AVMV fordert Retaxverbot bei E-Rezepten |
Der Vorstand des AVMV bleibt im Amt (von links): Marco Neumann, Kristian Frankenstein, Matthias Ratke, Antje Urban, das ehemalige Vorstandsmitglied Thomas Müller und Axel Pudimat. Es fehlen Markus Oelze und Petra Kokel. / Foto: PZ/Anne Orth
Geht es nach der Bundesregierung, sollen elektronische Verordnungen ab Januar 2024 Pflicht werden. Der Apothekerverband Mecklenburg-Vorpommern (AVMV) befürchtet, dass damit für Apothekerinnen und Apotheker das Risiko von Retaxationen zunehmen könnte. Um das zu verhindern, verabschiedeten die Mitglieder des AVMV bei ihrer Versammlung am Mittwoch in Warnemünde eine Resolution, die der AVMV-Vorsitzende Axel Pudimat vorbereitet hatte. Demnach fordert die Mitgliederversammlung des AVMV die Krankenkassen beziehungsweise ihren gemeinsamen Spitzenverband dazu auf, Retaxationen aufgrund von formalen und technischen Fehlern bei E-Rezepten rechtssicher auszuschließen. Weiter heißt es: »Beanstandungen dürfen nur dann zu Absetzungen führen, wenn die von der Apotheke erbrachte Leistung beanstandet werden kann. Formfehler dürfen kein Grund für eine Zahlungsverweigerung der Krankenkassen sein, wenn Versicherte ordnungsgemäß mit Arzneimitteln versorgt wurden.«
Bereits in seiner Begrüßung hatte Pudimat deutlich gemacht, dass er das elektronische Verordnen nicht nur positiv sieht. »E-Rezepte sorgen für mehr Bürokratie«, kritisierte er und warnte in diesem Zusammenhang vor einer weiteren Zunahme von Retaxationen. In seiner Rede zeichnete er ein düsteres Bild der Situation der Offizinen in Mecklenburg-Vorpommern: »Die meisten Apotheken arbeiten an der Leistungsgrenze. Die Stimmung und die wirtschaftliche Lage sind häufig miserabel.« So sei dringend benötigtes Personal schwer oder gar nicht zu bekommen, und die anhaltenden Arzneimittel-Engpässe machten den Teams die Arbeit schwer. »Als Ergebnis verschwinden häufig Apotheken. So ist die Realität aus«, schilderte er die Lage.
Scharfe Kritik übte Pudimat an den Plänen von Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) zur Liberalisierung des Apothekenmarkts. Die Vorschläge des Ministers, »Sparfilialen« zu erlauben, würden das Vertriebssystem völlig ökonomisieren. Fachkompetenz vor Ort könne sich dort niemand mehr leisten. »Lauterbach steuert auf ein fachfremdes Logistiksystem hin, eine staatlich gelenkte Versorgungssituation«, warnte Pudimat. Alle Erfahrungen zeigten, dass sich damit die Versorgung verschlechtern werde. »Es lohnt sich daher, für das bewährte System zu kämpfen. Und wir kämpfen dafür«, machte er deutlich. Das zeige die Apothekerschaft mit ihren Protesten in Hannover, Dortmund, Stuttgart und Dresden. Den gemeinsamen Protest der Apothekerschaft, Ärzte und Zahnärzte am 8. November in Schwerin bewertete er als »vollen Erfolg«. Maßgebliche Politiker seien vor Ort gewesen, so dass die Apothekerschaft ein Signal an die Politik senden konnte. Das Medienecho sei groß gewesen, die Kontakte zur Ärzteschaft seien wertvoll, der Verband werde sie eventuell noch ausbauen. »Ich denke, dass das nicht der letzte Protest war«, zeigte sich Pudimat kämpferisch. Er appellierte erneut an die Apothekerinnen und Apotheker, Briefe an Abgeordnete zu schreiben und ihnen darin ihren Frust zu schildern. »Der stete Tropfen höhlt den Stein«, so der AVMV-Vorsitzende.
Er dankte den übrigen Vorstandsmitgliedern, Geschäftsführer Carsten Pelzer und den Mitarbeiterinnen der Geschäftsstelle für ihren Einsatz. Alle Vorstandsmitglieder wurden am Abend einstimmig im Amt bestätigt – auch diejenigen, die wegen des Wintereinbruchs nicht den Weg nach Warnemünde geschafft hatten. Weitere vier Jahre im Amt sind: Kristian Frankenstein aus Güstrow, Petra Kokel aus Stavenhagen, Dr. Marco Neumann aus Stralsund, Markus Oelze aus Jarmen, Matthias Ratke aus Sternberg und Antje Urban aus Rostock. Axel Pudimat wurde ebenfalls erneut zum Vorsitzenden gewählt.
Während der Mitgliederversammlung erläuterte außerdem Anja Kirchner, Referentin Statistik der ABDA, die Bedeutung des ABDA-Datenpanels für die Arbeit der Standesvertretung. »Die Politik braucht Fakten. Wir brauchen verlässliche Daten zur Unterstützung der strategischen Positionierung der ABDA«, erklärte sie. Die Teilnahme der Apothekenleiter sei freiwillig, Starttermin für die Online-Befragung sei jeweils der 1. September. Auf Datensicherheit und Anonymität werde großer Wert gelegt. Kirchner informierte zudem über den Stand beim Aufbau des Daten-Hubs. Ziel sei es, mit dieser »zentralen Datensammelstelle« die Qualität und Verfügbarkeit der Daten zu erhöhen und nicht mehr auf den Datenzukauf bei Externen angewiesen zu sein. Geplant sei, den ABDA-Datenpanel sukzessive in das Hub zu übertragen, informierte Kirchner.
Einblick in die Kommunikationsstrategie der Bundesvereinigung gab Benjamin Rohrer, seit Mitte April Leiter Kommunikation bei der ABDA. »Seit dem Beschluss zu den Protesten befassen wir uns überwiegend mit Krisenkommunikation«, schilderte er. Als Erfolg verbuchte er die Kooperation mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), die durch viele Gespräche entstanden sei. Mit den Protesttagen im November habe die Apothekerschaft ein »Grundrauschen« erreicht, ein Medienecho, das sich über mehrere Wochen hinziehe. Vor allem die Unterstützung von einzelnen Abgeordneten und aus der Landespolitik bewertete er als großen Erfolg. Wie die Eskalationsstrategie konkret weitergehe, könne er derzeit noch nicht sagen. Die geplante Strukturreform werde die ABDA aber in jedem Fall mit politischer Kommunikation begleiten. Rohrer kündigte an, dass die Bundesvereinigung ein Netzwerk von Apothekern aufbauen wolle, um gezielt Abgeordnete über die Situation der Apotheken zu informieren. Geplant sei auch die direkte Kommunikation mit Politikern, zum Beispiel auf Parteitagen.
Doch auch zu weiteren Themen seien Kampagnen geplant, informierte Rohrer. So solle bereits im Dezember eine Informationskampagne zum E-Rezept starten, mit der sich die ABDA insbesondere an Arztpraxen wenden wolle. 2024 sei unterstützende Kommunikation zu den pharmazeutischen Dienstleistungen geplant. Und im ersten Halbjahr nächsten Jahres will die ABDA gezielt den Nachwuchs ansprechen, etwa mit Videos, einer Comedy-Serie sowie der Virtuellen Apotheke.
Axel Pudimat (Mitte) mit Anja Kirchner, ABDA-Referentin Statistik, und ABDA-Pressesprecher Benjamin Rohrer. / Foto: PZ/Anne Orth
Björn Behrendt, Leiter Architektur, Produkte und Projekte der Gedisa, erläuterte im weiteren Verlauf der Mitgliederversammlung, welche Dienstleistungen die Gedisa bereits anbietet und welche geplant sind. Vorstandsmitglied Antje Urban informierte, welche Ergebnisse von den Tarifverhandlungen zwischen ADA und der Apothekengewerkschaft Adexa zu erwarten sind. Zudem gab Urban Einblick in die Arbeit der Arbeitsgruppe zur Nachwuchsförderung. Diese setze sich beispielsweise dafür ein, die Stelle eines Nachswuchskoordinators zu schaffen. Sie solle von der Apothekerkammer und vom Apothekerverband gemeinsam finanziert werden. Wie, sei jedoch noch unklar. Urban rief weitere Mitglieder des AVMV auf, sich in der Arbeitsgruppe zu engagieren, um die Arbeit auf mehr Schultern verteilen zu können.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.