Beim Umgang mit Transpersonen ist Sensibilität gefragt |
Transpersonen kann eine Geschlechtsangleichung helfen. Sinnvoll ist nachzufragen, wie jemand angesprochen werden möchte. / Foto: Getty Images/Johnny Greig
»Das Thema Transsexualität ist in aller Munde«, sagte Christian Heyde, Chefapotheker der Ruppiner Kliniken, zur Begrüßung. Doch beim Umgang mit Betroffenen fühlten sich viele unsicher. Um Hintergrundwissen zu vermitteln und Berührungsängste abzubauen, informierten die Apothekerkammer Berlin und die Ärztekammer Berlin ihre Mitglieder vergangene Woche in einem Online-Seminar über das Thema »Transpersonen – medizinische und pharmazeutische Aspekte der Therapie und Begleitung«. Tipps zur Begleitung, Beratung und Kommunikation in der Offizin gab der Berliner Apotheker Tomer Einav. Aus ärztlicher Sicht referierte Professor Christoph Dorn, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, der viel Erfahrung mit der Behandlung von transsexuellen Menschen hat.
Dorn stammt aus dem Rheinland, betreut aber seit Jahren Patientinnen und Patienten in einem Facharzt-Zentrum in Hamburg. Dort bietet er eine spezielle Sprechstunde für Transpersonen an, die bis zum Jahresende ausgebucht ist. In seinem Vortrag informierte er unter anderem über rechtliche Rahmenbedingungen sowie den Ablauf körpermodifizierender Behandlungen.
»Das Thema ist mittlerweile wissenschaftlich angesagt. Es ist etwas, worüber die Gesellschaft spricht«, umriss der Arzt die aktuelle Situation. In Deutschland sei weniger als ein Prozent der Bevölkerung transsexuell. Daten aus Großbritannien zeigten jedoch, dass die Zahl der Transpersonen in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Doch woran liegt das? »Transpersonen gab es schon immer. Sie haben sich früher nur nicht zu ihrer Geschlechtsinkongruenz bekannt«, nannte Dorn eine mögliche Erklärung.
Derzeit gebe es mehr Transmänner als Transfrauen. Das liege daran, dass die Transition von der Frau zum Mann mit einem Verhältnis von 1:30.000 derzeit häufiger vorgenommen werde als die Angleichung vom Mann zur Frau. Hier liege die Häufigkeit bei 1:10.000. Doch die Angleichungen vom Mann zur Frau nähmen zu, informierte Dorn.
Der Leidensdruck der Patientinnen und Patienten sei enorm. »Mit einer Therapie kann man ihnen helfen«, berichtet der Mediziner aus Erfahrung. In seinem Vortrag gab er einen Überblick über den Ablauf körpermodifizierender Behandlungen. Man spreche bei Transsexualität nicht von einer »Geschlechtsumwandlung«, sondern von »geschlechtsangleichenden Maßnahmen«. Sofern die Diagnose seit mindestens zwei Jahre besteht, trägt die Gesetzliche Krankenversicherung die Kosten der Behandlung. Voraussetzung dafür sei in jedem Fall ein psychiatrisches Gutachten. Erst wenn die transsexuelle Identität mindestens zwei Jahre bestehe, sei eine angleichende Hormonbehandlung möglich, sowie bei Bedarf eine operative Behandlung. Wissenschaftlich sei man in Deutschland gut aufgestellt, aber es fehle noch eine »vernünftige Leitlinie«, kritisierte der Spezialist.
Entscheidend seien eine gute Anamnese, Diagnostik und Aufklärung, führte er aus. So kläre er die Patienten unter anderem über die Auswirkungen der Behandlung auf ihre Fruchtbarkeit auf und frage nach, ob ein Kinderwunsch bestehe. Die Geschlechtsangleichung von der Frau zum Mann, bei der Testosteron gegeben wird, dauere bis zu drei Jahre. Für die Patienten sei das eine lange Zeit, viele seien ungeduldig, berichtete Dorn. Vorsorgeuntersuchungen sollten die Patienten während der Therapie weiterhin wahrnehmen. Bei der Angleichung vom Mann zur Frau riet Dorn von der Gabe von Etinylestradiol ab.
Die Therapie sei komplex, verlaufe aber meist erfolgreich: »Bei 99 Prozent der Patientinnen und Patienten funktioniert die Geschlechtsangleichung hervorragend.« Nur sehr wenige Patienten – weniger als ein Prozent – bereuten den Entschluss, sich behandeln zu lassen, betonte Dorn.
Er informierte auch über die Rechtslage. So verabschiedete der Bundestag am 12. April dieses Jahres das »Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag« (SBGG). Es löst das bisherige Transsexuellengesetz ab und tritt am 1. November in Kraft. Damit haben trans-, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen künftig die Möglichkeit, ab dem Alter von 17 Jahren ihren Geschlechtseintrag und Vornamen durch eine einfache Erklärung beim Standesamt ändern zu lassen.
Tipps für die pharmazeutische Begleitung von Transfrauen und -männern sowie eine wertschätzende Kommunikation gab anschließend Tomer Einav. In Deutschland gebe es zwischen 300.000 und 500.000 Menschen, die sich als »trans« bezeichnen, informierte der Berliner Apotheker. Bei der Arbeit in der Offizin habe er einige kennengelernt und dabei festgestellt, dass sie einen besonderen Beratungsbedarf haben. Generell sei zwischen der Identität – also Frau, Mann oder Genderqueer – dem biologischen Geschlecht sowie der sexuellen Orientierung zu unterscheiden, erläuterte er.
Viele Transmenschen seien gesundheitlich beeinträchtigt, sie litten beispielsweise oft unter psychischen Problemen. Das liege an der langwierigen Hormonangleichung, die belastend sei, aber auch daran, dass Transpersonen häufig Diskriminierung erfahren. Bei der Beratung in der Apotheke sei daher Fingerspitzengefühl gefragt.
Zur Kommunikation und Beratung gab der Apotheker einige Tipps. »Man sollte Transpersonen als Individuum begreifen und nicht vorschnell reagieren«, empfahl Einav. Wichtig sei, mit Transmännern und -frauen sensibel umzugehen. »Fragen Sie zum Beispiel, wie jemand angesprochen werden möchte«, riet der Apotheker. So ließen sich Missverständnisse vermeiden. Auf die Wendung »echte Frau« oder »echter Mann« sollten Apotheker und Ärzte verzichten. Eine urteilsfreie Haltung, Geduld und Diskretion seien ebenfalls hilfreich. Sinnvoll sei zudem, eine passende Umgebung zu schaffen. So könne es hilfreich sein, Infomaterialien mit Adressen von Beratungsstellen auszulegen. »Transmenschen erwarten keine perfekte Apotheke. Wichtig ist, Verständnis für ihre Belange zu zeigen«, riet Einav.
Der Experte informierte auch über Wirkungen und Nebenwirkungen der geschlechtsangleichenden Hormontherapie. Apothekerinnen und Apotheker seien gefragt, wenn es darum gehe, die richtige Anwendung der Medikamente zu erklären sowie unerwünschte Arzneimittelwirkungen zu vermeiden. Eine häufige Nebenwirkung stelle Haarausfall dar; davon seien einer Studie zufolge 65 Prozent der Transfrauen und 43 Prozent der Transmänner betroffen. Auch Akne trete oft auf. Mit den passenden Produkten aus der Apotheke lasse sich beides lindern, so Einav. Begleitet werde eine Angleichung vom Mann zur Frau zudem durch eine feminisierende Behandlung. Dabei könnten OTC-Produkte helfen, etwa Mittel zur Haarentfernung.
Aller Schwierigkeiten zum Trotz lohne sich die Behandlung. »Die Wirksamkeit der Therapie ist sehr hoch«, hat Einav beobachtet. Trotz aller Belastungen seien 80 Prozent der Patientinnen und Patienten nach der Behandlung zufriedener mit ihrer Identität als vorher, zog er ein positives Fazit.