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Früherkennung

Bald kommt das Screening auf Lungenkrebs

Schon lange ist es in der Diskussion, jetzt soll es auch wirklich kommen: das Lungenkrebsscreening. Die Früherkennungsuntersuchung soll risikobasiert erfolgen und helfen, die Sterblichkeit bei dieser tödlichen Krebsform zu senken.
AutorKontaktChristina Hohmann-Jeddi
Datum 04.04.2024  18:00 Uhr

Lungenkrebs ist weltweit die häufigste krebsbedingte Todesursache. In Deutschland erkranken laut Angaben der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP) jährlich rund 57.000 Menschen an dieser Krebsform. Das Bronchialkarzinom ist prognostisch ungünstig mit Fünf-Jahres-Überlebensraten von etwa 20 Prozent. Ein Grund hierfür ist, dass die Tumoren meist erst in späten Stadien erkannt werden. Um Abhilfe zu schaffen, ist in Deutschland ein Lungenkrebsscreening geplant. Den aktuellen Stand stellte Dr. Torsten Blum von der Helios-Lungenklinik Heckeshorn Ende März auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie in Mannheim vor.

Ziel des Lungenkrebsscreenings sei, bei Erstdiagnose einen Stadienshift zu erreichen: von den prognostisch schlechten fortgeschrittenen Stadien hin zu frühen Stadien, in denen man durch Operationen in der Regel eine Heilung erzielen kann. Zurzeit befänden sich mehr als 50 Prozent der Lungentumoren zum Zeitpunkt der Diagnose schon in Stadium IV, informierte der Referent. In diesem Stadium hat der Tumor bereits metastasiert und ist in der Regel nicht mehr heilbar.

Andere Länder, vor allem die USA und Taiwan, seien Deutschland in dieser Hinsicht um Jahre voraus. Daten aus diesen Ländern zeigten, dass durch ein Lungenkrebsscreening auf Basis der Niedrigdosis-Computertomografie (CT) der gewünschte Stadienshift möglich sei, erklärte Blum. Hierzu gebe es auch eine solide Evidenzbasis aus klinischen Studien. Im Unterschied etwa zum Mammografiescreening, bei dem bestimmte Altersgruppen zur Früherkennungsuntersuchung eingeladen werden, sei ein Lungenkrebsscreening nicht populationsbezogen, sondern risikobasiert: Das Rauchen ergänze als weiterer Risikofaktor das Kriterium Alter.

Im National Lung Screening Trial in den USA mit etwa 26.000 Probanden konnten durch das Lungenkrebsscreening die lungenkrebsbedingte Mortalität um 20 Prozent und die Gesamtmortalität um knapp 7 Prozent gesenkt werden. Auch in der niederländischen NELSON-Studie mit 15.800 Probanden im Alter von 50 bis 75 Jahren, die mehr als 25 Jahre lang täglich mehr als 15 Zigaretten geraucht hatten, ging die lungenkrebsbedingte Sterblichkeit durch das Screening um 24 Prozent zurück.

Herausforderungen beim Aufbau eines Screenings

Auch in Deutschland soll nun ein Screening implementiert werden. »In anderen Ländern hat sich aber gezeigt, dass dabei einige Probleme auftreten können«, berichtete Blum. Eines davon sei die Definition der Risikogruppe. Alter und Rauchen allein seien nicht die optimalen Kriterien, der Trend gehe in Richtung Risikomodelle. Falsch positive CT-Befunde und in der Folge unnötige Eingriffe seien in den klinischen Studien problematisch gewesen, doch dies sei mittlerweile gut beherrschbar. Blum stellte hierzu die Daten von Pilotprojekten aus Großbritannien vor: Von 100 gescreenten Personen haben demnach 14 einen auffälligen Befund, der durch Weiterbeobachtung entkräftet werden kann; eine invasive Diagnostik wird bei vier Personen notwendig, von denen die Hälfte eine Lungenkrebsdiagnose erhält.

Ein weiteres Problem stellen inzidentelle Befunde dar, also Auffälligkeiten in der Bildgebung, die keine Lungentumoren sind, aber weitere Diagnostik nach sich ziehen. Um dies zu vermeiden seien strenge Befundungsalgorithmen nötig, betonte der Mediziner. Nur klinisch Relevantes sollte berichtet werden. Das Problem der Folgerisiken durch Röntgenstrahlen-Belastung werde ernst genommen, aber an Bedeutung abnehmen, sagte der Experte. »Wir sind auf dem Weg zur Ultra-low-Dose CT.«

Implementierung vorantreiben

Das Projekt SOLACE der EU, in dem alle relevanten Lungenfachgesellschaften vertreten sind, soll die Implementierung von Low-Dose-CT-Programmen in EU-Ländern vorantreiben. Drei Länder hätten schon entsprechende Programme gestartet: Kroatien im Jahr 2020, Tschechien und Polen folgten danach. Zusätzlich hätten 20 EU-Länder und Norwegen Pilotprojekte gestartet.

Ende 2023 veröffentlichte die DGP zusammen mit weiteren Fachgesellschaften ein Positionspapier mit Vorschlägen, wie ein strukturiertes Lungenkrebs-Früherkennungsprogramm aufgebaut werden könnte. Wichtiger Bestandteil auf lokaler Ebene sei demnach die Screeningeinheit bestehend aus qualifizierten Ärzten zur Auswahl der Risikopersonen und den angeschlossenen Radiologen. Als mögliche Einschlusskriterien für das Screening werden ein Alter zwischen 50 und 75 Jahren und eine Rauchdauer von mehr als 25 Jahren beziehungsweise eine kumulative Exposition von mehr als 15 Packungsjahren (Zahl der täglich gerauchten Packungen multipliziert mit der Rauchdauer) genannt. Am Screening teilnehmen können Personen demnach nur, wenn sie aktiv rauchen oder nicht mehr als zehn Jahre zuvor damit aufgehört haben. Die Früherkennungsuntersuchung soll jährlich durchgeführt werden.

Wann könnte das Screening in Deutschland kommen? Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) habe Ende 2023 ein Beratungsverfahren eingeleitet, informierte Blum. Im zweiten Quartal 2024 soll vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) eine Lungenkrebs-Früherkennungs-Verordnung veröffentlicht werden, die eine nötige Voraussetzung für die strahlenschutzrechtliche Zulässigkeit des Screenings ist. »Dann hat der G-BA 18 Monate Zeit, zu entscheiden, ob die Untersuchung eine GKV-Leistung wird, und um möglichst viel Struktur in die Richtlinie zu bringen«, sagte der Mediziner. Mitte oder Ende 2025 werde es dann hoffentlich ein nationales Screening auf Krankenkassenkosten geben.

Definition der Risikopopulation ist entscheidend

Ein wichtiger Faktor beim Aufbau des Früherkennungsprogramms wird auch die Definition der Risikopopulation sein, die getestet werden soll. Darauf ging Dr. Martin Kimmich vom RBK Lungenzentrum Stuttgart näher ein. Denn neben Alter und Rauchen gibt es weitere Risikofaktoren, vor allem genetische, aber auch exogene wie Luftverschmutzung oder Passivrauchexposition, die Lungenkrebsentstehung begünstigen. So haben einer schwedischen Studie zufolge Personen mit einem erstgradigen Verwandten mit Lungenkrebs ein doppelt so hohes Risiko, selbst zu erkranken, wie Menschen ohne erkrankte Angehörige.

»Bei etwa 6 Prozent der Lungenkrebsfälle liegen Keimbahnmutationen vor«, berichtete Kimmich. Dennoch gebe es für Lungenkrebs bislang keine Empfehlung für eine Gendiagnostik. Relevant seien hier etwa BRCA1/2, ATM, TP53 und EGFR. Während die ersten drei pathogenen Keimbahnvarianten das Krebsrisiko insgesamt erhöhen, steigert EGFR speziell das Lungenkrebsrisiko. Träger einer speziellen EGFR-Variante, die autosomal dominant vererbt wird, hätten ein Lebenszeitrisiko für Lungenkarzinome von etwa 40 Prozent, berichtete Kimmich. Gerade in Ostasien, vor allem in China, sind solche Varianten stark verbreitet.

Sein Fazit: »Rauchen und Alter als alleinige Kriterien zur Definition einer Risikopopulation für Lungenkrebs-Früherkennungsprogramme greifen zu kurz.« Seiner Einschätzung nach sollte eine bestimmte ethnische Abstammung, ein Ersterkrankungsalter unter 50 Jahren und eine positive Familienanamnese Anlass zu einer humangenetischen Diagnostik sein. Das Screening sollte eventuell auch auf Personen mit hohem familiären Risiko ausgeweitet werden.

Professor Dr. Hans Hoffmann vom Klinikum rechts der Isar in München ergänzte: »Die Einschlusskriterien müssen noch weiterentwickelt und für mehr als Alter plus Rauchen geöffnet werden.« Mit den derzeit geplanten Einschlusskriterien könnten nur die Hälfte aller Lungentumoren in Deutschland im Screening gefunden werden.

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