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GKV-Finanzstabilisierungsgesetz

BMG erntet heftige Kritik für Sparpläne

Mit der Anhörung der Fachverbände am gestrigen Mittwoch geht die Abstimmung über den Entwurf zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz in die nächste Runde. Nach Informationen der PZ ernteten die Vertreterinnen und Vertreter des Bundesgesundheitsministeriums aus allen Lagern heftige Kritik. Auch die geplante Erhöhung des Kassenabschlags wurde angesprochen und von der ABDA kritisiert.
Cornelia Dölger
Benjamin Rohrer
14.07.2022  15:00 Uhr

Zahlreiche Stellungnahmen zum Referentenentwurf zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz liegen demnach beim BMG vor, wie ein Sprecher auf PZ-Anfrage sagte. Inhaltliche Angaben machte er nicht, erklärte aber, dass die Positionen der Fachverbände nun ausgewertet würden. Ob sich die teils heftige Kritik an den Sparplänen von Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) dabei bemerkbar machen wird, ist unklar. Bis zuletzt hatten sämtliche beteiligten Lager – Kassen, Pharmaindustrie und Verbände – ihren Unmut über die Pläne geäußert. Auch die ABDA machte ihrem Ärger im Vorhinein schriftlich Luft.

Diese Stimmung soll sich nach PZ-Informationen auch bei der Fachanhörung im BMG gezeigt haben. Die Krankenkassen kritisierten insbesondere die geplanten Milliarden-Rückführungen aus ihren Reserven und Rücklagen. Besonders heftige Kritik gab es auch von den Pharma-Verbänden: Die Fortführung des Preismoratoriums und die neue vom BMG geplante »Solidarabgabe« stoßen auf Kritik bei den Herstellern – insbesondere mit Blick auf die aktuellen Kostensteigerungen. Spannungen soll es auch zwischen Kassen- und Herstellerverbänden gegeben haben. Denn: Die Kassen verlangen, dass die Sparpläne im Pharma-Bereich noch weiter gehen als derzeit vorgesehen. Im Gespräch soll beispielsweise die Forderung nach einer zeitweisen Aufhebung des gesetzlichen Inflationsausgleichs für Hersteller sein. Die geplante, zweijährige Anhebung des Kassenabschlags für Apotheken auf 2 Euro wurde demnach ebenfalls thematisiert. Die ABDA soll die BMG-Vertreterinnen und Vertretern nach PZ-Informationen deutlich auf die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Apotheken hingewiesen haben. Kommentare seitens des BMG zu einer möglichen Änderung dieser Pläne soll es aber keine gegeben haben.

ABDA: Sparpläne schwächen das Versorgungssystem

Die Apotheken wiederum bezeichneten die Pläne in ihrer schriftlichen Stellungnahme als eine Schwächung des Arzneimittelversorgungssystems und »in keinster Weise nachvollziehbar«, wie es in einem ABDA-Statement heißt. Dass das Gesetz in erster Linie die Leistungserbringer heranziehe und insbesondere im Arzneimittelbereich sparen wolle, sei unverhältnismäßig. »Insbesondere die Apotheken sind in den letzten Jahren keinesfalls als Kostentreiber aufgefallen«, heißt es. Vielmehr sei ihr Anteil an den GKV-Gesamtausgaben in den letzten 20 Jahren von 3 Prozent auf 1,9 Prozent gesunken. »Trotzdem sollen sie aber nun durch Sparmaßnahmen massiv belastet werden. Umstände, die dies begründen könnten, gibt es nicht«, kritisiert die Bundesvereinigung.

Der geplante erhöhte Kassenabschlag um 23 Cent über zwei Jahre belaste die Apotheken jährlich mit etwa 120 Millionen Euro, das sind für eine durchschnittliche Apotheke demnach etwa 6500 Euro pro Jahr, was für jede einzelne Offizin de facto eine Schmälerung des Rohertrags und Vorsteuergewinns darstelle. Gleichzeitig, so betonte die ABDA, sei der Fixzuschlag von 8,35 Euro auf Rx-Packungen im Jahr 2013 letztmalig angehoben worden, um 25 Cent oder 3,1 Prozent, nachdem ganze neun Jahre zuvor das Fixentgelt auf 8,10 Euro festgelegt worden war. »Im Gegensatz zu anderen Versorgungsbereichen hat es in den letzten Jahren keine Anpassung der entsprechenden Vergütung in Anlehnung an die Entwicklung des Preisniveaus oder der Lohnsumme gegeben.«

Am heutigen Donnerstag legten die beiden Apothekerverbände und -kammern aus Nordrhein-Westfalen in einem gemeinsamen Statement nach. Die vier Standesvertretungen warnen vor heftigen Konsequenzen der Sparmaßnahmen: »Schon jetzt haben wir in NRW mit unter 4000 Apotheken die niedrigste Apothekenzahl seit den 80er Jahren erreicht. Die Versorgungsstruktur und Versorgungsleistung der Apotheken vor Ort wird jetzt vom geplanten GKV-Stabilisierungsgesetz des Bundesgesundheitsministers massiv gefährdet. Angesichts des kommenden dritten Corona-Winters ist das drohende 120 Millionen Sparopfer völlig fehl am Platz. Als Leistungsträger ziehen die Apotheken vor Ort den Karren. Sie brauchen daher Unterstützung und nicht weitere Belastungen«, heißt es in der gemeinsamen Stellungnahme.

Sondererlöse durch die Pandemie sind passé

Die Kosten für die Offizinen stiegen aber kontinuierlich weiter. Etwa steige der Lohndruck durch den höheren Mindestlohn sowie nötige Maßnahmen zur Personalgewinnung. Massiv steigende Lebenshaltungskosten sowie schlechte Einkaufskonditionen beim Großhandel täten ihr Übriges. Außerdem hätten die Apotheken »diverse gesetzgeberische Maßnahmen« mitzutragen, die bürokratischen und weiteren, nicht der Versorgung dienenden Aufwand bedeuteten und die Kosten zusätzlich steigerten.

All diese Belastungen seien nicht neu, allerdings in den vergangenen zwei Pandemie-Jahren durch Sondereffekte aufgefangen worden. »Aber diese Sondererlöse sind inzwischen weggefallen, während der Kostendruck aktuell massiv zunimmt«, schreibt die ABDA. Deshalb sei es »völlig unangemessen«, in einer solchen Umgebung mit der Erhöhung des GKV-Abschlags die Apotheken stark zu belasten. Im Übrigen sei die Erhöhung des Kassenabschlags »mit extremem und unnötigem Verwaltungsaufwand« verbunden, warnte die ABDA. Falls er tatsächlich umgesetzt werde, solle der Zeitpunkt des Beginns überdacht werden. Bislang ist geplant, dass die Erhöhung mit Inkrafttreten des Gesetzes gilt. Um eingeübte Fristen bei der Abrechnung einzuhalten, solle der Start- und Endpunkt entsprechend angepasst werden, so der ABDA-Vorschlag.

vfa sieht in Solidarabgabe Konflikt mit Grundgesetz

Die Pharmaindustrie argumentierte überdies auch politisch. So sieht der Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) die vom Bundesgesundheitsministerium geplante Solidarabgabe zur Stabilisierung der Krankenkassen im Konflikt mit dem Grundgesetz. Vfa-Präsident Han Steutel sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) am heutigen Mittwoch, außerhalb des Steuerrechts seien dem Staat durch das Bundesverfassungsgericht zu Recht enge Grenzen aufgelegt, Sonderabgaben zu erheben. Das gelte auch für die als »Solidarbeitrag« bezeichnete Sanierungshilfe der Pharmaindustrie für die gesetzlichen Krankenkassen. »Ich sehe noch nicht, wie der Staat die Kriterien der Rechtsprechung dabei erfüllen will«, betonte Steutel. Bundesgesundheitsminister Lauterbach plant von der Branche 2023 eine Milliarde Euro als Solidarabgabe ein.

Auch die FDP meldete sich zum Thema klamme Kassen zu Wort. Als ein Mittel schlug der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Bundestag, Johannes Vogel, gegenüber dem RND vor, Homöopathie als Kassenleistung streichen. »Homöopathie soll jeder nutzen dürfen, ist aber nachweislich wissenschaftlich nicht wirksam«, so Vogel zum RND. »Das Kollektiv der Beitragszahler meiner Kasse dazu zu verpflichten, das mitzuzahlen, das ist eine Frage, die mit auf den Tisch muss«, forderte Vogel.

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