BMG schließt direkte Zuweisung von E-Rezepten aus |
Bewohner von Pflegeheimen benötigen oft eine Vielzahl an Medikamenten. Die Versorgung ist aufwendig – daran ändert auch die verpflichtende Einführung des E-Rezepts nichts. / Foto: Getty Images/Abel Mitjà Varela
Fast 64 Millionen E-Rezepte haben Patientinnen und Patienten laut dem TI-Dashboard der Gematik inzwischen erfolgreich eingelöst. Bei der Umsetzung der E-Rezept-Pflicht in der Heimversorgung hakt es derzeit allerdings noch. Das liegt zum einen daran, dass Pflegeheime erst ab Juli 2025 an die Telematik-Infrastruktur (TI) angeschlossen sein müssen. Zum anderen ist es niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten nicht erlaubt, den Apotheken Rezepte direkt zuzuweisen.
Doch wie können elektronische Verordnungen in der Heimversorgung dann überhaupt ohne allzu großen Aufwand weitergeleitet werden? Der Bundesverband der Versorgungsapotheker (BVVA) »sieht keine rechtlichen oder tatsächlichen Hürden, den E-Rezept-Token für Arzneimittel in der Heimversorgung zwischen Arzt und heimversorgender Apotheke direkt via KIM zu übermitteln«, schrieb der Verband im Januar in einem Beitrag für die PZ. Bedingung sei allerdings, dass ein Heimbewohner eingewilligt habe, sich von derjenigen Apotheke versorgen zu lassen, mit der das Heim einen Versorgungsvertrag abgeschlossen habe.
Der Verband argumentiert, dass sich die direkte Übermittlung der Muster-16-Papierrezepte zwischen Arztpraxis und heimversorgender Apotheke für teilnehmende Heimbewohner in der Praxis bereits bewährt habe und »legale Routine« sei. Diese »bewährte Praxis« dürfe auch durch das E-Rezept »nicht aufs Spiel gesetzt werden«.
Einen Verstoß gegen das Abspracheverbot sieht der Verband darin nicht. Die am Vertrag teilnehmenden Heimbewohner hätten sich schließlich für die heimversorgende Apotheke entschieden. Der behandelnde Arzt müsse weiterhin prüfen, ob ein angefordertes Medikament für die Dauer- oder Bedarfsmedikation nötig sei. Angesichts des massiven Personalmangels in den Pflegeeinrichtungen sei »die direkte Kommunikation, die Veranlassung und die Übermittlung der E-Rezept-Token zwischen den behandelnden Ärzten und der heimversorgenden Apotheke via KIM nicht nur rechtlich gestattet«. Sie sei wegen der Versorgungsrealität in den Pflegeeinrichtungen auch unerlässlich, um die reibungslose Arzneimittelversorgung der teilnehmenden Heimbewohner sicherzustellen, schreibt der Verband.
Das Bundesgesundheitsministerium widerspricht der Auffassung des BVVA und begründet dies mit der freien Apothekenwahl. Vertragsärztinnen und -ärzte sowie Krankenkassen dürften weder die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einer bestimmten Apotheke einzulösen, noch unmittelbar oder mittelbar Verordnungen bestimmten Apotheken oder sonstigen Leistungserbringern zuweisen, informiert eine Sprecherin auf Nachfrage der PZ. Dies gelte auch bei Einlösung des elektronischen Rezepts und insbesondere auch für die elektronischen Zugangsdaten (E-Token).
Für Verträge zur Heimversorgung gelte gemäß § 12a Apothekengesetz eine Ausnahme vom Abspracheverbot, führt die Sprecherin aus. Demnach können Apotheken mit Trägern von Heimen Verträge zur Arzneimittelversorgung abschließen; die Verträge dürfen allerdings nicht die freie Apothekenwahl der Heimbewohnerinnen und -bewohner einschränken und auch keine ausschließliche Bindung an eine Apotheke beinhalten. Die heimversorgende Apotheke könne somit die für die Heimbewohner ausgestellten Rezepte beliefern, sofern diese zugestimmt hätten – in der Regel mit einer schriftlichen Einwilligung.
Allerdings bestehe das Vertragsverhältnis nur zwischen dem Heim und der Apotheke. Arztpraxen seien in diese Verträge nicht einbeziehbar. »Auf das Zuweisungs- oder Abspracheverbot zwischen Arzt/Ärztin und Apotheke haben diese Verträge somit keine Auswirkung; eine regelhafte direkte Zuweisung von (E-)Rezepten von der Arztpraxis an eine Apotheke ist somit aus Sicht des BMG auch in diesem Fall nicht möglich«, stellt die Sprecherin klar.
Sie weist daraufhin, dass Praxen Verschreibungen derzeit über die »allgemeinen Einlösewege« an den Patienten beziehungsweise an das Heim übermitteln können – also über das Muster 16, falls der Arzt bei einer Heimvisite ein Rezept ausstellt, oder den Ausdruck des Tokens bei einem Folgerezept. Wenn ein Heim bereits an die TI angebunden sei und die Anwendung KIM verwende, könne eine Übermittlung auch über diesen Weg erfolgen.
Der korrekte Weg sieht in diesem Fall so aus: Die Ärztin oder der Arzt übermittelt das E-Rezept mittels KIM an das Pflegeheim und das Heim leitet es an die Apotheke weiter. Alternativ könnten die bisherigen Arbeitsabläufe weitergenutzt werden. In diesem Fall druckt die Arztpraxis den E-Rezept-Token aus. Das Heim lässt den Ausdruck per Botendienst abholen und bringt ihn zur Apotheke, die damit auf die Verschreibung zugreifen kann.
Wie umständlich und personalintensiv dieser Weg ist, ist dem Ministerium offenbar bewusst. So betont das BMG zwar, dass auch bei Verwendung des E-Rezepts Pflegeeinrichtungen aus fachlicher Sicht in den Prozess der Medikationsverordnung einzubinden seien. Gleichzeitig sei aber sicherzustellen, dass für die Einrichtungen beziehungsweise die dort arbeitenden Pflegekräfte kein erhöhter Aufwand entstehe. »Mit diesem Ziel steht das BMG derzeit im Austausch mit Verbänden der Leistungserbringer, um eine geeignete Ausgestaltung der Prozesse zu erreichen«, heißt es. Auch um das elektronische Verordnen in der Heimversorgung voranzubringen, sei das Ministerium im Dialog mit verschiedenen Akteuren, unter anderem den Organisationen der Pflege. Ziel sei es, Lösungen für Herausforderungen bei der Umstellung auf die verpflichtende Nutzung des E-Rezepts zu finden, erläutert die Sprecherin.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.