Bleibt das Cannabisgesetz? |
Lukas Brockfeld |
28.09.2025 08:00 Uhr |
Das Cannabisgesetz wurde vom ehemaligen Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erarbeitet. / © Imago/Political-Moments
Seit April 2024 ist Cannabis in Deutschland unter strengen Auflagen legal. Das Gesetz der Ampel-Koalition wurde insbesondere von der Union scharf kritisiert. Im Wahlkampf versprachen CDU und CSU eine Rücknahme der Teillegalisierung, doch sie konnten sich mit der Forderung nicht gegen ihren Koalitionspartner SPD durchsetzen. Im Koalitionsvertrag ist lediglich eine ergebnisoffene Evaluierung des Gesetzes im Herbst 2025 vorgesehen. Eine solche Untersuchung war ohnehin von der Ampel geplant.
Am 1. Oktober soll eine erste Evaluation erfolgen, die die Auswirkungen des Gesetzes auf den Kinder- und Jugendschutz, einschließlich der Auswirkungen auf das Konsumverhalten von Kindern und Jugendlichen betrachtet. Darüber hinaus soll eine Evaluation der Besitzmengen sowie der Weitergabemengen in Anbauvereinigungen erfolgen. Im kommenden Jahr soll außerdem ein Zwischenbericht zu den Auswirkungen auf die cannabisbezogene organisierte Kriminalität veröffentlicht werden. Vier Jahre nach Inkrafttreten des Cannabisgesetzes soll eine umfassende und abschließende Evaluation erfolgen.
Noch ist der erste Zwischenbericht der Bundesregierung unter Verschluss. Doch in den vergangenen Monaten sind mehrere Studien erschienen, die den Cannabiskonsum in Deutschland unter die Lupe nehmen. In dieser Woche wurde die Drogenaffinitätsstudie 2025 des Bundesinstituts für Öffentliche Gesundheit (BIÖG) vorgestellt. Die Auswertung des Instituts zeigte, dass der Cannabiskonsum bei Jugendlichen unter 18 Jahren seit dem Jahr 2015 leicht zurückgegangen ist. Die oft geäußerte Befürchtung, dass immer mehr Jugendliche durch die Teillegalisierung zu Kiffern werden, hat sich demnach vorerst nicht bestätigt.
Anders sieht die Entwicklung jedoch bei den jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 aus. Die Auswertung des BIÖG zeigt, dass er Anteil junger Männer, die innerhalb des letzten Jahres Cannabis konsumierten, von 20,6 Prozent (2015) auf 31,6 Prozent im Jahr 2025 gestiegen ist. Bei den jungen Frauen wurde im gleichen Zeitraum einen Anstieg von 9,7 auf 18,8 Prozent beobachtet. Aus den Daten des BIÖG geht allerdings auch hervor, dass der Konsum bei jungen Erwachsenen vor allem zwischen 2015 und 2021 anstieg und seither auf ähnlich hohem Niveau verbleibt.
Ein erklärtes Ziel des Cannabisgesetzes war die Trockenlegung des Schwarzmarktes. Eine Anfang September veröffentlichte Studie, die vom Instituts für Suchtforschung (ISFF) der Frankfurt University of Applied Sciences in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Hochschule Freiburg erarbeitet wurde, zeigte, dass sich der Markt seit Inkrafttreten des Cannabisgesetzes tatsächlich deutlich gewandelt hat. Demnach gaben 88 Prozent der befragten Erwachsenen an, dass sie in den letzten sechs Monaten Cannabis hauptsächlich aus einer grundsätzlich legalen Quelle bezogen hatten. Die Stichprobe der Studie war allerdings bewusst nicht repräsentativ, da die Wissenschaftler vor allem regelmäßige Konsumenten befragen wollten.
Die Untersuchung zeigte auch, dass 44 Prozent der Befragten medizinisches Cannabis aus Apotheken oder dem Versandhandel beziehen – fast immer auf Privatrezept und ohne Kostenübernahme der Krankenkasse. Gleichzeitig sagten 53,7 Prozent aller Befragten, dass sie Cannabis (auch) aus medizinischen Gründen konsumieren. Seit dem Inkrafttreten des CanG bieten mehrere Onlineplattformen Medizinisches Cannabis an. Zum Erhalt eines Rezeptes muss oft nur ein Fragebogen ausgefüllt werden. Das Bundesgesundheitsministerium möchte diese Praxis unterbinden und arbeitet an einem neuen Gesetz, das Onlineverordnung und der Versand von Cannabisblüten verbietet. Das Verbot könnten allerdings noch am Widerstand der SPD scheitern.
Eigentlich sahen die Pläne des ehemaligen Gesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) vor, dass Cannabis vor allem über Anbauvereinigungen bezogen werden soll. Doch bisher konnten sich die sogenannten Cannabis Social Clubs nicht etablieren. Die Vereine müssen sehr strenge Auflagen erfüllen und sehen sich oft mit dem Widerstand der Behörden konfrontiert. Im Juli 2025 gab es in ganz Deutschland nur 293 Anbauvereinigungen. Diese dürfen laut Gesetz nicht mehr als 500 Mitglieder haben und können damit maximal 146.500 Menschen versorgen. In Deutschland gibt es nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums etwa 4,5 Millionen Erwachsene zwischen 18 und 59 Jahren, die in den letzten 12 Monaten bei mindestens einer Gelegenheit Cannabis konsumiert haben.
Die gesundheitlichen Auswirkungen des Cannabiskonsums werden immer besser erforscht. Im Fokus stehen dabei vor allem psychische Probleme wie Sucht oder ein erhöhtes Risiko für Psychosen. Doch Cannabiskonsum kann auch erhebliche körperliche Beschwerden verursachen. Neue Studien zeigen beispielsweise, dass regelmäßige Konsumentinnen und Konsumenten eine verminderte Fruchtbarkeit sowie ein erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes und ein deutlich erhöhtes Risiko für unerwünschte kardiovaskuläre Ereignisse wie einen Herzinfarkt haben.
Seit der Legalisierung suchen immer mehr Menschen wegen gesundheitlicher Probleme in Folge von Cannabiskonsum einen Arzt auf. Nach Hochrechnung der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) waren es im vergangenen Jahr bundesweit etwa 250.500 Menschen und damit rund 14,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Von den KKH-Versicherten wurden im vergangenen Jahr 4940 Patientinnen und Patienten mit der Diagnose »Psychische und Verhaltensstörungen durch Cannabinoide« behandelt. Dies sind hochgerechnet etwa 30 Fälle pro 10.000 Einwohner. Im Jahr 2019 waren es laut Hochrechnung nur 21 Fälle.
1,5 Jahre nach dem Inkrafttreten des Cannabisgesetzes zeigt sich ein uneindeutiges Bild. Doch zumindest die schlimmsten Befürchtungen haben sich nicht bewahrheitet. Es erscheint unwahrscheinlich, dass die von der Bundesregierung angeordnete Evaluierung Erkenntnisse enthält, die eine Rückkehr zur Prohibition zwingend notwendig erscheinen lassen. Auch der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Hendrik Streeck (CDU), sagte in der vergangenen Woche in einem Interview mit der ARD, dass er mit einem »gemischten Bild« rechne. Gesellschaftliche Veränderungen seien oft erst nach fünf bis zehn Jahren zuverlässig messbar.
Die Zukunft des Cannabisgesetzes dürfte damit vor allem von politischen Faktoren abhängen. Für CDU und CSU dürfte es aber nicht leicht werden, eine Rücknahme des CanG durchzusetzen. Schon das vergleichsweise unkontroverse Verbot des Versandhandels von medizinischen Cannabisblüten stößt in der SPD auf erheblichen Widerstand. Es dürfte daher kaum realistisch sein, dass die Sozialdemokraten das Prestigeprojekt der Ampel-Koalition so schnell aufgeben. Zu Jahresbeginn sprachen sich die Genossen in ihrem Wahlprogramm sogar noch für eine vollständige europarechtskonforme Legalisierung aus.