Bakterien erzeugen neue Gene mit Reverser Transkriptase |
Laura Rudolph |
24.05.2024 11:00 Uhr |
Die Bakterienart Klebsiella pneumoniae nutzt die Reverse Transkriptase, um neue DNA zu erzeugen. Diese codiert für Proteine, die die Zelle vor einer Virusvermehrung schützen. / Foto: Getty Images/ byakkaya
Bis der US-amerikanische Biologe Howard Martin Temin im Jahr 1970 das Enzym Reverse Transkriptase (RT) entdeckte, glaubte man, dass genetische Information nur in eine Richtung fließen könne: von der DNA über die RNA zum Protein. Die RT kann jedoch die genetische Sequenz umkehren, indem es RNA in DNA »zurück« umwandelt. Diese Fähigkeit wurde zuerst bei Retroviren beobachtet, die dieses Enzym nutzen, um die aus RNA erzeugte DNA in das Genom der Wirtszelle zu integrieren. Bekanntestes Beispiel ist hier wohl HIV.
Die RT kann jedoch offenbar mehr, als bisher angenommen. In einer aktuellen Studie haben Forschende in der Bakterienart Klebsiella pneumoniae eine spezielle Form des Enzyms identifiziert, das anders arbeitet als die bisher bekannten RT: Sie schreibt nicht nur RNA in DNA um, sondern erzeugt dabei neue Gene, die durch viele sich wiederholende Sequenzen auffallen. Die teils langen Proteine, für die sie codieren, schützen das Bakterium bei einem Befall mit Viren. Die Ergebnisse der Studie des Team um Stephen Tang von der Columbia University in New York wurden bisher nur in Form eines Preprints auf dem Server »Biorxiv« publiziert.
Die bakterielle RT nutzt lange RNA-Moleküle als Vorlage, die aufgrund von intramolekularen Basenpaarungen Schleifen und Haarnadelstrukturen bilden. Das Enzym »wandert« wiederholt an diesen Schleifen entlang, liest die RNA ab und wandelt sie in DNA um. Dadurch entsteht DNA mit sich wiederholenden (repetitiven) Sequenzen.
Die repetitive DNA-Sequenz bildet dabei eine sogenannte offene Leseraster-Sequenz, die von den Forschenden als »Never-ending Open Reading Frame« (Neo) bezeichnet wird. Diese Neo-Sequenz besitzt kein traditionelles Stop-Codon. Die Umsetzung der DNA zu RNA und Proteinen kann daher, zumindest theoretisch, unbegrenzt lange erfolgen, was zu sehr großen Proteinen führen kann.
Die Forschenden beobachteten, dass das Bakterium die Neo-DNA-Sequenz dann in RNA umschreibt und in das entsprechende Protein übersetzt, wenn es mit Viren befallen ist. Das »Neo-Protein« blockiert das Zellwachstum und schützt somit die Bakterienzellen vor der Virusvermehrung. Wie der auslösende Mechanismus funktioniert, ist bislang noch nicht erforscht.
Doch auch wenn der Prozess noch nicht vollständig verstanden ist, zeigt diese Arbeit, dass RNA nicht nur eine Zwischenstufe im genetischen Informationsfluss ist, sondern offenbar auch direkt zur Bildung neuer Gene beitragen könnte. Diese Entdeckung könnte interessant sein, um zukünftig neue biotechnologische Anwendungen zu entwickeln.