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Nie da gewesenes Bedrohungsszenario

26.09.2006  13:31 Uhr

<typohead type="3">Nie da gewesenes Bedrohungsszenario

Die von der Koalition geplanten Änderungen im Gesundheitssystem bedrohen die inhabergeführte Apotheke massiv. Die ABDA werde sich mit allen Mitteln gegen die Realisierung der Entwürfe wehren, erklärte Dr. Hans-Jürgen Seitz, Hauptgeschäftsführer der ABDA.

 

»Versicherte und Patienten ahnen, dass die Reform nicht ohne Auswirkung auf die Qualität ihrer Versorgung bleiben würde«, sagte Seitz. 88 Prozent der Befragten lehnten daher in einer Umfrage des »Stern« die aktuelle Gesundheitspolitik ab. Unterstützt von diesem Rückhalt in der Bevölkerung müssen die Apotheker nun ihre Position zur Gesundheitsreform deutlich machen und der Politik konstruktive Vorschläge anbieten. Die erklärten Ziele der Politik, eine lohnunabhängige Finanzierung der GKV und Kostensenkung durch mehr Wettbewerb, würden durch die geplanten Änderungen nicht erreicht. Vielmehr entziehe die Politik durch die Mehrwertsteuererhöhung, dem Wegfall des Zuschusses aus der Tabaksteuer sowie der weiterhin beitragsfreien Mitversicherung dem System mehrere Milliarden Euro. »Es ist grotesk, dass die Symptome hausgemachter Unterfinanzierung als Kostenexplosion dargestellt und zur Begründung weiterer Sparmaßnahmen herangezogen werden«, erklärte der ABDA-Hauptgeschäftsführer.

 

An der Ausgabensteigerung der GKV haben die Apotheken nachweislich keinen Anteil. Denn während in den vergangenen Jahren die Arzneimittelausgaben um durchschnittlich 2,5 Prozent pro Jahr stiegen, fiel das Apothekenentgelt von 2002 bis 2005 um 5 Prozent. »Mit einem GKV-Ausgabenanteil von lediglich 2,7 Prozent stellen die Apotheken die flächendeckende Versorgung und Beratung sicher und finanzieren 140.000 deutsche Arbeitsplätze«, sagte Seitz. Die momentanen Ansätze zur Systemsanierung durch ruinöses Preis- und Honorardumping im Apothekenbereich seien daher geradezu widersinnig.

 

Wachsamkeit ist angebracht

 

Obwohl sich die Koalition formell zur inhabergeführten Apotheke bekenne, sei doch Wachsamkeit angebracht. Der unkonventionelle, saarländische Versuch, den Fremdbesitz durchzudrücken, wurde erstmal gestoppt. Die unrechtmäßig in Saarbrücken eröffnete Filialapotheke der niederländischen Kapitalgesellschaft DocMorris musste vorerst schließen. Seitz freute sich über diesen ersten Etappensieg, der den strapazierten Glauben der Apotheker an das deutsche Rechtssystem wieder stärke. Doch dies sei nur ein Teilerfolg. Die ABDA werde nun alles tun, um die Frage des Verbotes von Fremd- und Mehrbesitz juristisch klären zu lassen.

 

Den Rückhalt des EuGH dürften die Apotheker haben, denn 2005 hatte der Gerichtshof im Falle Schwedens dargestellt, dass selbst ein restriktiveres Apothekensystem als das deutsche mit geltendem EU-Recht vereinbar ist. »Eine Kombination aus Niederlassungsfreiheit und der Zulassung von Fremd- und Mehrbesitz wäre nahezu einzigartig und käme einem verfassungsrechtlich bedenklichen, enteignungsgleichen Eingriff in das Vermögen deutscher Apotheker gleich«, erklärte Seitz. Durch Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzes fiele ein Teil des freiberuflichen Mittelstandes weg, an dessen Stelle Oligopole träten. Zur Kostensenkung würde dies kaum beitragen, wie die Beispiele USA, Schweiz oder Norwegen zeigten, in denen trotz der Existenz von großen Ketten die Arzneimittelpreise vergleichsweise hoch liegen. Die Expertenbehauptungen, dass durch die Einführung des Fremdbesitzes 2 Milliarden Euro pro Jahr eingespart werden könnten, zweifelte Seitz stark an. Da das gesamte Apothekenentgelt nur 3,9 Milliarden Euro pro Jahr beträgt, müssten die Apothekenketten »Samariter sein und für lau arbeiten«, um solche hohen Einsparungen zu erzielen.

 

Wie sinnlos vorauseilender Gehorsam gegenüber dem EU-Recht sein kann, zeige auch das Beispiel Versandhandel. 2004 in Deutschland eingeführt hat er die in ihn gesetzten Erwartungen bei weitem nicht erfüllt. Trotz der starken PR-Kampagne der deutschen Politik beträgt sein Marktanteil etwa 1 Prozent. Die Einführung des Versandhandels wäre auch gar nicht nötig gewesen. Denn laut EuGH ist ein nationales Versandhandelsverbots für verschreibungspflichtige Medikamente mit EU-Recht vereinbar. Wenn saarländischen Gesundheitspolitikern wirklich an der Angleichung von nationalem an europäisches Recht liegen würde, könnten sie sich dafür stark machen, dass der Versandhandel auf das europarechtlich erforderliche Maß begrenzt wird, sagte Seitz. «Hier sollte sich das Saarland an die Spitze der Bewegung stellen! Hier liegt ein eindeutiges Urteil bereits zweifelsfrei vor!«

 

Wettbewerb um Qualität, nicht Preis

 

Im Arbeitsentwurf zur Gesundheitsreform wandle sich die Rolle des Apothekers vom Heilberufler in Richtung Kaufmann, sagte Seitz. Die Apotheken seien in erster Linie Einzelhandelsbetriebe, unter denen ein gnadenloser Preis- und Verdrängungswettbewerb im OTC- und RX-Segment gegenüber Kunden und Kassen herrschen solle. Hier gegen setzt sich die ABDA zur Wehr. Der Apotheker sei in erster Linie ein Heilberufler, der jetzt schon einem Wettbewerb ausgesetzt sei, nämlich dem um Leistung und Qualität unter den Apothekern. »Wettbewerb muss dem Patienten Vorteile bringen, ohne die Versorgungsqualität und Arzneimittelsicherheit zu gefährden«, sagte Seitz. Im Gegensatz dazu müsse Preiswettbewerb da stattfinden, wo er hingehört: zwischen Herstellern und Krankenkassen.

 

Die Bevölkerung schätze die persönliche und kompetente Beratung in der Apotheke, erklärte Seitz. »Dies lassen wir uns nicht kaputt machen.« Daher setze sich die ABDA mit aller Kraft für den Erhalt der einheitlichen Apothekenvergütun, für rezeptpflichtige Arzneimittel sowie den Wegfall eines Zuzahlungsdumpings gegenüber den Patienten und einem Margendumping gegenüber den Krankenkassen ein. Auch die Haftung der Apotheker für Einsparungen in Höhe von 500 Millionen Euro sei unannehmbar.

 

Werbung für Apotheken

 

Zentrales Thema der Diskussion im Anschluss an den Geschäftsbericht war die Image- und Öffentlichkeitsarbeit. Viele Delegierte forderten, den zur Verfügung stehenden Etat publikumswirksamer einzusetzen. In Österreich zum Beispiel sind Apotheker mit Gesundheitstipps regelmäßig im Fernsehen und in großen Tageszeitungen vertreten. TV-Spots hätten nur dann einen Effekt, wenn sie in Serie geschaltet werden, so Seitz. Dafür reiche der Etat nicht aus. Kampagnen in Tageszeitungen liefen dagegen bereits. Seitz informierte, dass Anzeigen, wie sie zum Beispiel in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« und »Süddeutschen Zeitung« schon veröffentlicht wurden, keine Ausnahme bleiben. Ein großer Strauß weiterer Aktivitäten, die das Leistungsspektrum der Apotheke darstellen, sei bereits vorbereitet. Angepasst an die jeweilige politische Lage würden sie ins Rollen gebracht. Die Angst der Apothekenmitarbeiter um ihren Arbeitsplatz sei ein weiteres Argument, um das die Pressekampagne ergänzt werden könne.

 

ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf betonte, dass es auf einen langen Atem ankomme. Erst wenn der Referentenentwurf zur geplanten Gesundheitsreform vorliege, gehe es offiziell mit der politischen Auseinandersetzung los. Dann komme es darauf an, umgehend zu handeln. Die Präsidentin der Bundesapothekerkammer, Magdalene Linz, betonte, dass die Arbeit an der Basis, nämlich in den einzelnen Apotheken, die beste Öffentlichkeitsarbeit sei. Sie bezeichnete diese Arbeit als »unsere schärfste Waffe«. Dazu sei es wichtig, dass die Apotheken informiert sind und Kommunikationshilfen zur Aufklärung der Patienten an die Hand bekommen.

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