Besseres Therapieansprechen mit MDMA |
Annette Rößler |
15.09.2023 15:00 Uhr |
Bei einer posttraumatischen Belastungsstörung durchleben traumatisierte Menschen schlimme Erlebnisse immer wieder aufs Neue. / Foto: Adobe Stock/zinkevych
Vom Saulus zum Paulus: Eine solche Wandlung macht in der Psychiatrie gerade die Pilzdroge Psilocybin durch. Vormals als Hippiedroge verschrien und für illegal erklärt, hat sich das Psychedelikum mittlerweile in mehreren Studien als wirksam bei Depression erwiesen und auch bei Alkoholsucht positive Ergebnisse erzielt. Ganz ähnlich scheint die Entwicklung nun bei 3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin (MDMA) zu verlaufen.
Das Amphetaminderivat MDMA wurde in den 1990er-Jahren als Partydroge Ecstasy bekannt. Die von den Konsumenten gewünschte Wirkung beruht vor allem auf der durch MDMA vermittelten vermehrten Ausschüttung und Wiederaufnahmehemmung der endogenen Monoamine Serotonin und Dopamin. Wer MDMA genommen hat, wird furchtloser und es fällt ihm leichter, auf andere zuzugehen und soziale Kontakte zu knüpfen. Diese Wirkungen plus ein modulierender Effekt auf das Angstgedächtnis machen MDMA laut einer Autorengruppe um Professor Dr. Jennifer M. Mitchell von der University of California in San Francisco zu einem vielversprechenden Kandidaten für ein Therapeutikum bei PTBS.
Die Neurologin hat mit ihrer Arbeitsgruppe die Wirkung von MDMA bei PTBS in zwei Phase-III-Studien überprüft. Beide erschienen im Fachjournal »Nature Medicine«, eine im Jahr 2021 und eine erst kürzlich. In beiden Studien erwies sich MDMA als wirksam, wenn es Patienten mit PTBS im Rahmen einer Psychotherapie gegeben wurde. Die Einbettung der Gabe in den therapeutischen Kontext scheint dabei – ähnlich wie bei Psilocybin – für die Wirkung entscheidend zu sein.
Der Ablauf der Intervention war in beiden Studien gleich: Patienten mit schwerer beziehungsweise moderater bis schwerer PTBS erhielten über zwei Monate beziehungsweise 18 Wochen eine Psychotherapie. Die Hälfte der Patienten wurde in diesem Zeitraum in drei Sitzungen mit MDMA behandelt, die andere Hälfte mit Placebo. Am Ende wurde der Schweregrad der PTBS-Symptome mithilfe von zwei validierten Scores erfasst und mit dem Ausgangswert verglichen.
Die Studienpopulation war in der aktuellen Untersuchung ethnisch diverser als in der ersten und bestand insgesamt aus 104 Personen. Am Ende der Intervention erfüllten 71 Prozent der Patienten in der MDMA-unterstützten Therapiegruppe die diagnostischen Kriterien für PTBS nicht mehr gegenüber 48 Prozent der Patienten in der Placebogruppe. Dabei war die Therapie mit MDMA allgemein gut verträglich.
Professor Dr. Gerhard Gründer vom Zentralinstitut für seelische Gesundheit Mannheim rechnet damit, dass MDMA auf Grundlage dieser Ergebnisse 2024 eine Zulassung erhalten wird – allerdings vorerst nur in den USA. In Europa habe die Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies (MAPS) ihr Studienprogramm wegen fehlender Finanzierung leider zunächst gestoppt. »Bis zur Verfügbarkeit dieser Therapieform in Europa wird es daher wohl noch Jahre dauern«, sagte Gründer.
In der Schweiz werde MDMA dagegen bereits seit acht Jahren auch außerhalb medizinischer Studien eingesetzt, berichtete Professor Dr. Matthias Liechti vom Universitätsspital Basel. Allerdings bedürfe es dafür einer Ausnahmegenehmigung und die Behandlung sei auf Patienten beschränkt, die nicht ausreichend auf andere Therapien ansprechen. Australien hatte zuletzt in einem durchaus auch umstrittenen Schritt sowohl Psilocybin als auch MDMA als Therapeutika für bestimmte Indikationen genehmigt (MDMA bei PTBS). »Allerdings wird auch dort die Anwendung stark reguliert und bisher wurden noch keine Patienten behandelt«, sagte Liechti.
Die aktuelle Publikation ordnet der Pharmakologe wie folgt ein: »Die Daten zeigen eine Wirksamkeit, welche im indirekten Vergleich mit anderen bisher verfügbaren Behandlungen – Antidepressiva und Expositionstherapie – aufgrund der Effektgröße klar besser erscheint.« Wie bei vielen neuen Behandlungsformen sei allerdings noch offen, ob sich die Wirksamkeit auch in einer breiteren Anwendung bei vielen Patienten bestätigen lässt.
Ebenfalls noch offen ist die Frage nach der Dauer der Wirkung. In den beiden Studien war die Beobachtungszeit mit zwei Monaten beziehungsweise 18 Wochen relativ kurz. Hierzu merkt allerdings Professor Dr. Gregor Hasler von der Universität Freiburg in der Schweiz an: »Da PTBS allgemein keine wiederkehrende Krankheit ist, sind zwei Monate recht gut. Dies ist länger als bei einer typischen Antidepressiva-Studie.«
Auch mit Blick auf ein mögliches Suchtpotenzial von MDMA zeigt sich Hasler optimistisch. Im Gegensatz zu Psilocybin sei eine Abhängigkeit von MDMA zwar »pharmakologisch möglich«; bei Patienten ohne Drogenerfahrung sei die Gefahr aber »äußerst gering«. Der Psychiater weist darauf hin, dass MDMA auf dem Schwarzmarkt »ziemlich schwierig« zu erhalten sei, denn was heutzutage unter dem Namen Ecstasy laufe, seien eher Amphetamine mit wenig MDMA. Diese wirkten aufputschend, was bei MDMA eher nicht der Fall sei.