Bis zu 45.000 Euro für Thüringer Landapotheken |
Melanie Höhn |
07.09.2023 16:30 Uhr |
In dem neuen Richtlinienentwurf des Thüringer Gesundheitsministeriums soll die Niederlassungsförderung rückwirkend zum 1. Januar 2023 in Kraft treten. / Foto: IMAGO/Rolf Poss
Das Apothekensterben macht auch vor Thüringen nicht Halt, vor allem der ländliche Bereich ist betroffen. Gab es Ende 2022 dort noch 507 öffentliche Apotheken, waren es mit Stand vom 14. August 2023 nur noch 500 – dabei handelt es sich um 272 Einzelapotheken (Ende 2022: 282), 93 Hauptapotheken (unverändert) und 135 Filialapotheken (Ende 2022: 132). Mindestens zwei weitere Apotheken werden im aktuellen Quartal noch schließen müssen. Gegründet wurde 2023 bisher keine Apotheke.
»Wir spüren in Thüringen gerade im strukturschwachen und ländlichen Raum ganz deutlich das Sterben unserer Apotheken. Es zeichnet sich ab, dass die pharmazeutische Versorgung in diesen Regionen immer schwieriger wird«, sagte Stefan Fink, Vorsitzender des Thüringer Apothekerverbands (THAV), auf Nachfrage der PZ. »Wir wollen auch auf Landesebene alle Möglichkeiten nutzen, um dieser Entwicklung etwas entgegen zu setzen.« Die Thüringer Standesorganisation habe deshalb gemeinsam mit Robert Martin Montag von der FDP ein Landesförderprogramm für die Gründung und Übernahme von Apotheken im ländlichen Raum ins Leben gerufen, das letztlich von fast allen Fraktionen des Thüringer Landtags unterstützt wurde, so Fink weiter.
In einem Richtlinienentwurf des Thüringer Gesundheitsministeriums, der sich noch in der Erarbeitung und im Stellungnahme- und Prüfverfahren befindet, soll die Niederlassungsförderung nun konkreter werden und rückwirkend zum 1. Januar 2023 in Kraft treten.
Der Richtlinienentwurf geht auf einen bereits im Dezember 2021 gefassten Beschluss des Thüringer Landtags zurück, der seinerzeit von der FDP eingebracht wurde und dessen Umsetzung sich zum Ärger der drei betroffenen Heilberufe inzwischen mehr als 1,5 Jahre hinzieht. Damals stellte der Landtag »stellenweise Ungleichverteilungen und drohende Versorgungsengpässe« fest, »trotz des gut ausgebauten Systems der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung mit einer vergleichsweise hohen Arztdichte und einer guten Zugänglichkeit« in Thüringen, wie es in dem Beschluss heißt. Außerdem wurde die Landesregierung aufgefordert, die Zuwendungshöhe der Niederlassungsförderung für Apothekerinnen und Apotheker, Ärztinnen sowie Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte auf bis zu 45.000 Euro für Investitionen und Barrierefreiheit festzusetzen.
Aus dem aktuellen Entwurf geht nach Aussage des THAV hervor, dass die Aufnahme des Apothekenbetriebes durch Neugründung oder Übernahme in den Gebieten, in denen die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln nicht hinreichend sichergestellt ist, förderfähig ist. Dies sei insbesondere dort der Fall, wo in einem Umkreis von 6 Fahrtkilometern um den infrage kommenden Standort keine weitere Apotheke betrieben wird; wo das Einwohnerverhältnis in der Thüringer Gemeinde bei nicht weniger als 3.500 pro Apotheke liegt und wo mindestens eine Allgemeinarztpraxis oder hausärztlich tätige Facharztpraxis auch als Zweig- oder Filialpraxis in dieser Thüringer Gemeinde vorhanden ist. Die Förderung einer öffentlichen Apotheke sei möglich, wenn in der Gemarkung einer Gemeinde des Freistaats Thüringen ein lokaler Versorgungsbedarf im Sinne dieser Richtlinie festgestellt wurde.
Die Höhe der Zuwendung beträgt für die Neugründung beziehungsweise Übernahme einer öffentlichen Apotheke in einer Thüringer Gemeinde durch eine Apothekerin oder einen Apotheker bis zu 40.000 Euro für Investitionen und bis zu 5.000 Euro für Maßnahmen zur Schaffung von Barrierefreiheit je Standort der öffentlichen Apotheke, erklärte der THAV.
Bei Gemeinden mit weniger als 3.500 Einwohnern werde die Einwohnerzahl des jeweils vorliegenden Gemeindeverbandes (Einheitsgemeinde, Landgemeinde oder Verwaltungsgemeinschaft) berücksichtigt. Weitere Voraussetzung für eine Förderung sei eine Antragstellung auf Erteilung der Betriebserlaubnis gemäß § 1 ApoG bei der zuständigen Behörde, dem Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz (TLV), und nach Erteilung der Betriebserlaubnis die Aufnahme des Apothekenbetriebs durch eine Apothekerin oder einen Apotheker im Rahmen einer Neugründung oder Übernahme einer Apotheke in einer Thüringer Gemeinde.
Außerdem dürfe die Apothekenübernahme nicht innerhalb derselben Gemeinde bzw. desselben Ortsteils von Gemeinden im Sinne der §§ 4, 6 der Thüringen Kommunalordnung des bisherigen Apothekenstandortes stattfinden, wenn es sich bei den Nachfolgern um Verwandte ersten Grades im Verhältnis zu den Vorgängern handelt.
Zuwendungsfähige Ausgaben seien unter anderem notwendige Ausgaben für Investitionen in Form von Sachausgaben im Rahmen der Renovierung oder des Umbaus der Apothekenbetriebsräume, der Anschaffung von Ausstattung der Apothekenbetriebsräume und der Anschaffung von Büro- und Geschäftsausstattung einschließlich apothekenspezifischer Hard- und Software zur Erfüllung von Vorgaben gemäß § 4 Absatz 1, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 7, 8 sowie § 5 der Verordnung über den Betrieb von Apotheken (Apothekenbetriebsordnung - ApBetrO). Von der Förderung ausgeschlossen ist die Anschaffung von Kraftfahrzeugen jeglicher Art mit privater Nutzung sowie die Übernahme sogenannter Goodwill-Kosten bei Apothekenübernahme (immaterieller Apothekenwert).
Für einen niederschwelligen Zugang der Bevölkerung zu Arzneimitteln sei ein stabiles und engmaschiges Apothekennetz in allen Thüringer Regionen erforderlich, heißt es laut THAV in dem Entwurf weiter. Als ländlicher Raum im Sinne dieser Richtlinie gelten bei der Niederlassung von Apothekerinnen und Apothekerinnen sowie Ärztinnen und Ärzten Gemeinden mit einer Einwohnerzahl von unter 25.000, bei Zahnärztinnen und Zahnärzten bis zu 45.000 Einwohnern.
»Auch wenn unserer Auffassung nach langfristig nur durch eine Steigerung der Studienplatzkapazitäten an der Universität Jena dem Apothekensterben entgegengetreten werden kann, ist die Förderung geeignet, einen wertvollen Beitrag zum Ausgleich räumlicher Missverhältnisse zu leisten«, bewertet Fink den Entwurf. Jetzt sei es wichtig, dass das Land den Beschluss aus 2021 endlich auch umsetzt und liefert. Fink: »Wir hoffen, noch ein paar Anpassungen am Entwurf vornehmen zu können und sind zuversichtlich, dass die Richtlinie in den nächsten Wochen in Kraft treten wird. Wir werden uns jedenfalls weiter mit Nachdruck dafür einsetzen«.