BKK-Dachverband fordert Neustart des Gesundheitssystems |
Krankheitsprävention muss Priorität in der Gesundheitsversorgung erhalten – dafür spricht sich der BKK-Dachverband in seinem Positionspapier zur Bundestagswahl aus. / © Adobe Stock/Dan Race
Das deutsche Gesundheitssystem steckt laut BKK-Dachverband in der Krise. Es gehöre zu den teuersten der Welt, aber auch zu den ineffizientesten, kritisiert der Dachverband der Betriebskrankenkassen in seinem Positionspapier zur Bundestagswahl, das er am vergangenen Donnerstag vorgelegt hat. Der Verband fordert daher von der nächsten Bundesregierung »grundlegende Veränderungen am kranken Gesundheitssystem«. Nur ein »Neustart kann verloren gegangenes Vertrauen wiederherstellen und das Gesundheitssystem zukunftsfest machen«, heißt es.
Was der BKK-Dachverband von der nächsten Bundesregierung erwartet, erläuterte BKK-Vorständin Anne-Kathrin Klemm bereits Ende 2024 im PZ-Interview. Wie sie die Rolle der Apotheken sieht, machte Klemm Anfang 2025 in einem Podcast mit der PZ deutlich. Darin bezeichnete sie die öffentlichen Apotheken als »sehr wichtige Säule der Versorgung«. Sie sprach sich dafür aus, gezielt Strukturen zu stärken, aber dagegen, mit der Gießkanne mehr Geld auszugeben.
Laut seinem Positionspapier zur Wahl sieht der BKK-Dachverband als ein Manko an, dass die Krankenkassen zu wenig Geld für Prävention ausgeben. Die Folge sei, dass nach Berechnungen der Europäischen Union in Deutschland jedes Jahr eine Großstadt wie Wolfsburg wegen fehlender Prävention sterbe. »124.000 Sterbefälle wären vermeidbar, würden alle Möglichkeiten der Prävention und Gesundheiterhaltung ausgeschöpft«, heißt es. Der Dachverband spricht sich daher dafür aus, dass Krankheitsprävention Priorität in der Gesundheitsversorgung erhalten müsse.
Obwohl in Deutschland im internationalen Vergleich mehr Ärzte praktizierten als in anderen Ländern, müssten Patienten lange auf einen Facharzttermin warten. Zudem gebe es einen »Rückstand bei der Digitalisierung«. Um das zu ändern, fordert der Verband eine »Runderneuerung der Gesundheitsversorgung«. Unter anderem müsse der Gesetzgeber es den Krankenkassen erlauben, eine aktivere Rolle als »Lotsen im Gesundheitswesen« für ihre Versicherten zu übernehmen. Zudem müssten die Kassen mehr Gestaltungsspielraum beim Abschluss von Verträgen mit Ärzten, Krankenhäusern und anderen Leistungserbringern erhalten.
Grundlegende Kritik übt der Dachverband der Betriebskrankenkassen am Sozialgesetzbuch. Das SGB sei »ein Buch voller Fehlanreize«. Das führe dazu, dass viele Krankenhausbetten leer stünden. Die Patienten würden oft stationär behandelt, obwohl das ambulant auch ginge. Man doktere lediglich an Symptomen herum. »Die Regelungswut erstickt notwendige Verbesserungen im Keim«, heißt es.
Um das zu ändern, müsse die nächste Bundesregierung »das Sozialgesetzbuch neu schreiben«. Ein neues SGB müsse allen Versicherten einen diskriminierungsfreien Zugang zu präventiven und medizinischen Leistungen ermöglichen. Medizinische Innovationen müssten allen Versicherten innerhalb kürzester Zeit zugänglich sein. Die Gesunderhaltung und Qualität der medizinischen Versorgung müsse oberstes Gebot sein. Weiterhin sollten laut BKK die Leistungserbringer verpflichtet werden, medizinische Leistungen gemeinsam zu erbringen. Die Vergütung von Ärzten, Krankenhäusern und anderen Leistungserbringer müsse nach einem einheitlichen Vergütungssystem erfolgen.
Außerdem setzt sich der Dachverband dafür ein, die Finanzierung der GKV wieder »verfassungskonform und fair« zu gestalten. Die deutlich gestiegenen Beiträge der GKV Anfang dieses Jahres hätten nicht sein müssen, kritisiert der Dachverband. Wesentlicher Grund dafür sei ein »unfairer und in Teilen verfassungswidriger Griff in die Taschen der GKV-Beitragszahlenden«, der sich bei den Bundes- und Landesregierungen etabliert habe. So seien die Versicherungsbeiträge für Bürgergeldempfänger nicht kostendeckend. Als »Verfassungsbruch« bezeichnet der Verband zudem, dass die GKV-Versicherten die Hälfte der Kosten für die Krankenhausreform zahlen sollen – das sei eigentlich Ländersache.
Der Dachverband fordert daher, den Bundeszuschuss für versicherungsfremde Leistungen regelmäßig anzupassen sowie »faire Beitragszahlungen« für Bürgergeldbeziehende durch den Bund. Bund und Länder müssten jeweils ihre »Zeche« selbst zahlen. Weiterhin spricht sich der BKK-Dachverband für »eine Absenkung der Mehrwertsteuer für alle Waren und Dienstleistungen aus, die der Gesundheit dienen« – also auch die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel. Die Kassen müssten zudem wieder mehr Gestaltungsmöglichkeiten bei der Finanzierung erhalten.
Nachholbedarf sieht der Dachverband auch, wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht. So trage das deutsche Gesundheitswesen maßgeblich selbst zu Umweltproblemen bei. Aus Sicht des BKK-Dachverbands sollten die Krankenkassen beispielsweise die Möglichkeit erhalten, vertragliche Vereinbarungen mit Ärzten, Krankenhäusern und anderen Leistungserbringern zu schließen, in denen konkrete Maßnahmen zur Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung vereinbart werden. Zudem sollten die Kassen im SGB von der Pflicht entbunden werden, »nur auf die kurzfristigen finanziellen Kosten zu schauen, selbst wenn die Umwelt und das Klima und damit auch die Gesundheit der Menschen leidet«, heißt es.
Alle vier Jahre wird in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt. Wir berichten mit Blick auf die Gesundheitspolitik und die Auswirkungen für die Apotheken.