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Studieren mit Kind
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Balanceakt zwischen Kind und Hörsaal

Was brauchen studierende Mütter und Väter, um Familie und Studium zu vereinbaren? Welche Hilfen Studierendenwerke und Hochschulen bereits bieten und wo noch Bedarf zur Verbesserung besteht, erläuterte eine Expertin des Deutschen Studierendenwerks im PZ-Interview.
AutorKontaktLaura Rudolph
Datum 17.12.2025  12:00 Uhr

Rund 8 Prozent der Studierenden in Deutschland haben ein oder mehrere Kinder, wie die »Studierendenbefragung in Deutschland: 22. Sozialerhebung« des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Sommersemester 2021 ergab. Die Mehrheit dieser Kinder geht noch nicht zur Schule (63 Prozent).

»Ein Studium mit Kind erfordert ein hohes Maß an Flexibilität. Studentische Mütter oder Väter müssen sich jedes Semester auf wechselnde Studienpläne, Veranstaltungszeiten und Prüfungszeiträume einstellen«, erklärte Isabelle Kappus, Leiterin der Servicestelle Familienfreundliches Studium des Deutschen Studierendenwerks, im Interview mit der PZ. Vorlesungen und Seminare außerhalb der üblichen Kinderbetreuungszeiten seien keine Seltenheit. Außerdem gebe es häufig keine Option auf ein offizielles Teilzeitstudium.

Auch außerhalb der Universität gibt es viele Herausforderungen zu meistern. Oft fehle es beispielsweise an finanzierbarem Wohnraum in Campusnähe. »Studierende Eltern legen mit knapp einer Stunde durchschnittlich die längsten Wege zur Hochschule zurück«, so Kappus. Hinzu komme häufig eine hohe Arbeitsbelastung: Rund 68 Prozent der studentischen Eltern arbeiteten nebenher – und das mit durchschnittlich 24 Stunden pro Woche deutlich mehr als Studierende ohne Kinder, die im Schnitt 14,4 Stunden wöchentlich arbeiteten.

»Die Belastung von studierenden Eltern durch Studium, Kindererziehung und Erwerbstätigkeit wird teilweise als sehr hoch erlebt«, weiß die Expertin.

Gute Kinderbetreuung ist essenziell

Für ein erfolgreiches Studium brauche es ein Zusammenspiel aus verlässlicher und qualitativer Kinderbetreuung, geeigneten Maßnahmen zur Studienorganisation, finanzieller Absicherung der ganzen Familie sowie infrastrukturellen Angeboten, die sich an den Bedarfen der studentischen Eltern ausrichten.

»Die notwendige, passgenaue Kinderbetreuung bieten die Studierendenwerke durch ihre bundesweit rund 190 Kitas mit rund 8800 Plätzen. Die Angebote sind auf die Bedürfnisse der Studierenden zugeschnitten und verfügen über hohe qualitative Standards«, erläutert Kappus. Darüber hinaus seien für studierende Eltern die angebotene Kinderbetreuung außerhalb der Regelzeit, die flexible Kurzzeit-, Wochenend- oder Ferienbetreuung von besonderer Bedeutung.

Angebote der Studierendenwerke und Hochschulen

Studierendenwerke und Hochschulen bieten darüber hinaus eine Vielzahl von Service- und Beratungsleistungen für studierende Eltern an, zum Beispiel:

  • Informationsveranstaltungen,
  • spezielle Wohnangebote,
  • Vernetzungs- und Freizeitangebote,
  • Spiel-, Wickel-, Still- und Aufenthaltsräume,
  • Kinderausstattung beziehungsweise Spielecken in der Mensa,
  • vergünstigtes oder kostenloses Mensaessen für Kinder von Studierenden,
  • Begrüßungsgeld für Neugeborene sowie
  • weitere finanzielle oder materielle Unterstützungen.

»Auch an den Hochschulen gibt es für studierende Eltern Anlaufstellen, die sich für eine bessere Vereinbarkeit von Studium und Elternschaft engagieren und vor allem zur Studienorganisation unter Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse studierender Eltern beraten. Wie die Anlaufstellen vor Ort heißen, variiert von Hochschule zu Hochschule – zum Beispiel Familienbüro, Familienservicestelle oder Gleichstellungsbüro.« Auch Studierende, die während des Studiums Eltern werden (möchten), können sich dorthin sowie an die regionalen Studierendenwerke wenden.

Finanzielle Hilfen

Eine zentrale Rolle spielt auch die finanzielle Absicherung der studentischen Familie. »Hier kommen mehrere Leistungen infrage. Die Regelungen sind jedoch komplex, da sie sich zum Teil gegenseitig bedingen oder ausschließen, weil Einkommen und Vermögen unterschiedlich berücksichtigt werden oder vorrangige Unterhaltsansprüche zu beachten sind.« Kappus empfiehlt daher, sich vor Ort durch die Studierendenwerke beraten zu lassen.

Studienorganisation: je flexibler, desto besser

Auch Maßnahmen zur flexibleren Studienorganisation können helfen, Studium und Elternschaft besser zu vereinbaren – aber nur, »wenn die Bedarfe der Zielgruppe entsprechend gesehen und auch konkrete Regelungen hinsichtlich Regelstudiendauer und Prüfungsfristen mitgedacht werden«, so Kappus.

Die eingangs genannte Erhebung des BMBF zeigt: Studierende mit Kindern studieren deutlich seltener in Vollzeit als kinderlose Studierende. Selbst wenn Mütter oder Väter formal in einem Vollzeitstudium eingeschrieben sind, studiert rund ein Fünftel von ihnen de facto in Teilzeit. Berücksichtigt man dies, ergibt sich ein Teilzeit-Anteil von 54 Prozent versus 16 Prozent bei Kinderlosen.

»Diese Zahlen verdeutlichen, wie relevant temporäre oder durchgängige Optionen auf ein Teilzeitstudium sind, um Studium und Familie und gegebenenfalls eine Erwerbstätigkeit erfolgreich zu vereinbaren«, betonte Kappus. Wichtig sei, dass es sich dabei um offizielle Teilzeitstudiengänge handelt, denn nur dann müssten Lösungen für Probleme wie verlängerte Regelstudienzeit oder Prüfungsfristen nicht mehr individuell ausgehandelt werden. »Zudem können asynchrone Onlineformate die Präsenzlehre sinnvoll ergänzen und der Zielgruppe helfen, Vereinbarkeitsengpässe – etwa bei der Erkrankung eines Kindes – zu überbrücken.«

Es bleibt noch Luft nach oben

Obwohl die deutschen Hochschulen in den vergangenen Jahren viel dafür getan hätten, um eine bessere Vereinbarkeit von Studium und Familie zu ermöglichen, seien die Bedingungen für ein chancengerechtes Studium noch nicht überall ausreichend, gab Kappus zu bedenken.

Die Expertin bezieht sich auf die Erhebung des BMBF, bei der 31 Prozent der studierenden Eltern angaben, dass an ihrer Hochschule keine familienfreundliche Atmosphäre herrscht. Für 39 Prozent galten keine erleichternden Studienregelungen und bei 26 Prozent zeigten Dozentinnen und Dozenten kein Verständnis für ihre Lebenssituation. Und: »Der Beratungsbedarf zur Vereinbarkeit von Studium und Kind ist mit 49 Prozent der befragten studierenden Eltern hoch.«

Visionen für die Zukunft

Für die Zukunft wünscht sich die Leiterin der Servicestelle Familienfreundliches Studium, dass studierende Eltern an jedem Standort die Infrastruktur vorfinden, die sie für ein chancengerechtes Studium benötigen. Denn dies ermögliche ihnen, sich die Hochschule danach auszusuchen, welches Fach zu ihnen passt.

Zu dieser Infrastruktur zählen laut der Expertin personell gut ausgestattete und qualitativ hochwertige Kinderbetreuungsangebote in gut erreichbarer Nähe mit einem guten Betreuungsschlüssel, die den besonderen zeitlichen Anforderungen Studierender gerecht werden, etwa dem Semesterrhythmus oder Veranstaltungen zu ungewöhnlichen Zeiten. Und: »Studien- und Prüfungsordnungen sollten selbstverständlich Ausgleichsoptionen für Studierende mit Kindern vorsehen, sodass Fragen der Vereinbarkeit nicht mehr individuell mit Lehrenden ausgehandelt werden müssen.« Zudem sollten deutsche wie internationale Studierende mit Kindern finanziell so abgesichert sein, dass ein erfolgreiches Studium möglich ist.

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