Gesundheitsministerin warnt vor steigenden Zusatzbeiträgen. / © Imago/Mike Schmidt
Die 94 gesetzlichen Krankenkassen haben in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres einen Überschuss in Höhe von 3,6 Milliarden Euro erzielt. Das teilte das BMG am Freitag mit. Diese Überschüsse dienen vorrangig der Auffüllung ihrer Finanzreserven auf das gesetzliche Mindestniveau. Die Finanzreserven der Krankenkassen betrugen zum Ende des dritten Quartals rund 5,4 Milliarden Euro. Dies entspricht 0,19 Monatsausgaben und liegt damit weiterhin unterhalb der gesetzlich vorgesehenen Mindestreserve in Höhe von 0,2 Monatsausgaben.
Ein Grund zur Entwarnung ist dieser Überschuss allerdings nicht. Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen steigen in den ersten drei Quartalen des Jahres 2025 – wie bereits im Jahr 2024 – um rund 7,8 Prozent und damit deutlich stärker als die Beitragseinnahmen mit rund 5,3 Prozent. Das führt zu einem hohen Druck auf die Beitragssätze, weshalb die Krankenkassen – entsprechend der Prognose des GKV-Schätzerkreises – ihre Zusatzbeitragssätze zu Beginn des Jahres 2024 stark anheben mussten.
Den Einnahmen der gesetzlichen Krankenkassen in Höhe von 265,6 Milliarden Euro standen Ausgaben in Höhe von 262,0 Milliarden Euro gegenüber. Die Ausgaben für Leistungen und Verwaltungskosten verzeichneten bei einem Anstieg der Versichertenzahlen von 0,1 Prozent einen Zuwachs von unverändert 7,8 Prozent. Der durchschnittlich von den Krankenkassen erhobene Zusatzbeitragssatz entsprach Ende September 2,94 Prozent und lag damit deutlich oberhalb des Ende Oktober 2024 für das Jahr 2025 bekanntgegebenen durchschnittlichen ausgabendeckenden Zusatzbeitragssatzes von 2,5 Prozent.
Ursächlich hierfür ist nach Einschätzung des BMG, dass viele Krankenkassen gezwungen sind, einen höheren Zusatzbeitragssatz zu erheben, als zur Deckung der laufenden Ausgaben nötig wäre, um so ihre im vergangenen Jahr aufgrund der unerwartet hohen Ausgabendynamik stark gesunkenen Finanzreserven auf das gesetzlich vorgeschriebene Mindestniveau aufzufüllen.
»Die erzielten Überschüsse der Krankenkassen sollten keine falschen Schlüsse zulassen: Die gesetzliche Krankenversicherung steht unter größtem finanziellen Druck«, mahnt Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU). »Unser zentrales politisches Ziel ist die nachhaltige Stabilisierung der Finanzsituation der Krankenkassen, indem wir den Entwicklungen der vergangenen Jahre endlich etwas entgegensetzen. Dafür wurde in einem ersten Schritt ein kurzfristiges Maßnahmenpaket für 2026 auf den Weg gebracht.«
Doch das Sparpaket wurde vom Bundesrat vorerst ausgebremst. »Die Verzögerungen durch die erfolgte Anrufung des Vermittlungsausschusses durch eine Mehrheit der Länder bedeuten hohe Unsicherheiten für die Planungen der Krankenkassen und führen möglicherweise zu höheren Zusatzbeiträgen im kommenden Jahr. Deshalb ist es notwendig, dass der Vermittlungsausschuss schnell zu einer Entscheidung kommt«, so Warken.
Die Gesundheitsministerin warnt, dass die Probleme im kommenden Jahr noch größer werden dürften: »Ab dem Jahr 2027 sind Defizite in der GKV in zweistelliger Milliardenhöhe zu erwarten. Daher werden die Expertinnen und Experten der Finanzkommission Gesundheit bereits im März Vorschläge zur kurzfristigen Stabilisierung der Finanzen der GKV vorlegen, auf deren Basis der Gesetzgebungsprozess zügig beginnen wird«, verspricht die Ministerin. Der Reformdruck sei zwar gewaltig, doch biete er auch die Chance, das Gesundheitssystem zukunftsfest und nachhaltig finanzierbar aufzustellen.
Die Aufwendungen für die Versorgung mit Arzneimitteln sind im ersten bis dritten Quartal um 6,0 Prozent beziehungsweise 2,5 Milliarden Euro gestiegen. Innerhalb der Arzneimittel verzeichnen die Aufwendungen für Arzneimittel im Rahmen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung deutlich überdurchschnittliche Zuwächse (25,0 Prozent bzw. 559 Millionen Euro). Auch die Arzneimittelausgaben steigen damit stärker als im Durchschnitt der Jahre 2013 bis 2024.
Die Ausgaben für Krankenhausbehandlungen sind im 1.-3. Quartal um 9,9 Prozent bzw. 7,4 Milliarden Euro gestiegen und stellen damit den maßgeblichen Treiber der hohen Ausgabendynamik dar. Der prozentuale Zuwachs im 1.-3. Quartal liegt mehr als doppelt so hoch wie der Durchschnitt der jährlichen Zuwächse im Zeitraum 2013-2024 und übertrifft die Dynamik im bisherigen Rekordjahr 2024. Ursächlich sind laut BMG vor allem hohe Vergütungssteigerungen sowie die Refinanzierung bisher nicht abgebildeter Tarifkostensteigerungen aus dem Jahr 2024.
Die Ausgaben für ambulant-ärztliche Behandlungen sind im ersten bis dritten Quartal um 7,6 Prozent beziehungsweise 2,9 Milliarden Euro gestiegen. Zwar hat sich der Ausgabenzuwachs gegenüber dem ersten Halbjahr 2025 (7,8 Prozent) geringfügig abgeschwächt, dennoch liegt das Wachstum der ersten neun Monate annähernd doppelt so hoch wie das durchschnittliche jährliche Wachstum seit 2013.
Für die weiterhin hohe Rate ist unter anderem entscheidend, dass für den bundeseinheitlichen Orientierungspunktwert wie bereits für 2024 ein gegenüber dem langjährigen Durchschnitt höherer Anstieg um 3,85 Prozent vereinbart wurde. Zur hohen Dynamik tragen auch die kräftig steigenden Ausgaben für das ambulante Operieren (18,8 Prozent beziehungsweise 365 Millionen Euro) bei.
Das Bundesministerium für Gesundheit hat auf Basis der Prognose des GKV-Schätzerkreises vom 14. und 15. Oktober am 10. November einen durchschnittlichen ausgabendeckenden Zusatzbeitragssatz für das Jahr 2026 von 2,9 Prozent bekanntgegeben. Dies entspricht einem Anstieg von 0,4 Prozentpunkten gegenüber dem für 2025 bekanntgegebenen durchschnittlichen ausgabendeckenden Zusatzbeitragssatz von 2,5 Prozent. Der für 2026 bekanntgegebene durchschnittliche Zusatzbeitragssatz von 2,9 Prozent, welcher auf Basis der Schätzerkreisprognose zur Deckung der laufenden Ausgaben der Krankenkassen nötig ist, liegt damit auf dem Niveau des im Jahr 2025 von den Kassen im Durchschnitt erhobenen Zusatzbeitragssatzes.