Biomarker im Blut fast so gut wie Liquoranalyse |
Brigitte M. Gensthaler |
14.10.2024 14:00 Uhr |
Wenn sich Menschen um ihre geistige Gesundheit Sorgen machen, könnte das der richtige Zeitpunkt für ein erstes Screening auf Demenz sein. / © Getty Images/Westend61
Bisher stützt sich die Diagnose einer Alzheimer-Demenz überwiegend auf klinische Symptome, oft noch auf Bildgebung und im Einzelfall auf eine Biomarker-Bestimmung im Liquor (Zerebrospinalflüssigkeit). »Aber die klinischen Diagnosen sind ungenau und zu etwa 25 Prozent falsch«, berichtete Professor Dr. Robert Perneczky, Leiter des Alzheimer Therapie- und Forschungszentrums am LMU-Klinikum München, bei einem von Schwabe unterstützten Vortrag bei der Expopharm.
Aktuell gebe es einen Paradigmenwechsel hin zu präziseren biologischen Diagnosen, die sich auf Frühsymptome und Biomarker-Bestimmung stützen. Dabei werden im Liquor biologische Veränderungen von Amyloiden und Tau-Proteinen analysiert und mit Anzeichen der Neurodegeneration korreliert. Doch die Liquor-Gewinnung ist aufwendig und für den Patienten belastend.
»Die Biomarkerbestimmung im Blut ist inzwischen fast so gut wie diejenige im Liquor«, berichtete der Psychiater und Geriater. Im Fokus stünden Amyloid Aβ42 und das Aβ42/40-Verhältnis sowie die phosphorylierten Tau-Proteine pTau-181, -217 und -231. »Wir suchen nicht bei gesunden Senioren nach Alzheimer-Biomarkern, sondern wollen frühsymptomatische Personen untersuchen und einer optimalen Versorgung zuführen«, sagte Perneczky. Bei Menschen mit milden kognitiven Störungen habe der Marker pTau-217 im Blut herausragende Bedeutung. In einer Kohortenstudie konnte der Nachweis von pTau-217 im Blut einen Morbus Alzheimer genauso zuverlässig diagnostizieren wie die derzeitigen Liquormarker.
Bei der Entscheidung, ob monoklonale Antikörper, zum Beispiel Lecanemab, eingesetzt werden, könnten die meisten Liquor- durch Blutanalysen ersetzt werden, sagte der Arzt. Er sprach sich klar für deren Zulassung aus. »Es wäre katastrophal, wenn diese Wirkstoffe nicht zugelassen werden, denn die Evidenz ist vorhanden. Wenn das ein onkologisches Medikament wäre, wäre die Zulassung keine Frage.«
Keinesfalls würden die Antikörper die bisherigen Antidementiva verdrängen, ist Perneczky sicher. Dazu zählen laut S3-Leitlinie »Demenzen« Acetylcholinesterasehemmer, Memantin und Ginkgo-Spezialextrakt EGb761.
Perneczky beschrieb eine 2025 beginnende Studie unter Leitung der LMU in Kooperation mit »Demenzfreundlichen Apotheken« (DFA). In zwölf DFA im Großraum München werden Apothekenteams Menschen ansprechen, ihnen ein Online-Screening auf Risikofaktoren für Demenz und Depression anbieten und sie entsprechend beraten. Bei auffälligem Ergebnis erfolgt die weitere Abklärung dann in der primärärztlichen Versorgung oder beim Facharzt. In die dreijährige Studie sollen circa 1000 Personen aufgenommen werden.
»Das ist eine erste niedrigschwellige Maßnahme zur Frühdiagnostik, aber es ist keine Blutabnahme geplant«, erklärte der Arzt in der Diskussion. Ein ähnliches Projekt, aber mit Blutabnahme, sei in Seniorenheimen mit großem Erfolg gelaufen.
Auch in der Beratung zur Prävention sieht Perneczky großes Potenzial der Apotheken. »Die Evidenz zur Prävention ist heute schon gut.« Kürzlich hat die Lancet-Kommission die Liste der Risikofaktoren aktualisiert. Dabei sind viele modifizierbare vaskuläre Risiken, zum Beispiel Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und Diabetes, sowie Alkoholkonsum oder Depression. Würden alle Risikofaktoren eliminiert, könnten laut Lancet-Bericht etwa 45 Prozent der Demenzfälle verhindert werden.
Der Geriater mahnte, Bluthochdruck richtig einzustellen. »Wir sehen viele Patienten mit massiven vaskulären Schäden im Gehirn, deren Blutdruck nicht eingestellt wurde.« Auch hier können die Apotheker mit pharmazeutischen Dienstleistungen eingreifen.