Betablocker verlängern rezidivfreies Überleben |
Theo Dingermann |
27.04.2023 09:00 Uhr |
Triple-negativer Brustkrebs tritt vor allem bei jungen Frauen auf. Er hat ein hohes Metastasierungs- und Rezidivrisiko sowie eine schlechte Prognose. / Foto: Adobe Stock/LStockStudio
Eine jetzt in »Science Translational Medicine« veröffentlichte Studie legt nahe, dass Betablocker, die üblicherweise zur Behandlung von Bluthochdruck eingesetzt werden, die Wirksamkeit einer Chemotherapie bei dreifach negativem Brustkrebs (TNBC) verbessern können. Das ist im Prinzip nichts Neues. So hatte ein Team um Dr. Rafael Caparica vom Institut Jules Bordet der Université Libre de Bruxelles vor gut einem Jahr in einer Übersichtsarbeit in »ESMA Open« die bekannten Daten zu dieser Therapiestrategie zusammengefasst. Die Mechanismen, die diesem Effekt zugrunde liegen, waren jedoch bisher unbekannt.
Das triple-negative Mammakarzinom hat ein hohes Metastasierungs- und Rezidivrisiko sowie eine schlechte Prognose, da es kaum spezifische molekulare Angriffspunkte bietet. Die meisten Patientinnen sind auf eine eher unspezifische Chemotherapie angewiesen, um das Tumorwachstum zu kontrollieren. In der aktuellen Studie zeigen nun Forschende um Aeson Chang vom Monash Institute of Pharmaceutical Sciences an der Monash University in Parkville, Australien, dass insbesondere bei TNBC-Patientinnen, die mit Anthrazyklinen behandelt werden, die zusätzliche Gabe von Betablockern das Risiko eines metastasierten Rückfalls senkt.
Dazu werteten die Forscher zunächst retrospektiv die Daten von Patientinnen einer Kohorte von 1135 Frauen aus, die an einem nicht-metastasierten TNBC erkrankt und mit Chemotherapie behandelt worden waren. 126 (11,1 Prozent) Frauen gaben an, zum Zeitpunkt der Krebsdiagnose Betablocker eingenommen zu haben. Diese Patientinnen waren älter als diejenigen, die keine Betablocker einnahmen (mittleres Alter: 63 versus 60 Jahre), hatten aber ähnliche Tumoreigenschaften und wurden vergleichbar behandelt. Eine multivariate Analyse, bei der Alter, klinisch-pathologische Parameter und Medikamenteneinnahme kontrolliert wurden, ergab eine signifikante Assoziation mit einem reduzierten Risiko für Metastasen in regionären Lymphknoten und entfernten Organen bei Patientinnen, die während der Chemotherapie einen Betablocker einnahmen, im Vergleich zu Patientinnen, die nur eine Chemotherapie ohne Betablocker erhielten [adjustierte Hazard Ratio (HR), 0,55]. Diese Ergebnisse konnten durch die Analyse einer zweiten Kohorte im Prinzip bestätigt werden.
Um zu untersuchen, ob diese Effekte auch bei einer Anthrazyklin-haltigen Chemotherapie auftreten, analysierten die Wissenschaftler eine Untergruppe von 565 Patienten aus der ersten Kohorte, die mit einer Anthrazyklin-haltigen Chemotherapie behandelt wurden (Betablocker-Nichtnutzer: n = 501 und Betablocker-Nutzer: n = 64). In Übereinstimmung mit der Analyse der gesamten Kohorte war die Einnahme von Betablockern bei Patienten, die mit einer Anthrazyklin-haltigen Chemotherapie behandelt wurden, mit einem reduzierten Risiko für Metastasen verbunden (adjustierte HR, 0,49).
Zwar hatte die Einnahme eines Betablockers keinen Einfluss auf den Primärtumor. Allerdings zeigte sich auch in dieser Subanalyse, dass die Einnahme von Betablockern mit einem verminderten Risiko für ein metastasiertes Rezidiv assoziiert war (HR, 0,19). Insgesamt stehen diese klinischen Assoziationen im Einklang mit der Hypothese, dass Betablocker den therapeutischen Effekt einer Anthrazyklin-Chemotherapie bei Patienten mit TNBC verstärken können, wobei die deutlichsten Effekte auf das metastatische Rezidiv und nicht auf die Größe des Primärtumors zu beobachten sind.
Mechanistische Studien der Gruppe zeigten, dass die Chemotherapie mit Anthrazyklinen einen unerwarteten neuroaktiven Effekt auf die Mikroumgebung des Tumors hat. Die Forscher fanden heraus, dass Anthrazykline die Signale des sympathischen Nervensystems verstärken, entweder durch eine Steigerung der Dichte sympathischer Nerven im Tumor oder durch eine Verbesserung der Reaktion der Tumorzellen auf das sympathische Nervensystem durch eine Hochregulierung der Expression von β2-Adrenorezeptoren.
Ein Eingriff in die Wirkung von Doxorubicin auf die Signalübertragung des sympathischen Nervensystems, entweder auf Ebene der sympathischen Nerven im Tumor durch das Neurotoxin 6-Hydroxy-Dopamin (6-OHDA) oder auf Ebene der Rezeptoren in den Tumorzellen durch genetische Deletion von β2-Adrenorezeptoren oder durch pharmakologische Betablockade, verbesserte die therapeutische Wirksamkeit der Doxorubicin-Behandlung im Hinblick auf die Metastasierung.
Insgesamt deutet die Studie darauf hin, dass der Einsatz von Betablockern eine vielversprechende adjuvante Therapie für TNBC-Patientinnen sein könnte, insbesondere wenn die Patientinnen eine Chemotherapie mit Anthrazyklinen erhalten. Generell könnte die Modulation des sympathischen Nervensystems eine mögliche therapeutische Strategie in der Krebsbehandlung sein.