Breite Kritik an BMG-Alleingang |
Alexander Müller |
15.03.2024 15:00 Uhr |
Das BMG hat sich gegen die Stimmen der anderen Gematik-Gesellschafter mit seinem Card-Link-Verfahren durchgesetzt. / Foto: IMAGO/photothek
Die Gesellschafterversammlung der Gematik hat gestern die Spezifikationen für das Software-Modul eHealth-CardLink (eH-CL) beschlossen. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) nutzte dabei seine 51-Prozent-Mehrheit und stimmte gegen alle anderen Gesellschafter.
Die ABDA warnte umgehend vor »erheblichen Sicherheitsrisiken«. Die Bundesärztekammer (BÄK) unterstützte die Aussagen der Apothekerschaft und verwies auf Nachfrage auf deren Erklärung.
Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) hält das CardLink-Verfahren zwar grundsätzlich für einen lohnenswerten Ansatz. Es müsse aber dieselben Sicherheitsanforderungen erfüllen wie jede andere Anwendung in der Telematikinfrastruktur (TI) auch. »Die Organisationen der Leistungserbringer haben dazu konkrete Forderungen formuliert, die das BMG leider nicht aufgegriffen hat Die Risikobereitschaft, mit der das Ministerium jetzt im Alleingang agiert, überrascht schon sehr«, so die Stellungnahme der BZÄK gegenüber der PZ.
Der GKV-Spitzenverband erklärte auf Nachfrage ebenfalls, dass der neue Weg zur Einlösung von E-Rezepten grundsätzlich unterstützt werde. Es sei aber »nicht angemessen«, dass es für die Apps in diesem Bereich kein gesondertes Zulassungsverfahren geben soll, »da hier jeder Apps entwickeln kann und niemand prüft, was die Apps dann mit den Daten machen«. Der GKV-Sprecher weiter: »Es kann nicht sein, dass alles in der TI hochsicher und zugelassen sein muss und hier darf der freie Markt ohne Überprüfung einfach eine App anbieten.«
Die Private Krankenversicherung (PKV) wollte sich auf Nachfrage nicht zur Sache äußern: Die Beratungen und Abstimmungen in der Gesellschafterversammlung der Gematik seien vertraulich.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hat ebenfalls aus Sicherheitsbedenken gegen den Beschluss gestimmt. »Bei anderen Apps – wie die Gematik-Rezept-App und der Kassen-App – war dem Gesetzgeber und allen Gesellschaftern eine Überprüfung der ordnungsgemäßen Funktionsweise im Rahmen eines Zulassungsverfahrens durch die Gematik wichtig. Wir verstehen nicht, warum bei der App zur Nutzung von CardLink auf die Überprüfung verzichtet werden soll.« Die anderen Gesellschafter hatten einen Alternativbeschlussvorschlag eingebracht, der dem vereinbarten Vorgehen zur Einführung von neuen Produkttypen und zum Zulassungsverfahren entsprach. »Dieser fand aber leider nicht die notwendige Mehrheit«, so ein DKG-Sprecher.
Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung kritisiert den Beschluss ebenfalls mit einer ausführlichen Stellungnahme. Man habe vor Unsicherheiten gewarnt, das BMG habe Card-Link trotzdem durchgesetzt. Ursprüngliche hatte sich der Zahnarztverband sogar für den Einlöseweg ausgesprochen, nun aber gegen den Beschluss gestimmt, »weil das Sicherheitsniveau abgesenkt worden ist«, so die KZBV mit Verweis auf das fehlende Zulassungsverfahren der Apps.
»Seit Jahren arbeiten wir daran, dass das E-Rezept hochsicher ist, nun soll der freie Markt Apps anbieten dürfen, ohne dass jemand kontrolliert, was mit den Verordnungsdaten passiert. Das ist ein Unding«, erklärt KZBV-Vize Karl-Georg Pochhammer. Das E-Rezept-System könne »keine Zweifel an Sicherheit vertragen«.
Unverständnis zeigte Pochhammer für das Vorgehen des Ministeriums, das trotz deutlicher Warnungen die anderen Gesellschafter überstimmt und das Verfahren durchgeboxt habe. »Das zeigt, dass das Interesse des BMG an einer konstruktiven Zusammenarbeit mit der Selbstverwaltung weiter schwindet.«
Laut der Gematik soll das Card-Link-Verfahren bei der mobilen Nutzung des E-Rezepts »als Übergangstechnologie befristet zum Einsatz kommen«. Für zukünftige Anwendungen soll primär die GesundheitsID genutzt werden.
Produkt- und Anbieterzulassungen werde die Gematik auf Basis der Spezifikationen erteilen, die in den kommenden Tagen veröffentlicht werden sollen. »Die Gematik legt dabei den Rahmen für den zulässigen Einsatz fest. Dies umfasst Vorgaben zu zulässigen, den eH-CL nutzenden Anwendungen und Diensten der Telematikinfrastruktur, Vorgaben zu Datenschutz und Datensicherheit sowie eine Meldepflicht der IT-Systeme, die eine Schnittstelle zum eH-CL haben, diesen nutzen bzw. unterstützen«, teilt die Gematik mit.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.