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Metformin

Blutzuckerkontrolle ist auch Kopfsache

Metformin ist bei Patienten mit Typ-2-Diabetes Therapiestandard, aber seine Wirkweise ist immer noch nicht vollständig bekannt. Nun zeigt eine Studie, dass der altbekannte Arzneistoff auch eine zentrale Wirkkomponente besitzt.
Theo Dingermann
01.08.2025  16:20 Uhr

Der lange etablierte Wirkstoff Metformin, ist das Medikament der ersten Wahl zur Behandlung eines Typ-2-Diabetes bei übergewichtigen, nicht insulinpflichtigen Diabetikern. Trotz der langen Verfügbarkeit ist nach wie vor unklar, wie Metformin genau wirkt. Man geht davon aus, dass Metformin den Blutzuckerspiegel in erster Linie durch eine Verringerung der Glucoseproduktion in der Leber günstig beeinflusst. Dieser Effekt scheint durch die Aktivierung der Adenosinmonophosphat-(AMP-)aktivierten Proteinkinase (AMPK) vermittelt zu werden.

Dies ist aber wohl nicht der einzige Wirkmechanismus. Diskutiert werden zusätzlich eine Hemmung der mitochondrialen Atmungskettenkomplexe, eine Beeinflussung der cAMP-Signalübertragung sowie die Hemmung der mitochondrialen Glycerolphosphatdehydrogenase und der Fructose-1,6-Bisphosphatase. Darüber hinaus scheint Metformin auch eine therapeutische Wirkung zu vermitteln, indem es die Mikrobiomdynamik verändert, die Glucoseaufnahme im Darm erhöht und die hormonelle Sekretion des Wachstums- und Differenzierungsfaktors 15 und des Glucagon-ähnlichen Peptids 1 (GLP-1) verstärkt.

Als wäre das nicht genug, haben nun Forschende um Dr. Hsiao-Yun Lin vom Baylor College of Medicine in Houston herausgefunden, dass auch das Gehirn klinisch relevante Wirkungen von Metformin vermittelt. Die Ergebnisse ihrer Studie sind im Fachjournal »Science Advances« erschienen.

Entscheidend für die Ergebnisse dieser Arbeit waren Mäuse mit einem spezifischen Knockout des Ras-related protein 1 (Rap1) im Vorderhirn (Rap1ΔCNS-Mäuse). Rap1 ist eine kleine Guanosintriphosphatase (GTPase), ähnlich wie das besser bekannte Protoonkogen Ras. In ihrer GDP-gebundenen Form sind diese Proteine inaktiv und werden aktiv, wenn sie GTP binden. In dieser Form regulieren sie unzählige zelluläre Prozesse, wobei Rap1 vorwiegend an der Zelladhäsion und der Bildung von Zellverbindungen beteiligt ist.

Die von den Forschenden als Modellsystem verwendeten Rap1ΔCNS-Mäuse zeigten eine unerwartete Resistenz gegenüber den antidiabetischen Effekten von Metformin bei klinisch relevanten niedrigen Dosen (50 bis 150 mg/kg), was die richtige Spur legte. Andere antidiabetische Wirkstoffe, darunter Rosiglitazon, Exendin-4, Glibenclamid, Dapagliflozin und Insulin, führten nämlich weiterhin zu einer normalen Blutzuckersenkung. Mit Metformin wurde bei den Modellmäusen dagegen erst bei extrem hohen Dosen von ≥ 200 mg/kg eine Blutzuckersenkung erzielt.

Blutzucker sinkt nach Metformin-Gabe direkt ins Gehirn

Injizierten die Forschenden eine sehr geringe Metformin-Dosis (1 bis 10 µg) direkt ins Gehirn von normalen Mäusen mit ernährungsbedingter Hyperglykämie, führte das zu einer signifikanten Bluzuckersenkung. Die glucosesenkende Wirkung war dabei unabhängig von einer reduzierten Nahrungsaufnahme oder einer systemischen Wirkung. Dies erhärtete die Hypothese der Forschenden.

Die Gabe von Metformin ins Gehirn führte zu einer signifikanten Reduktion des aktiven GTP-gebundenen Rap1 im Hypothalamus. Durch Detailstudien ließ sich zeigen, dass der Effekt auf den Nucleus ventromedialis des Hypothalamus (VMH) und dort speziell auf steroidogenic factor 1 (SF1)-exprimierende Neuronen begrenzt war, wobei Metformin diese Neuronen aktivierte.

Diese Ergebnisse wurden an einem anderen Knockout-Mausmodell bestätigt: Bei Mäusen, die kein aktives Rap1-Gen in den VMH-SF1-Neuronen besaßen, blieb bei der Gabe von Metformin eine Blutzuckersenkung aus.

Insgesamt etabliert die Studie erstmals die hypothalamische Rap1-Achse als essenziellen Bestandteil des therapeutischen Wirkmechanismus von niedrig dosiertem Metformin. Die Ergebnisse ergänzen das bekannte Bild der peripheren AMPK-abhängigen und -unabhängigen Wirkmechanismen um eine zentrale Komponente mit hoher Relevanz für zukünftige therapeutische Strategien.

In einer Pressemitteilung ihres Instituts äußert sich die Seniorautorin der Studie, Professorin Dr. Makoto Fukuda: »Diese Entdeckung verändert unsere Sichtweise auf Metformin. Es wirkt nicht nur in der Leber oder im Darm, sondern auch im Gehirn.« Die Erkenntnisse eröffneten neue Möglichkeiten für die Entwicklung von blutzuckersenkenden Wirkstoffen, die auf diesen Signalweg im Gehirn abzielen.

Nur wenige Antidiabetika wirken (auch) auf das Gehirn – nun zeige diese Studie, dass das weit verbreitete Metformin dies bereits seit Langem tut. Fukuda verweist darauf, dass Metformin auch für weitere gesundheitliche Vorteile bekannt sei, beispielsweise die Verlangsamung der Gehirnalterung. Daher wolle sie mit ihrer Gruppe nun untersuchen, ob derselbe Rap1-Signalweg auch für andere gut dokumentierte Wirkungen des Medikaments auf das Gehirn verantwortlich ist.

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