BMBF: Veto gegen »Apotheke light« |
Alexander Müller |
15.08.2024 10:00 Uhr |
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wird von der Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger beim Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) ausgebremst. / Foto: IMAGO/Chris Emil Janßen
Laut aktuellem Zeitplan will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sein Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) bei der Kabinettssitzung am 21. August einbringen und beschließen lassen. Doch nach Recherchen der PZ gibt es massiven Widerstand gegen den Teil der Reform, die den Betrieb von Apotheken ohne die Präsenz eines oder einer Approbierten vorsieht.
Eine Sprecherin des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) bestätigte auf PZ-Nachfrage: »Ja, das BMBF hat gegenüber dem BMG einen Leitungsvorbehalt für dieses Vorhaben eingelegt.« Das Ressort von Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) stößt sich konkret an der geplanten Einführung von § 3a Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO), der »Apotheke ohne Apotheker«. Auch das bestätigt die Sprecherin auf Nachfrage: »Ja, der Leitungsvorbehalt des BMBF betrifft unter anderem auch die Regelungen zu den sogenannten Filialapotheken.«
Nach Lauterbachs Plänen könnten PTA und Pharmazieingenieure die Apotheke vorübergehend alleine führen, wenn ein Apotheker des Filialverbunds zur Beratung mittels Telepharmazie zur Verfügung steht. Der Inhaber müsste nur noch mindestens acht Stunden pro Woche persönlich vor Ort sein, eine Filialleitung wäre dann nicht mehr vorgeschrieben.
Die Einwände gegen das Vorhaben beschreibt die BMBF-Sprecherin so: »Es wird zurzeit geprüft, ob eine oder mehrere Apothekerinnen und/oder Apotheker in direkter und persönlicher Verantwortung als Filialleitung fungieren sollten. Dieser Prozess der Prüfung ist noch nicht abgeschlossen.« Ein Kabinettsbeschluss in der kommenden Woche erscheint angesichts dieser doch grundsätzlichen Bedenken zumindest fraglich. Aus dem Forschungsministerium heißt es dazu trocken: »Der Abstimmungsprozess ist hierzu noch nicht abgeschlossen. Nach Abschluss der Abstimmungen wird das Vorhaben ins Kabinett eingebracht.«
Gegen die Vertretungsregelung läuft nicht nur die Apothekerschaft Sturm, die als Kettenreaktion sogar eine Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbots sowie der Apothekenpflicht befürchtet. Auch wurden verfassungsrechtliche Bedenken gegen die geplante Neuregelung von Bundesverfassungsrichter a.D., Udo di Fabio, geltend gemacht.
Aber das ist nur der Widerstand von außen. Lauterbach stößt auch bei der Ressortabstimmung auf Widerstand. Eigentlich hatte er den Kabinettsbeschluss bereits fest für den 17. Juli eingeplant. Doch die Rechtsprüfung im Bundesjustizministerium (BMJ) war noch nicht abgeschlossen, ist es bis heute nicht und dem Vernehmen nach geht es auch hier nicht nur um Formalitäten. Lauterbach schob den Urlaub von Justizminister Marco Buschmann (FDP) vor – und wurde öffentlich der Lüge überführt.
Der Gesundheitsminister kämpft unterdessen hart für seine Reform. So soll das ApoRG vorgezogen und die immer noch ausstehende Rechtsprüfung des Krankenhaus-Reformgesetzes hintenangestellt werden, obwohl das Gesetz schon im Mai vom Kabinett beschlossen worden war und schon im parlamentarischen Verfahren ist. Zudem scheint Lauterbach eine drohende Blockade der Länder vermeiden zu wollen: Sein Haus hat am Referentenentwurf erkennbare Änderungen vorgenommen, um eine Zustimmungsbedürftigkeit im Bundesrat zu vermeiden. Die erleichterte Anerkennung ausländischer Studienabschlüsse wurde aus einer früheren Version des Gesetzentwurfs gestrichen.
Bleibt der Knackpunkt »Apotheke light«. Zuletzt erklärte noch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) öffentlich, dass für ihn Apotheken ohne Apotheker nicht in Betracht kommen. Die Liberalen scheinen in dieser Frage also geschlossen aufseiten der Apothekerschaft zu stehen – was mit Blick auf den Schutz der Freien Berufe auch naheliegend ist.
Mit dem Leitungsvorbehalt des BMBF wird der Widerstand gegen das Apotheken-Reformgesetz nun auf eine neue Ebene gehoben. In der Praxis bedeutet ein solches Veto eines anderen Ressorts in der Regel, dass sich die Parlamentarischen Staatssekretäre noch einmal zusammensetzen und über die Streitpunkte sprechen.
Wenn hier keine Einigung erzielt wird, hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) das letzte Wort. In der Geschäftsordnung der Bundesregierung heißt es gleich in § 1: »In Zweifelsfällen ist die Entscheidung des Bundeskanzlers einzuholen.« Scholz könnte auch eine Frist zur Einigung vorgeben.