BMG will beim Datennutzungsgesetz Gas geben |
Jennifer Evans |
10.11.2022 10:00 Uhr |
Bei der diesjährigen Handelsblatt Jahrestagung diskutierten Gesundheitsexperten über den geplanten Europäischen Gesundheitsdatenraum. Dabei kam auch zur Sprache, wie das BMG nun bei seinem vorgesehenen Gesundheitsdaten-Nutzungsgesetzes vorgehen will. / Foto: Adobe Stock/ake1150
Die EU-Kommission hat den Ausbau eines Europäischen Gesundheitsdatenraum beziehungsweise European Health Data Space (EHDS) priorisiert, weil er künftig einmal als Blaupause für weitere Datenräume auf EU-Ebene dienen soll. Seit Mai 2022 liegt ein entsprechender Verordnungsentwurf vor. Die PZ hatte ausführlich darüber berichtet. Im Kern geht es darum, dass EU-Bürger auch über die Landesgrenzen hinweg Gesundheitsdienstleistungen erhalten können. Auch die ABDA hatte zu den EU-Plänen zuletzt Position bezogen. Sie kritisierte vor allem, dass die vorgesehenen Offenlegungspflichten sich womöglich nicht mit der Schweigepflicht der Heilberufler vereinbaren lassen.
Insbesondere Deutschland hatte beim Thema EDHS in der Vergangenheit immer wieder Druck gemacht. Das betonte Nilofar Badra-Azar, die sich im BMG um die Themen neue Technologien und Datennutzung kümmert sowie der Projektgruppe »Datenraum Gesundheit« angehört. So stand ein gemeinsamer EU-Gesundheitsdatenraum ganz oben auf der Agenda, als Deutschland im Jahr 2020 die EU-Ratspräsidentschaft innehatte. Zudem sei die Bundesrepublik am sogenannten Joint Action Towards the European Health Data Space (TEHDAS) beteiligt. Ein Projekt aus dem Jahr 2021, an dem 25 EU-Länder teilnehmen und das sich mit europäischen Grundsätzen für die Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten befasst. TEHDAS wird vom finnischen Innovationsfonds finanziert. Außerdem nehme Deutschland an den Abstimmungen im E-Health Netzwerk zur Primärnutzung von Gesundheitsdaten teil, berichtete sie. Deshalb habe man sich im BMG umso mehr gefreut, als die EU-Kommission einen ersten Verordnungsentwurf für die Einrichtung eines EDHS präsentierte, sagte Badra-Azar in ihrem Impuls-Vortrag bei der Handelsblatt Jahrestagung »Health – The Digital Future« am gestrigen Mittwoch.
»Für die Verbesserung der Gesundheitsversorgung hierzulande brauchen wir europäische Daten«, stellte Badra-Azar klar. Allerdings müssten für den Austausch zwischen den Mitgliedstaaten zunächst ausreichend deutsche Gesundheitsdaten zur Verfügung stehen, sprich die Nutzung der Primärdaten müsse bereits vor Einführung des EHDS geregelt sein.
An dieser Stelle kommt nun das geplante Gesundheitsdaten-Nutzungsgesetz (GDNG) ins Spiel, das »zur besseren wissenschaftlichen Nutzung« von Gesundheitsdaten dienen und eine »dezentrale Forschungsdateninfrastruktur« aufbauen soll – so steht es im Koalitionsvertrag. Das BMG drückt laut Badra-Azar bei der Umsetzung des Gesetzes nun aufs Gaspedal. Denn erst, wenn die nationalen Säulen aufgebaut und geregelt seien, könne die Zusammenarbeit mit dem EU-Ausland funktionieren.
Das Ministerium will ihren Angaben zufolge dabei in Sachen Technik »auf vorhandene Standards aufbauen und nicht alles neu machen.« Sorge, dass etwaige Änderungen an dem EU-Vorhaben das GDNG hinfällig machen könnten, hat sie nicht. An den Grundpfeilern der EU-Pläne erwartet die BMG-Mitarbeiterin keine so gravierenden Umgestaltungen, dass hierzulande nicht parallel auch ein GDNG angegangen werden könnte.
Nach Ansicht von Ibo Teuber, Partner im Bereich Life Sciences & Health Care beim Wirtschaftsdienstleister Deloitte, seien die Deutschen bereit, ihre Gesundheitsdaten zu teilen. Das hob er in einer anschließenden Diskussionsrunde hervor. Allerdings müsse der Zweck eine bessere Behandlung oder eine übergreifende Forschung sein. »Die Menschen müssen den Mehrwert erkennen«, so Teuber. Laut einer aktuellen Deloitte-Studie sind derzeit rund 80 Prozent der Bundesbürger bereit zur Datenspende. Beim Teilen vertraute die Bevölkerung demnach insbesondere den Leistungserbringern.
Beim Strukturieren medizinischer Datenmengen ist durchaus Eile geboten. Denn Teubers Angaben zufolge verdoppelt sich derzeit weltweit alle 73 Tage das Volumen an Gesundheitsdaten. Zum Vergleich: Das gesamte Datenvolumen auf der Welt verdoppelt sich alle zwei Jahre.