BGH sieht Verstoß gegen das SGB V |
Jennifer Evans |
12.02.2025 13:28 Uhr |
Der BGH hat angesichts der AvP-Insolvenz in einem Fall Zugeständnisse an die Klägerin gemacht. / © IMAGO/Schöning
Als das Rechenzentrum AvP im September 2020 Insolvenz anmeldete, hatten die betroffenen Apotheken kaum Aussicht darauf, ihr gesamtes Geld wiederzusehen. Die allermeisten von ihnen stimmten daher einem Vergleich zu und verzichteten im Zuge des Insolvenzverfahrens auf ihre Aussonderungsrechte.
Im Fall eines Hilfsmittellieferanten, bei dem es um 30.000 Euro ging, hat der Bundesgerichtshof (BGH) aber jetzt das Aussonderungsrecht doch zugestanden. Die Klägerin versorgt Hilfs- und Pflegebedürftige, Apotheken, Krankenhäuser, Pflegeheime und ambulante Pflegedienste mit medizinischen Produkten und Hilfsmitteln.
Demnach war schon die Abtretung an das Rechenzentrum nicht richtig, weil AvP die Gelder nicht zugunsten der Leistungserbringer aufbewahrte, sondern damit selbst eigene Forderungen und Verpflichtungen etwa gegenüber Banken ausglich. Und genau da liegt laut BGH der Knackpunkt: Rechenzentren dürfen die ihnen übermittelten Informationen nur für die im Sozialgesetzbuch (SGB V) festgelegten Zwecke verwenden. Andernfalls bedarf es einer ausdrücklichen Genehmigung.
Darin sieht der BGH nun einen Verstoß gegen das SGB V und hält die Abtretung von Vornherein für unwirksam. Die Schuldnerin gestatte dem Rechenzentrum eine Verarbeitung geschützter Sozialdaten, die mit § 302 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB V nicht im Einklang stehe, heißt es. Der Schutz solch sensibler höchstpersönlicher Daten ist demnach »verfassungsrechtlich geboten; jeder Missbrauch muss praktisch auszuschließen sein.«
Nach BGH-Auffassung gibt es also keine Grundlage im SGB V, dass Rechenzentren über die Abrechnung hinaus die ihnen abgetretenen Forderungen an Dritte weiter abtreten dürfen. »Eine Nutzung der den Rechenzentren zugänglich gemachten Daten als Kreditunterlage für ihre Refinanzierung ist von § 302 SGB V nicht gedeckt«, heißt es.
Rechtsgeschäfte, die gegen entsprechende Vorgaben im SGB V verstoßen, sind nichtig, urteilt der BGH. Die Klägerin ist demnach jedoch Inhaberin ihrer Vergütungsansprüche gegen die Krankenkassen geblieben, sodass ihr hinsichtlich dieser Ansprüche ein grundsätzlich ein Aussonderungsrecht zusteht.
Ob sie die Ansprüche geltend machen kann, ist aber noch unklar. Denn ob die Voraussetzungen für ein Ersatz-Aussonderungsrecht bestehen, muss die Klägerin erst darlegen und beweisen, wie es vom BGH heißt.
Offen ist ebenfalls noch, inwiefern der Fall auf die Apotheken übertragbar ist, zumal es verschiedene vertragliche Regelungen gab und hier ein sehr spezieller Fall betroffen ist.
Der Insolvenzverwalter Jan-Philipp Hoos hält den Ball erstmal flach. Der PZ berichtete er, dass der BGH derzeit »eine Vielzahl der für die behaupteten Aussonderungsrechte relevanten Sachverhalte« nicht abschließend entschieden habe. »Das Gericht hat lediglich über die Freigabe noch nicht durch die Kostenträger ausgezahlter Beträge entschieden«, betonte er. Die genaue Auswertung dieses sowie weiterer Urteile gelte es abzuwarten.
Ob das BGH-Urteil jedoch für die Apotheken am Ende wirklich vorteilhaft sei, lasse sich noch nicht sagen, so Hoos zur PZ. Denn eine Abrechnung der entschiedenen Fälle könnte erhebliche Kosten für die Insolvenzmasse verursachen. Mit anderen Worten: »Durch die entstehenden Kosten verringert sich die Insolvenzmasse und Quotenzahlungen an die Gläubiger verringern sich.«
Zudem sei nicht auszuschließen, dass sich ebenfalls die anstehende Vorabausschüttung reduziere, da für »die anstehenden Arbeiten« weitere Rückstellungen gebildet werden müssten.« In jedem Fall verzögere sich der Abschluss des Insolvenzverfahrens deutlich.