BMG kündigt große EU-Arzneimittelstrategie an |
Thomas Müller, BMG-Abteilungsleiter, kündigte an, dass die EU eine große Arzneimittelstrategie präsentieren werde, um Lieferengpässe zu bekämpfen. / Foto: PZ/Evans
Bei wichtigen Arzneimitteln wie Antibiotika besteht derzeit eine starke Abhängigkeit von China, stellte Thomas Müller, Leiter der Abteilung Arzneimittel, Medizinprodukte und Biotechnologie im BMG, gestern während der Tagung »Pharma Trends 2023« in Berlin fest. Um die Versorgung der Bevölkerung mit häufig verordneten Arzneimitteln wie Schmerzmitteln und Antibiotika sicherzustellen, wolle das BMG gegensteuern. »Wir brauchen Instrumente, um mehr Vielfalt im Beschaffungsprozess zu erreichen«, machte Müller deutlich. Dabei müssten verschiedene Faktoren wie der Standort EU berücksichtigt werden. »Das ist ein sehr anspruchsvolles Projekt«, betonte der Abteilungsleiter in seinem Vortrag.
Auch die EU-Kommission wolle die Sicherheit bei der Versorgung mit Arzneimitteln wie beispielsweise Paracetamol und Tamoxifen erhöhen, führte Müller aus. Das sei ein Schwerpunkt der Arzneimittelstrategie der Europäischen Union. Diese werde nicht wie geplant in diesem Jahr, sondern voraussichtlich Anfang 2023 feststehen. »Wir sind sehr gespannt auf den Aufschlag der EU-Kommission«, sagte Müller. Mit der Strategie solle auch die Frage beantwortet werden, wie die Arzneimittel zu den Patienten in der EU kommen sollten.
In seinem Vortrag ging Müller auch auf die Entwicklung des GKV-Arzneimittelmarktes ein. So sei die Zahl der Zulassungsempfehlungen durch die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) auf hohem Niveau stabil. 54 Zulassungen im Patentmarkt seien für die gesetzlichen Krankenkassen allerdings derzeit »schwer zu schlucken«.
Auffällig sei, dass sich die Industrie auf neue Arzneimittel für die Indikationen Hämatologie und Onkologie fokussiert habe, führte der Abteilungsleiter im BMG aus. 20 Prozent der Zulassungen beträfen diese Indikationen. Dabei handele es sich zumeist um Arzneimittel, die die Überlebensdauer der Patienten nur geringfügig verlängerten, mit denen Industrie aber einen sicheren Preis erzielen könne. »Es gibt die Tendenz der Industrie, in der Onkologie zu ernten, ohne viel Innovation zu bringen«, kritisierte Müller. Bei anderen Indikationen wie beispielsweise Alzheimer und Schizophrenie zeigten die Hersteller hingegen wenig Aktivität, dabei sei dort der Bedarf an neuen Arzneimitteln hoch. Offensichtlich bevorzuge die Methodik im Zulassungsverfahren die Onkologie, hier müsse der Gesetzgeber nachsteuern.
Müller, der selbst Arzt und Apotheker ist, erklärte, dass das BMG nach wie vor die Preisentwicklung bei Originalpräparaten im Blick hat. »Patentprodukte fressen einen großen Teil des Budgets auf«, bemängelte Müller. Hingegen seien bei Generika, die für die Versorgung sehr wichtig seien, die Kosten sehr knapp kalkuliert. Der Umsatz im Generikabereich sei im Vergleich zu 2017 sogar leicht rückläufig. Um eine bessere Versorgung im generischen Markt zu erreichen, wolle das BMG im ersten Halbjahr 2023 zusammen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz einen Gesetzentwurf erarbeiten, kündigte Müller an. Damit solle die Zulassung neuer Generika gefördert werden.
Um hohe Ausgaben im Patentbereich zu stoppen, habe der Gesetzgeber mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz Leitplanken für die Arzneimittel-Preisverhandlung eingeführt, erinnerte Müller. Dabei werde das bisherige Verhandlungsverfahren durch klare gesetzliche Leitplanken bei Arzneimitteln ohne Zusatznutzen beziehungsweise mit nicht quantifizierbarem oder geringem Zusatznutzen flankiert, sofern das Zulassungsverfahren patentgeschützt ist. Mit Arzneimitteln, deren Zusatznutzen gering oder nicht quantifizierbar ist, erzielen Hersteller künftig keinen hohen Preis mehr, sondern lediglich einen Preis auf dem Niveau eines Generikums. Bei Arzneimitteln ohne Zusatznutzen liegt der Erstattungsbetrag noch 10 Prozent darunter. »Wir wollen Arzneimittel, die den Patienten tatsächlich einen großen Nutzen bringen«, erläuterte Müller das Ziel der Leitplanken.