| Brigitte M. Gensthaler |
| 24.01.2025 16:20 Uhr |
Kind krank? Bei gutem Allgemeinbefinden des Kindes können Eltern meist zuwarten und müssen nicht zum Arzt gehen. / © Getty Images/RyanJLane
Egal ob grippaler Infekt, Influenza oder Pneumonie: »Die meisten Diagnosen lassen sich nicht durch Symptome, Abhören oder Blutwerte stellen, sondern ein Mischbild aus vielen Aspekten führt zur Diagnose. Und über allem steht die Frage, wie es dem Kind im Alltag geht.« Dies betonte der Kinder- und Jugendmediziner Dr. Ralf Brügel, Kinderarztpraxis Schorndorf, kürzlich bei einem Webseminar der LAK Baden-Württemberg.
Neben dem Aussehen des Kindes und seinem Trinkverhalten seien Agilität und Vitalität die wichtigsten Kriterien. Das Kind dürfe müde, aber nicht apathisch sein. »Was zeigt das Kind an Lebensgeistern? Wenn es während der Beratung der Mutter die Regale in der Apotheke ausräumt, muss es nicht zum Arzt.«
Er habe das Gefühl, dass Eltern in der Apotheke immer häufiger geraten werde, mit dem kranken Kind zum Arzt zu gehen. Aber die Pädiater könnten oft auch nichts tun. Brügel riet zu mehr Gelassenheit. »Es ist ganz wichtig, in der Beratung Geduld zu vermitteln.« Acht bis zwölf Atemwegsinfekte pro Jahr seien im Kleinkindalter normal. Gefühlt sei das Kind das halbe Jahr lang krank, ohne dass dies besorgniserregend sei.
Besondere Sorgfalt sei allerdings in den ersten sechs bis zwölf Lebensmonaten nötig, da die Säuglinge weniger Ressourcen haben und das Befinden schneller »kippen« kann. Hier sollte das Apothekenteam Eltern und Kind schneller zum Pädiater schicken.
Beispiel Husten: »Husten ist keine Krankheit, sondern eine stoßartige Expirationsbewegung infolge einer Reizung der oberen Atemwege.« Das Symptombild sei sehr vielfältig, aber entscheidend sei, wie es dem Kind geht. »Ein Kind, das nur hustet und sonst nicht krank ist, darf vier bis sechs Wochen lang husten, bevor wir Kinderärzte nervös werden.« Bei längerer Dauer müsse man das Symptom immer abklären lassen.
Dies gilt auch bei Bronchitis, einer Entzündung der Bronchien mit oder ohne Verengung der Atemwege, die meist mit trockenem Husten einhergeht. Eine obstruktive Bronchitis beim Säugling könne harmlos sein, wenn das Kind ein sogenannter »Happy Wheezer« ist. »Säuglinge mit pfeifender giemender Atmung, aber guter Vitalität und gutem Trinkverhalten brauchen kein Medikament und keinen Arzt.«
Der Keuchhusten, eine akute Infektion durch Bordetella pertussis, sei für Säuglinge im ersten Lebensjahr wirklich bedrohlich, da die Letalität hoch ist. Für Kinder ab zwölf Monaten sei Keuchhusten lästig, aber harmlos. Antibiotika seien nur sinnvoll bei sehr früher Diagnose und zur Reduktion der Infektiosität. »Die wichtigste Maßnahme ist der Impfschutz schon in der Schwangerschaft.«
Brügel nannte zwei »große Domänen des Nichtstuns«: Zum einen Husten, Schnupfen und Sekret (egal welcher Farbe) bei gutem Allgemeinzustand und Dauer unter vier bis sechs Wochen und zum anderen die »Happy Wheezer«-Säuglinge.
Harsch ging der Kinderarzt mit Hustenmitteln ins Gericht. Sie seien »punktuell o.k., aber eigentlich nicht von großem Nutzen«. Es gebe keine guten Studien, die zeigen, dass Hustenmittel einen Husten deutlich abkürzen könnten. Allerdings könnten Hustenstiller nützlich sein, damit das Kind – und damit die Eltern – endlich einmal durchschlafen können.
Honig sei für Kinder ab einem Jahr erlaubt und bei Atemwegsinfekten oft hilfreich. Sehr restriktiv seien Antibiotika wegen zunehmender Resistenzbildung einzusetzen. Und Probiotika bei oder nach antibiotischer Therapie? »Kann man, muss man aber nicht geben.«
Paracetamol und Ibuprofen seien Arzneimittel der Wahl. Doch auch hier gelte die Frage: Wie geht es dem Kind? Je nach seinem Allgemeinzustand könne man antipyretisch behandeln oder zuwarten; die Fiebersenkung könne beim Schlafen helfen. Allerdings sollte man Fieber nicht zu schnell und energisch senken, mahnte der Kinderarzt, denn Fieberkrämpfe könnten nicht nur bei raschem Temperaturanstieg, sondern auch bei raschem Abfall auftreten.