der SPD-Fraktion gingen die Meinungen auseinander. Die Union hatte dies zum Anlass genommen, auf einer namentlichen Abstimmung zu bestehen.
Nicht nur Abgeordnete der Unionsfraktion und der AfD-Fraktion votierten am Freitag gegen das Gesetz, sondern auch aus der SPD gab es vier Nein-Stimmen und aus der FDP eine sowie zwei Enthaltungen. Anträge der CDU/CSU sowie der AfD, die den Stopp der Legalisierung forderten, lehnten die Ampel-Koalitionäre ab.
Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) sagte der PZ, dass er das Gesetz aus suchtpolitischer Sicht begrüße. »Das Gesetz will zu einem verbesserten Gesundheitsschutz beitragen, die cannabisbezogene Aufklärung und Prävention stärken, den illegalen Markt für Cannabis eindämmen sowie den Kinder- und Jugendschutz stärken«, so der Minister.
Lucha geht es konkret um die Umsetzung auf Landesebene; für die Erlaubnis der Anbauvereine und deren Kontrolle sind die Bundesländer zuständig. Es sei nicht abschließend geklärt, wie die Prävention auf allen Ebenen – Bund, Länder, Kommunen – konkret gestärkt werden solle und wie das finanziert werde. Dass die Länder auch bei Kontrolle, Vollzug und Intervention finanziell belastet würden, hatte der Bundesrat bereits in einer Stellungnahme zum Gesetzentwurf kritisiert.
Lucha betonte gegenüber der PZ, dass er sich hier pragmatischere Lösungen gewünscht hätte, und verwies auf eine Forderung des Bundesrats, nach der der Bund sich an den Folgekosten für Länder und Kommunen beteiligen müsse.
Frieden hat der Bundestagbeschluss nicht hergestellt. Vielmehr wird stellenweise weiter nach Wegen gesucht, die Pläne doch noch zu vereiteln beziehungsweise zu verzögern. Eine letzte Hürde könnte der Bundesrat sein, der am 22. März darüber berät. Klaus Reinhardt, Chef der Bundesärztekammer, sprach sich am Wochenende dafür aus, die Umsetzung dort noch aufzuhalten, indem die Länder das Gesetz in den Vermittlungsausschuss schicken. Zustimmungspflichtig ist das Gesetz nicht.
Die Ärzteschaft hatte sich wegen der gesundheitlichen Risiken wiederholt gegen die Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken ausgesprochen. Auch die ABDA bekräftigte heute auf PZ-Anfrage ihre Ablehnung. Sie lehne die Pläne aus fachlichen Gründen ab, hieß es. Diese Position hatte die Standesvertretung bereits öfter klargemacht.
Auch Nordrhein-Westfalen will sich im Bundesrat dafür einsetzen, dass das Gesetz erst später in Kraft tritt. Die verbleibende Zeit von nur fünf Wochen reiche nicht annähernd aus, damit die Staatsanwaltschaften und Gerichte die Regelungen zum rückwirkenden Straferlass fristgerecht umsetzen könnten, sagte Justizminister Benjamin Limbach (Grüne). Allein in NRW müssten zehntausende Fälle geprüft werden. Auch Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) erwartet noch Auseinandersetzungen im Bundesrat. Es brauche mehr Zeit, um das Vorhaben erfolgreich umsetzen zu können.
Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) ließ die PZ wissen, dass der Freistaat sich gegen den Konsum von Cannabis stemmen werde, unter anderem indem eine geplante zentrale Cannabis-Kontrolleinheit möglichst schnell eingesetzt werden solle.
Diese Instanz soll demnach insbesondere die Erlaubnisse für Anbauvereinigungen erteilen und diese später überwachen. Dabei gehe es vor allem darum, dass die Verantwortlichen die gesetzlichen Vorgaben genau einhalten. Die Details dafür würden derzeit erarbeitet.
Sehr genau hinsehen werde der Freistaat bei der Einhaltung der Besitz-Obergrenzen, kündigte Gerlach an. Verstöße dagegen sowie gegen das Konsumverbot in bestimmen Bereichen würden konsequent verfolgt. Bayern werde weiterhin verstärkt in die Suchtprävention investieren.
Auch der Beauftragte für Suchtprävention in Bayern, Marcel Romanos, warnte vor den Folgen der Teillegalisierung von Cannabis. Weil das Gesetz zu viele Freiheiten biete, werde vor allem auch der Konsum bei Jugendlichen steigen – mit entsprechenden gesundheitlichen Folgen, sagte er BR24, dem Nachrichtenportal des Bayerischen Rundfunks. Grundsätzlich gegen eine Legalisierung sprach sich Romanos aber nicht aus.
Bei den Berliner Parteien gehen die Einschätzungen zum Thema Cannabis-Freigabe auseinander. »Wer dieses Gesetz entworfen hat, muss das Falsche geraucht haben«, sagte der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Burkard Dregger, dem »Tagesspiegel«. Dregger befürchtet, das Gesetz werde zu einer »völlig unkontrollierbaren Verbreitung von Cannabis und einem unverantwortlichen Anstieg des Cannabiskonsums und der Zahl der Konsumenten« führen.
Der Innenexperte der SPD-Fraktion, Martin Matz, sieht das entspannter: »Wir müssen uns alle noch an ein Cannabisgesetz gewöhnen - einfach weil es noch nie eines gab«, sagte er der Zeitung.
Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) hält die kontrollierte Freigabe von Cannabis für den richtigen Weg. Sie begrüßte den Beschluss des Bundestags. »Das Verbot von Cannabis ist gescheitert«, sagte Nonnemacher auf dpa-Anfrage. Das Ziel, Menschen vom Cannabis-Konsum abzubringen, sei mit einem Verbot zu keinem Zeitpunkt erreicht worden, sagte Nonnemacher. »Deshalb sind Legalisierung und Entkriminalisierung von Cannabis unter bestimmten Voraussetzungen der richtige Weg.«