Big Brother Award für Lauterbach |
Lukas Brockfeld |
14.10.2024 17:00 Uhr |
Thilo Weichert übte in seiner Laudatio scharfe Kritik an dem Gesundheitsminister. / © Inflac
Karl Lauterbach erhält den Big Brother Award 2024 in der Kategorie »Gesundheit«. Die aus Bürgerrechtlern und Datenschützern bestehende Jury des Negativpreises kritisiert damit den vom Minister mitverantworteten Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) und dessen nationale Umsetzung, das Gesundheitsdatennutzungsgesetz.
»Diese beiden Gesetze erlauben die Verarbeitung all unserer hochsensiblen Gesundheitsdaten, etwa von Hausarztbesuchen oder Krankenhausbehandlungen, nach einem weitgehend unbestimmten Verfahren und ohne die nötigen Schutzvorkehrungen.«, erklärte Lauterbachs Laudator Thilo Weichert, Vorstandsmitglied der Deutschen Vereinigung für Datenschutz, zur Begründung.
Weichert erzählte, dass er lange ein Fan von Lauterbach gewesen sei und auf dessen fachliche Kompetenz gehofft habe. »Doch beim Thema Datenschutz im Gesundheitsbereich knüpft Herr Lauterbach nicht nur voll bei seinem Vorgänger an – er verschlimmert dessen verfassungswidrige Pläne zur sogenannten Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten sogar«, heißt es in der Laudatio.
Die Digitalisierung des Gesundheitssystems und einzelne Bausteine des EHDS, wie beispielsweise die elektronische Patientenakte (EPA), seien grundsätzlich sinnvoll. Doch die Jury des Preises stört sich an der Nutzung der Gesundheitsdaten für sogenannte sekundäre Zwecke. Darunter fällt beispielsweise die Datennutzung für wissenschaftliche Forschung. »Das mag sich für manche nicht dramatisch anhören. Aber wir müssen uns bewusst machen, dass mit den neuen Gesetzen ein zentraler Grundsatz der Medizin über Bord geworfen wird: Die ärztliche Schweigepflicht«, führte Weichert aus.
Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz sieht nur eine pseudonymisierte Weitergabe der Patientendaten, beispielsweise aus der EPA, vor. Doch Weichert kritisiert in seiner Laudatio: »Pro Datensatz sind so viele sensitive Merkmale über die körperliche und seelische Gesundheit hinterlegt, dass mit ein wenig Zusatzwissen leicht herauszufinden ist, wer da mit welcher Therapie behandelt wurde – das können Daten über Erbanlagen, psychische Störungen oder über seltene Krankheiten sein.« Diese Reidentifizierung könne das Ende des Vertrauensverhältnisses von Arzt und Patient bedeuten.
Die Jury sieht beachtliche Risiken in der umfangreichen Speicherung der Gesundheisinformationen. So dürfe die Polizei auf die Daten zugreifen und könnte sie für Ermittlungen nutzen. Außerdem sei zu befürchten, dass die Daten durch einen Leak in falsche Hände geraten. »Wer kann künftig ausschließen, dass Versicherungsunternehmen oder Arbeitgeber aus solchen Daten ablesen, wer zum Beispiel wegen einer Depression behandelt wurde oder einen spezifischen Gendefekt hat?«, fragte Weichert in seiner Laudatio.