Bilanz-Check in Overwienings Apotheke |
Alexander Müller |
13.08.2024 11:06 Uhr |
ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening hat den SPD-Gesundheitspolitiker Dirk Heidenblut zu Besuch. / Foto: PZ
In Overwienings Büro über die Zahlen ihrer beiden Apotheken gebeugt, staunt Heidenblut nicht schlecht, als er das Verhältnis von Umsatz und Ertrag sieht. Mit den geplanten Umstellungen im Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) würde ihr Betrieb defizitär, legt die ABDA-Präsidentin offen.
Heidenblut kann dem Gedanken der Umverteilung grundsätzlich zwar etwas abgewinnen, »denn wir sehen schon Unterschiede zwischen den Apotheken«. Ob es da nicht gerechter wäre, die Vergütung über das Massengeschäft – also das Fixum – zu verteilen? Heidenblut ist dennoch überzeugt, »dass man schlicht mit Umverteilungen das System nicht wird stabilisieren und retten können und dass wir mehr Geld im System brauchen«.
Die vorgesehene Absenkung des variablen Teils der Vergütung von 3 auf 2 Prozent betreffe mitnichten nur die großen Apotheken, so Overwiening. 85 Prozent aller Betriebe gäben Arzneimittel im Wert von 3000 Euro und mehr ab. »Jede Apotheke, die nur einmal im Monat einen Hochpreiser abgibt, hat dann ein Defizit.« Sie zeigt dem SPD-Politiker en Detail, wie oft Hochpreiser-Packungen bei ihr laufen, welchen Warenwert sie vorfinanzieren muss und welche Schneisen Skonto-Wegfall und Tariferhöhungen in ihre Bilanz schlagen werden.
Was denn die Alternative zur Umstellung sei, fragt Heidenblut und macht gleich selbst einen Vorschlag: »Ich war immer ein Fan von einer Grundpauschale.« Von einem solchen Sockelbetrag würden kleinere Apotheken stärker profitieren als große. Diese Idee hat die ABDA auch schon in den politischen Diskurs eingebracht, bislang vergeblich.
Overwiening könnte sich auch eine bessere Vergütung für die Betäubungsmittel-Abgabe und Rezepturherstellung vorstellen, weil diese Aufgaben in den Apotheken wirklich viel Aufwand bedeuteten. Mehr Kompetenzen bei der Abgabe würden den Personalaufwand bei Rücksprachen mit den Praxen reduzieren, die Einführung von KIM in der Telematik-Infrastruktur für die Apotheken eine enorme Zeitersparnis und Gespräche auf Augenhöhe bringen. Alle diese Vorschläge lägen dem Bundesgesundheitsministerium natürlich vor, betonte die ABDA-Präsidentin auf Heidenbluts Nachfrage. Sie will mit dem Gerücht aufräumen, die ABDA mauere nur in den Gesprächen.
Der SPD-Abgeordnete hat jedoch wenig Hoffnung, dass in den Verhandlungen zum ApoRG mehr Geld für die Apotheken herausspringt. Dafür sind die allgemeine Haushaltlage und Finanzsituation der Krankenkassen einfach zu angespannt. Versuchen will er es trotzdem, weil er als Sozialdemokrat von der Bedeutung einer wohnortnahen Versorgung überzeugt ist, von wohnortnahen Arbeitsplätzen in einem von Frauen dominierten Beruf übrigens ebenso.
Bessere Chancen sieht er bei der »Apotheke ohne Apotheker«. »Ich glaube schon, das ist rauszukriegen«, so Heidenblut. Er sei selbst kein Fan von der Idee, habe aber jetzt mal eine »freche Frage«: Wie oft es denn tatsächlich vorkomme, dass PTA um Rat fragten, will er von der Filialleiterin wissen. »Ständig. Und nicht planbar«, so die kurze Antwort von Anke Vöcking, seit Jahren Overwienings rechte Hand. Gerade bei Wechselwirkungen sei der Austausch zwischen den Berufsgruppen enorm wichtig. Overwiening ergänzt, dass diese Rücksprache nicht immer vor den Kunden stattfinden müsse, sondern oft auch im Backoffice der Apotheke.
In der Rezeptur lässt sich Heidenblut die Kapselherstellung zeigen – und staunt über den immensen Aufwand. / Foto: PZ
Vöcking berichtet dem SPD-Politiker von ihrem Notdienst am Wochenende: 95 Patientinnen und Patienten hat sie versorgt, einige in die Notfallambulanz geschickt und Kinder mit Keuchhusten trotz bestehender Engpässe mit Antibiotika versorgt.
In der Rezeptur lässt sich Heidenblut die Kapsel- und Salbenherstellung zeigen. Der Abgeordnete aus dem Wahlkreis Essen II fasst den Aufwand im schönsten Ruhrpottslang zusammen: »Boah, das is ja ein Wahnsinnsakt.« Genau aus dem Grund hat Overwiening die Rezeptur mit Glaswänden gleich am Eingang ihrer Apotheke platziert. Die Kundinnen und Kunden sollen sehen, was die Apotheke alles leistet. Davon konnte sich auch Heideblut überzeugen, der nach anderthalb Stunden Apothekenbesuch das Fazit zieht: »Für mich war eine Apotheke vor Ort mit einem umfassenden Service schon immer ein zentraler, wichtiger Punkt, den wir sichern, den wir erhalten müssen.«