Biotin könnte Gehirn vor Mangan-Toxizität schützen |
Bei Parkinson sterben die Nervenzellen in der Substantia nigra. Kurz davor werden Gene aus dem Biotin-Stoffwechsel vermehrt exprimiert. / © Getty Images/Science Photo Library/Kateryna Kon
Ein neuer Artikel aus der Fachzeitschrift »Science Signaling« berichtet darüber, dass ein Mangan-induzierter Parkinsonismus zu einer Abnahme an bioverfügbarem Biotin führt. Dies beeinträchtigt die Funktion von Mitochondrien und Lysosomen und löst den Zelltod von Nervenzellen aus, belegen die Forschenden um Dr. Yunjia Lai von der Columbia University New York (DOI: 10.1126/scisignal.adn9868). Wurde im Drosophila-Modell Biotin angeboten, blieben die schädlichen Effekte von Mangan aus. Möglicherweise können diese Erkenntnisse bei der Prävention von Parkinson bei Menschen mit Hochrisiko-Konstellation helfen.
Laut der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) werden die wenigsten Parkinson-Fälle allein durch genetische Ursachen ausgelöst würden. Vielmehr spiele die Kombination von genetischen plus Umweltfaktoren/-toxinen und Lebensstil eine Rolle. Die DGN nennt unter anderem Lösungsmittel, Pestizide und neurotoxische Metalle wie Mangan, Blei und Cadmium.
Dabei seien Mangan-induzierte Neurotoxizität und idiopathischer Morbus Parkinson sehr wahrscheinlich zwei verschiedene Erkrankungen; dennoch gebe es Indizien dafür, dass Mangan zu Parkinson anderer Genese beitragen könne. Darüber berichteten 2023 Professor Dr. Roberto Lucchini und Professor Dr. Kim Tieu von der Florida International University in einem Review in der Fachzeitschrift »Biomolecules« (DOI: 10.3390/biom13081190). Mangan-induzierter Parkinson und die idiopathische Erkrankung würden sich einige Mechanismen teilen:
Diese Daten würden dafür sprechen, dass die Dauer und Dosis der Mangan-Exposition und die genetische Prädisposition sich gegenseitig verstärken. Mangan gelangt zunehmend durch industrielle Tätigkeiten in die Umwelt, zum Beispiel durch die Stahlherstellung, durch Schweißarbeiten oder über Batterien.
Die Forschenden um Lai untersuchten in ihrem Fruchtfliegenmodell den Stoffwechsel und fanden heraus, dass sich durch Mangan Genaktivitäten im Biotin-Stoffwechsel veränderten. Zudem waren Fliegen mit einem Defekt der Biotinidase besonders empfindlich für die Mangan-induzierte Neurotoxizität. Das Enzym Biotinidase ermöglicht das Recycling des Biotins und ist damit für die Biotin-Versorgung sehr wichtig. Drittens wurden Fliegen, die Biotin zusätzlich in der Nahrung bekamen, resistenter gegenüber Mangan.
Die Arbeitsgruppe überprüfte auch bei Menschen mit Morbus Parkinson die Expression von Genen aus dem Biotin-Stoffwechsel. Dabei wurden erhöhte Mengen des Biotin-Transporters in der Substantia nigra gemessen. Die Autoren interpretieren dies als kompensatorischen Mechanismus.
Biotin konnte im Fruchtfliegenmodell auch die Defizite durch Paraquat-, Rotenon- und α-Synuclein-induzierten Parkinson lindern: Die supplementierten Tiere konnten wieder klettern.
Es gibt noch einen weiteren Mosaikstein aus einem anderen Bereich, der ebenfalls auf die Bedeutung von Biotin bei Parkinson verweist: Zur Biotin-Versorgung des Menschen trägt auch die Darmflora bei. 2024 berichteten Dr. Hiroshi Nishiwaki und Kollegen in einer Metaanalyse in »npj Parkinson’s Disease« über Veränderungen im Metagenom der Darmflora von Betroffenen mit Parkinson-Erkrankung (DOI: 10.1038/s41531-024-00724-z). Sie stellten fest, dass Gene zur bakteriellen Biotin-Synthese in der Darmflora bei Parkinson-Patienten abnehmen. Damit wäre die Biotin-Versorgung über die Darmflora beeinträchtigt.
»Eine Supplementation von Biotin hat Potenzial als therapeutische Strategie, um eine durch Mangan ausgelöste Nervendegeneration zu mildern. Die Sicherheit und Verträglichkeit von Biotin beim Menschen machen es zu einem vielversprechenden Kandidaten für weitere Untersuchungen«, kommentiert Assistenzprofessor Dr. Sarkar Souvarish, Koautor im aktuellen »Science Signaling«-Artikel, in einer Meldung der University of Rochester in New York. Weitere Studien müssen aber noch prüfen, inwieweit Biotin therapeutisch eingesetzt werden kann.