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Immuntherapie bei Krebs

Neue Therapien, unbekannte Risiken

25.10.2017  09:18 Uhr

Von Hannelore Gießen, München / Das Konzept der Checkpoint-Hemmung hat mit seinen beeindruckenden Erfolgen eine neue Ära in der Onkologie begründet. Inzwischen zeigen sich jedoch auch Risiken und völlig neue Nebenwirkungen. Die Entfesselung des Immunsystems hat offensichtlich ihren Preis.

Unter einer Immuntherapie richtet sich das Immunsystem nicht nur gegen den Tumor, sondern mitunter auch gegen gesunde Strukturen. »Jedes Organsystem kann betroffen sein«, sagte Professor Dr. Helen Gogas von der Universität Athen beim Education Workshop on Cancer Immunotherapy in München. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählten Fieber, Hautausschläge, Juckreiz, Entzündungen der Verdauungsorgane sowie des endokrinen Systems. Die ­unerwünschten Wirkungen könnten von subklinisch bis fatal schwanken. Im Extremfall drohe ein Zytokin-Sturm, der bis zu einem völligen Organversagen führen kann.

 

Die Hälfte aller Nebenwirkungen manifestiert sich an der Haut. Besonders oft tritt ein Hautausschlag unter Ipilimumab vier bis sechs Wochen nach Therapiebeginn auf, der differenzialdiagnostisch von einem Ekzem, ­einem Virus-induzierten Ausschlag ­sowie einer Entzündung der Gefäße abgegrenzt werden muss. Bei Zweifeln sollte ein Dermatologe zurate gezogen oder eine Biopsie entnommen werden, riet Gogas. Als Sofortmaßnahme empfahl die Onkologin, kalte Kompressen zur Linderung der Beschwerden anzuwenden und die ­Sonne zu meiden.

 

Sind weniger als 10 Prozent der Hautoberfläche betroffen, genügt die Gabe von Antihistaminika sowie die lokale Anwendung von Glucocorticoiden. Breite sich die Hautreaktion jedoch weiter aus, erfordere das das sofortige Absetzen des Medikaments und die systemische Gabe von Glucocortico­iden, so die Referentin.

 

10 Prozent der Melanompatienten entwickeln unter einer Therapie mit PD-1-Inhibitoren wie Nivolumab oder Pembrolizumab eine Weißfleckenkrankheit, eine Vitiligo. Das korrespondiere jedoch mit einem Ansprechen auf die Therapie und sei als positives Signal zu werten.

 

Symptome ernst nehmen

 

Auch der Gastrointestinaltrakt reagiert häufig auf eine immunologische Krebstherapie. »Bei jedem Durchfall, der unter einer Behandlung mit Checkpoint-Inhibitoren auftritt, muss man an eine Colitis denken«, informierte Gogas. Sie riet, Stuhlkulturen anzulegen sowie bildgebende Verfahren zur Diagnose heranzuziehen. Bei leichtem Durchfall genüge es, Wasser und Elek­trolyte auszugleichen und Loperamid zu geben. Bei einer stärker ausgeprägten Colitis mit mehr als vier Stühlen pro Tag bremse man die überschießende Immunreak­tion durch eine systemische Gabe von Glucocorticoiden.

 

Die meisten Nebenwirkungen gelten angesichts der Schwere der Krebs­erkrankungen als vertretbar, es wurden aber auch dramatische Autoimmun­reaktionen bekannt. So wurden zwei Fälle einer tödlich verlaufenden Myokarditis unter der Kombination von Ipilimumab und Nivolumab beschrieben.

 

Unerwünschte Wirkungen an der Lunge treten mit 2 Prozent eher selten auf. Unter einer Kombination von CTLA-4- und PD-1-Inhibition steigt die Häufigkeit allerdings auf 10 Prozent an. Gefürchtet sei eine entzündliche Veränderung der Lunge, die sich erst nach mehrwöchiger Therapie entwickle und schwierig zu diagnostizieren sei, sagte Gogas.

 

Relativ häufig manifestieren sich unerwünschte Arzneimittelwirkungen an der Schilddrüse. Dabei könne eine Unterfunktion ebenso auftreten wie eine Überfunktion. Gefürchtet sei eine Entzündung der Hypophyse, so Gogas. Diese Autoimmunreaktion sei bei immerhin 4 Prozent der mit Ipilimumab behandelten Patienten beobachtet worden, unter einer Hemmung des PD-1/PDL-1-Signalwegs bei weniger als 1 Prozent. Auf eine Hypophysitis könnten unspezifische Symptome wie Kopfschmerzen oder ­Gewichtszunahme hinweisen, vor allem aber eine Einschränkung des Gesichtsfeldes und Doppeltbilder. Gogas riet unter einer Checkpoint-Inhibition zu regelmäßigen augenärztlichen Kontrollen.

 

Wie die entfesselten T-Zellen die Insulin produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse zerstören, erklärte Professor Dr. Jean Jacques Grob vom Hôpital de la Timone in Marseille. Diese Variante eines plötzlich auftretenden Typ-1-Diabetes sei selten, aber äußerst gefährlich, da er sich nicht durch eine Glykämie oder einen auffälligen HbA1c- Wert ankündige, so der Onkologe.

 

Überschießende Autoimmunreak­tionen können rasch oder erst nach Wochen und Monaten auftreten. Manche Symptome wirken zunächst harmlos, eskalieren dann aber schnell. Die Onkologen empfahlen einhellig, Pa­tienten unter einer immunologischen Krebs­behandlung noch engmaschiger zu überwachen als unter einer Chemo­therapie und selbst vermeintliche Bagatell­symptome ernst zu nehmen. Weil die Checkpoint-Hemmung ein neues Therapieprinzip sei, müsse mit der Entdeckung weiterer seltener Nebenwirkungen gerechnet werden. Erst in ein paar Jahren werde man das ganze Spektrum der Nebenwirkungen bei der Checkpoint-Hemmung kennen. /

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