Barrierefreiheit: Pflichten für Apotheken |
Paulina Kamm |
11.06.2025 15:30 Uhr |
Das Gesetz bezweckt, Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen zu gewährleisten. / © Shutterstock/Chansom Pantip
Mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes werden die Vorgaben der europäischen Barrierefreiheitsrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/882) auf der nationalen Rechtsebene umgesetzt. Grundsätzlich fallen verschiedene Produkte und Dienstleistungen in den Geltungsbereich des BFSG. »Soweit es Dienstleistungen angeht, sind Apotheken vom Anwendungsbereich des BFSG betroffen, wenn sie Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr (§ 1 Abs. 3 Nummer 5 BFSG) anbieten«, so die ABDA.
Sämtliche Verträge, die durch Telekommunikationsmittel abgeschlossen werden, fallen ab 28. Juni 2025 unter das BFSG. Das betrifft laut ABDA alle Dienstleistungen, die via Webseiten oder Apps zum Kauf angeboten werden. Dabei sei zu beachten, dass es nicht zum tatsächlichen Kauf kommen muss. Das vorhandene Kaufangebot oder ein Terminservice für konkrete Dienstleistungen, etwa Impfungen, seien ausreichend, um in den Anwendungsbereich des BFSG zu fallen. Rein informative Internetangebote sind laut ABDA nicht betroffen. Auch für Online-Angebote, auf deren Basis die Apotheke Arzneimittel per Boten an die Kundschaft der Apotheke zustellt, greife das BFSG.
Sind Produkte und Dienstleistungen nicht im BFSG gelistet, gelten laut Leitlinien des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) auch die Anforderungen nicht. Hinsichtlich der Demographie Deutschlands und des Wettbewerbsvorteils werde dennoch empfohlen, Produkte und Dienstleistungen freiwillig barrierefrei anzubieten. »Unternehmen, die barrierefreie Dienstleistungen anbieten, erschließen sich nicht nur größere Absatzmärkte und Wettbewerbsvorteile. Sie sind auch gut für die Zukunft aufgestellt«, heißt es in den Leitlinien für die Anwendung des Gesetzes. Die Möglichkeit, den Geltungsbereich des BFSG in der Zukunft auf weitere Produkte und Dienstleistungen auszuweiten, sei laut BMAS nicht ausgeschlossen.
Der Online-Versandhandel mit Arzneimitteln fällt laut ABDA ebenso unter das BFSG. Kleine Buttons, schlechte Kontraste oder auch komplizierte Navigation können den Umgang mit digitalen Services für Menschen mit Behinderungen erschweren.
»Der Pflichtenkatalog ist zum Teil schwammig«, kritisiert die ABDA. Die damit einhergehende Rechtsunsicherheit erschwere die Umsetzung der Verordnung. Die Rechtsunsicherheit betreffe auch diejenigen, die Verletzungen von Pflichten nach dem BFSG und der entsprechenden Verordnung gegenüber Apotheken geltend machen. »Es steht zudem nicht zu befürchten, dass Apotheken im Fokus entsprechender Ansprüche stehen, da die Regelungen für den gesamten Online-Handel gelten«, so die ABDA.
»Eine länderübergreifende Marktüberwachungsbehörde mit Sitz in Sachsen-Anhalt wird die Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen überwachen«, so die Bundesfachstelle Barrierefreiheit. »Dies kann sie entweder im Rahmen von Stichproben tun oder wenn sie – beispielsweise durch Beschwerden von Bürger*innen – Kenntnis davon erhält, dass zum Beispiel eine Apotheke die gesetzlichen Anforderungen nicht einhält.«
Die Marktüberwachungsbehörde könne laut Bundesfachstelle Barrierefreiheit Bußgelder verhängen, um etwaige Pflichtenverstöße zu ahnden. Bei Verstößen gegen die jeweiligen Hauptpflichten der Wirtschaftsakteure könne laut Leitlinien für die Anwendung des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes ein Bußgeld von bis zu 100.000 Euro geahndet werden.
Das Bundesarbeitsministerium hat in den »Leitlinien für die Anwendung des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes« alles rund um die Verordnung zusammengefasst. Anhand verschiedener Praxisbeispiele wird hier die digitale Transformation erklärt. Auch häufig auftretende Fragen und ob man als Unternehmen überhaupt in den Anwendungsbereich fällt, werden hier erläutert.
Um sich als Apotheke auf möglichst hohe Rechtssicherheit verlassen zu können, empfiehlt die ABDA die Kontaktaufnahme mit den Dienstleistern, die die Pflege der Internetangebote der Apotheken betreiben. Gemeinsam könne der Anpassungsbedarf auf der Basis der neuen Regelungen ermittelt und zu Ende Juni umgesetzt werden.
Die Sozial*heldinnen mit Sitz in Berlin beraten rund um die Themen Inklusion und Barrierefreiheit. Auf deren Homepage bieten sie die Möglichkeit einer unverbindlichen Anfrage.
Dienstleister Gesund.de hat die Vorgaben bereits umgesetzt. »Die barrierefreie Gestaltung der App erleichtert nicht nur Patienten den Zugang, sondern stärkt auch die digitale Sichtbarkeit und Erreichbarkeit der lokalen Gesundheitsexperten – ein wichtiges Signal in Zeiten zunehmender Digitalisierung im Gesundheitswesen.« Digitale Barrierefreiheit umfasst viele Aspekte: Menschen mit Sehbehinderung verwenden beispielsweise Screenreader, um Informationen vorlesen zu lassen.
Die Bundesfachstelle für Barrierefreiheit unterstützt Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Angestellten und/oder einem Jahresumsatz unter 2 Millionen Euro, um diesen die Anwendung des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes zu erleichtern. Auch diejenigen, die barrierefreie Dienstleistungen anbieten möchten, ohne in den Anwendungsbereich des Gesetzes zu fallen, können sich dort beraten lassen. Die Bundesfachstelle bietet auf ihrer Homepage zusätzlich Webinare zur Thematik.