Messegelände oder Marienplatz? |
26.09.2006 14:24 Uhr |
Die Delegierten des Deutschen Apothekertags haben aus der Not eine Tugend gemacht. SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Carola Reimann und der Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Dr. Klaus Theo Schröder, hatten ihre Zusage rückgängig gemacht, vor dem Plenum Rede und Antwort zu der von 88 Prozent der Bevölkerung abgelehnten Gesundheitsreform zu stehen. Deshalb wurden die Beratungen bereits am Freitagabend beendet. Dieser Zeitgewinn kam der am »politischen Samstag« geplanten Protestversammlung zugute.
Nach einer engagierten Diskussion um die Frage, ob diese hoffentlich öffentlichkeitswirksame Veranstaltung »im Saal« oder unter Ausnutzung des angenehmen Nachsommerwetters im Freien stattfinden solle, entschied sich eine Mehrheit für den »Protest im Saal«. Dafür gab es praktische Gründe: Proteste im Freien, die eine entsprechende Wirkung auf die Öffentlichkeit haben sollen, müssen langfristig vorbereitet werden. Ad hoc funktioniert das nicht.
Der Marienplatz in Münchens Stadtzentrum wäre sicher für einen Protest der Apotheker geeignet gewesen, wenn sich der Termin nicht mit zwei anderen für die bayerische Landeshauptstadt wichtigen Ereignissen überschnitten hätte: mit dem Oktoberfest und einem Heimspiel von Bayern München. Umgeben von Tausenden von Oktoberfestbesuchern und Fußballfans hätten die Apotheker kaum ihre Argumente gegen die von der großen Koalition geplante Reform artikulieren können. So taten sie es durchaus überzeugend und unterstützt von Patientensprechern, Ärzten, Krankenversicherern und Pharmaindustrie im Plenarsaal des Messegeländes, der mit mehr als tausend Apothekern überfüllt war.
Die Transparente »Mittelstand geht kaputt«, »CDU + SPD = mein Ruin«, »Jahrelang gemolken, jetzt sinnlos geschlachtet?«, »Künftig 25 km bis zur nächsten Apotheke?« fanden guten Anklang und Beifall. Dazu hätte es aber der von den Gewerkschaften eingeführten und von den Ärzten übernommenen roten Trillerpfeifen nicht bedurft. Ob sie bei Protestveranstaltungen im Freien unbedingt notwendig sind, um auf die Akteure aufmerksam zu machen, sei dahingestellt. Im Plenarsaal des Messegeländes störten sie eher, weil dadurch die überzeugenden Aussagen von fünf Experten gegen das Vorhaben der Regierung nicht für alle verständlich waren.
Dr. Siegfried Löffler