Bempedoinsäure schützt vor kardiovaskulären Ereignissen |
Theo Dingermann |
07.03.2023 09:00 Uhr |
Bempedoinsäure kann den LDL-Spiegel wirksam senken. Dass dies auch klinisch relevant ist, hat nun eine aktuelle Studie gezeigt. / Foto: Adobe Stock/angellodeco
Der Lipidsenker Bempedoinsäure (Nilemdo®) ist zur Behandlung erwachsener Patienten mit primärer Hypercholesterolämie oder gemischter Dyslipidämie zugelassen und wurde im Jahr 2021 mit dem PZ-Innovationspreis ausgezeichnet. Zur Erinnerung: Bempedoinsäure unterscheidet sich von Statinen in zweierlei Hinsicht. Zum einen inhibiert sie die Cholesterol-Biosynthese oberhalb der HMG-CoA-Reduktase, dem Target aller Statine. Zum anderen kann das Prodrug Bempedoinsäure nur in der Leber und nicht in den Muskeln in den aktiven Metaboliten Bempedoyl-CoA umgewandelt werden. Dies ist die Basis für die Hypothese, dass die für manche Patienten nicht tolerierten Statin-assoziierte Muskelsymptome nicht auftreten sollten. Diese Statin-Intoleranz ist allerdings umstritten. So scheint diese Unverträglichkeit zwar selten, jedoch real zu sein. Eine aktuelle Metaanalyse beziffert die Gesamtrate auf etwa 9 Prozent. Ein höheres Alter, Fettleibigkeit, Diabetes, chronische Lebererkrankungen und chronische Nierenerkrankungen scheinen das Risiko für eine Statinintoleranz zu erhöhen.
Die Zulassung von Nilemdo basiert auf vier randomisierten Phase-III-Studien des CLEAR-Studienprogramms an dem insgesamt 3623 Patienten mit Hypercholesterolämie teilnahmen. Der primäre Endpunkt in allen Studien war die mittlere prozentuale Reduzierung des LDL-Cholesterolwertes in Woche 12 gegenüber dem Studienbeginn im Vergleich zu Placebo. Jetzt ist im »New England Journal of Medicine (NEJM)« die Auswertung eines weiteren Arms des CLEAR-Studienprogramms erschienen.
An der doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten Studie nahmen Patienten an 1250 Standorten in 32 Ländern im Alter von 18 bis 85 Jahren teil. Als Einschlusskriterium galt neben einer Statin-Intoleranz ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko entweder aufgrund eines früheren kardiovaskulären Ereignisses (Sekundärprävention) oder klinische Merkmale, die das Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis stark erhöhen (Primärprävention). Andere lipidsenkende Therapien, darunter die Einnahme von Ezetimib, Niacin, Gallensäureharzen, Fibraten oder Proproteinkonvertase-Subtilisin-Kexin-Typ-9-(PCSK9)Inhibitoren in Form einer Mono- oder Kombinationstherapie, waren erlaubt. Insgesamt wurden 13.970 Patienten randomisiert; 6992 wurden mit 180 mg Bempedoinsäure behandelt, 6978 Patienten erhielten Placebo. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 40,6 Monate.
Der mittlere LDL-Cholesterolspiegel zu Studienbeginn betrug in beiden Gruppen 139,0 mg pro Deziliter. Bereits nach sechs Monaten zeigte sich, dass der LDL-Cholesterolspiegel durch die Behandlung mit Bempedoinsäure im Vergleich zur Placebogruppe um 29,2 mg pro Deziliter (21,1 Prozentpunkte) gesenkt werden konnte.
Die Inzidenz eines primären Endpunktereignisses (entweder Tod durch kardiovaskuläre Ursachen oder nicht tödlicher Myokardinfarkt oder nicht tödlicher Schlaganfall oder koronare Revaskularisation) war unter Bempedoinsäure signifikant geringer als unter Placebo. Eines der primären Endpunktereignisse trat in der Verumgruppe bei 819 Patienten (11,7 Prozent) und in der Placebogruppe bei 927 (13,3 Prozent) auf. Daraus errechnet sich eine Hazard-Ratio von 0,87.
Zu den wichtigsten sekundären Endpunkten gehörten (i) eine aus drei Komponenten bestehende Kombination aus Tod durch kardiovaskuläre Ursachen, nicht tödlichen Schlaganfall oder nicht tödlichen Myokardinfarkt, (ii) tödlicher oder nicht tödlicher Myokardinfarkt, (iii) koronare Revaskularisierung (iv) tödlicher oder nicht tödlicher Schlaganfall, (v) Tod durch kardiovaskuläre Ursachen und (vi) Tod jedweder Ursache.
Bezüglich des ersten sekundären Endpunkts wurden 575 (8,2 Prozent) Ereignisse in der Verumgruppe und 663 (9,5 Prozent) in der Placebogruppe registriert (Hazard-Ratio von 0,85). Ein tödlicher oder nicht tödlicher Myokardinfarkt trat bei 261 (3,7 Prozent) der Probanden in der Verumgruppe auf verglichen mit 334 (4,8 Prozent) Probanden in der Placebogruppe (Hazard-Ratio 0,77). Koronare Revaskularisationen wurden bei 435 (6,2 Prozent) Patienten der Verumgruppe und bei 529 (7,6 Prozent) der Placebogruppe registriert (Hazard-Ratio 0,81).
Bempedoinsäure hatte hingegen keine signifikanten Auswirkungen auf die sekundären Endpunkte iv bis vi (tödlicher oder nicht tödlicher Schlaganfall, Tod durch kardiovaskuläre Ursachen oder Tod jeglicher Ursache).
Die Inzidenz von Gicht und Cholelithiasis war unter Bempedoinsäure höher als unter Placebo, ebenso wie die Inzidenz geringer Anstiege von Serumkreatinin, Harnsäure und Leberenzymen.
Professor Dr. John H. Alexander, Kardiologe an der Duke University School of Medicine in Durham, schreibt in einem begleitenden Editorial, dass die CLEAR-Outcomes-Studie eine wichtige Lücke in der Beurteilung der Wirksamkeit von Bempedoinsäure zu schließen beginne. Denn heute reiche es nicht mehr, Wirksamkeit einer Intervention ausschließlich über Biomarkerwerte (in diesem Fall LDL-Cholesterolkonzentrationen) zu demonstrieren. Alexander weist auch darauf hin, dass interessanterweise bei den 30 Prozent der Patienten in der Primärpräventionskohorte eine zahlenmäßig größere Wirkung von Bempedoinsäure auf den primären Endpunkt beobachtet wurde als bei den 70 Prozent der Patienten in der Sekundärpräventionskohorte.
Alexander zufolge sind die Ergebnisse der Studie so überzeugend, dass sie einen höheren Einsatz von Bempedoinsäure bei Hochrisikopatienten, die keine Statine einnehmen können oder wollen, rechtfertigen. Allerdings geht Alexander in seiner Beurteilung nicht so weit, dass sich mit dieser Studie bereits eine generelle Alternative der Bempedoinsäure zu Statinen andeutet. Zu überzeugend sei der enorme Datenpool zum vaskulären Nutzen von Statinen, so der Kardiologe.
Zudem konnte für Bempedoinsäure keine Wirkung auf die Sterblichkeit gezeigt werden. Dazu merken die Prüfärzte an, dass dieser Befund auf eine wirksame Begleittherapie, auf zu kurze Behandlungs- und Beobachtungszeiträume oder tatsächlich auf Fehlen einer Wirkung von Bempedoinsäure auf die Sterblichkeit zurückzuführen sein könnte. Tatsächlich konnte in vielen Einzelstudien mit Statinen auch kein Einfluss auf die Sterblichkeit gezeigt werden. Dieser zeigte sich erst durch die Metaanalysen.
In einem zweiten Editorial weist Professor John F. Keaney von der Abteilung für Herz-Kreislauf-Medizin und dem Herz- und Gefäßzentrum, dem Brigham and Women's Hospital und der Harvard Medical School in Bosten darauf hin, dass verfügbare Daten eindeutig andeuten, dass Bempedoinsäure als Zusatz zu Statin- und Nicht-Statin-Therapien eingesetzt werden könne, um eine zusätzliche Senkung des LDL-Cholesterolspiegels um 16 bis 26 Prozent zu bewirken. Allerdings sei noch nicht klar, inwieweit die zusätzliche Gabe von Bempedoinsäure das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse weiter senkt, so Keaney. Dieses Problem könne nur mit spezifischen Studien angegangen werden, die darauf ausgerichtet sind, die Wirkung von Bempedoinsäure auf klinische Ereignisse nachzuweisen.