BKK-Landesverband fordert Nutzenbewertung ab Markteintritt |
Durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz werden patentgeschützte Arzneimittel bereits nach sechs Monaten auf ihren Zusatznutzen hin überprüft. Zuvor war das nach einem Jahr der Fall. / Foto: fotolia/Stockfotos-MG
Seit 2010 habe sich der Bruttoumsatz je gesetzlich Krankenversicherten im Freistaat um 60,5 Prozent auf 711 Euro im Jahr 2022 erhöht, teilte der BKK-Landesverband in Bayern mit. Insgesamt seien es im vergangenen Jahr 7,99 Milliarden Euro gewesen. Bundesweit seien die Ausgaben im selben Zeitraum um 53,2 Prozent auf 743 Euro je Versicherten geklettert - 54,1 Milliarden Euro seien insgesamt zusammengekommen. Auch in diesem Jahr 2023 und wohl auch 2024 werde sich dieser Trend fortsetzen, hieß es. Regulierungen im Arzneimittelmarkt seien notwendig.
Dass die Kassen immer mehr Geld für Arzneimittel ausgeben, zeigt auch die Statistik des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Demnach erhöhten sich die Ausgaben für Arzneimittel von 38,67 Milliarden Euro im Jahr 2018 kontinuierlich auf 48,84 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Gemessen an den Ausgaben der GKV für verschiedene Leistungsbereiche fielen die Arzneimittelausgaben mit rund 17,8 Prozent als zweitgrößter Posten zu Buche, noch vor den Ausgaben für die ärztliche Behandlung mit etwa 16,8 Prozent. Etwa ein Drittel ihres Etats (32,1 Prozent) gaben die Kassen für Krankenhausbehandlungen aus.
Kostentreiber bei den Arzneimittelausgaben sind laut dem BKK-Landesverband Bayern vor allem patentgeschützte Fertigarzneimittel; sie machten lediglich knapp 11 Prozent der verordneten Tagesdosen, aber 55 Prozent des Umsatzes am Fertigarzneimittelmarkt aus. Dazu gehörten die meisten Immunsuppressiva, die zum Beispiel zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen wie Rheuma oder Psoriasis eingesetzt werden. Wesentliche Ausgabentreiber seien aber auch Arzneimittel, die häufig bei sogenannten Volkskrankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck oder chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen (COPD) verordnet werden. So stehen Antidiabetika in Bayern für 5,7 Prozent der Tagesdosen und mit einem Volumen von 485 Millionen Euro für 7,4 Prozent des Bruttoumsatzes im Fertigarzneimittelbereich, hieß es.
Um gegenzusteuern, fordert der Kassenverband weitere Regulierungen im Arzneimittelmarkt. Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz gehe zwar in die richtige Richtung, reiche aber insgesamt nicht aus. »Der Gesetzgeber ist gefordert, insbesondere die Preise für neue Produkte stärker zu regulieren und die umfangreichen Ausnahmeprivilegien im Arzneimittelbereich abzubauen«, betonte der Vorstandsvorsitzende des BKK-Landesverbandes Bayern, Ralf Langejürgen. Bei patentgeschützten Arzneimitteln haben Unternehmen seit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz sechs Monate Zeit, ihr neues Produkt ohne Preisobergrenze auf den Markt zu bringen. Dies sei für die GKV immer noch zu teuer. Auch ein neues Produkt müsse sich an seinem Zusatznutzen im jeweiligen Anwendungsgebiet messen lassen und sich ab dem Zeitpunkt des Markteintrittes preislich an der bestehenden Produktgruppe orientieren, fordert der Kassenverband.
Mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz mussten die Hersteller bereits Einsparungen hinnehmen. So wurde die Zeitspanne, in der ein Hersteller nach Zulassung den Marktpreis eines neuen Medikaments frei festlegen kann, von einem Jahr auf sechs Monate verkürzt. Die Umsatzschwelle, bis zu der ein Zusatznutzen eines Orphan Drugs automatisch als belegt gilt, wurde von 50 Millionen Euro auf 30 Millionen Euro gesenkt. Auch wurde im Verfahren zur frühen Nutzenbewertung (AMNOG) für neue Arzneimittel in Kombinationstherapien mit bewährten Wirkstoffen ein automatischer Preisabschlag von 20 Prozent festgesetzt. Zudem muss die Pharmaindustrie einen um 5 Prozentpunkte erhöhten Herstellerabschlag insbesondere für patentgeschützte Arzneimittel hinnehmen. Vier Pharmaunternehmen legten Mitte November Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz ein.