Gemeinsamer Protest... |
26.09.2006 14:23 Uhr |
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Wir lehnen ein Gesundheitssystem ab, das den Patienten bevormundet.
Als Heilberufler stärken wir Apotheker mit Rat und Tat die persönliche Eigenverantwortung der Menschen für ihre Gesundheit.
Wir lehnen ein Gesundheitssystem ab, das dirigistisch Gesundheit nach Kassenlage rationiert.
Wir fordern die Stärkung der Selbstverwaltung und eine gesicherte Finanzierung.
Wir lehnen ein Gesundheitssystem ab, das die GKV zu einem Nachfragemonopol macht.
Wir fordern ein vielgliedrigeres Kassensystem im Sinne einer individuellen Patientenversorgung.
Wir lehnen Vergütungs- und Zuzahlungsdumping für Apotheken ab.
Wir fordern den freien Heilberuf des Apothekers mit einer festen preisneutralen Vergütung und Planungssicherheit.
Wir lehnen kollektive Haftung für Versäumnisse Dritter ab.
Wir unterstützen aktiv Rabattverträge zwischen Arzneimittelherstellern und Krankenkassen.
Wir Apotheker lassen uns nicht zu Arzneimittelkaufleuten mit pharmazeutischem Feigenblatt machen.
Die Zukunft sicherer Arzneimittelversorgung liegt in umfassenden Beratungs-, Betreuungs- und Präventionsangeboten.
Nur als freie Heilberufler werden wir auch künftig dem großen Vertrauen unserer Kunden und ihren persönlichen Erwartungen umfassend gerecht.
Wir fordern die Stärkung der mittelständischen Vielfalt für qualifizierte Arbeitsplätze und sichere Arzneimittelversorgung.
Als freie Heilberufler stehen wir Apotheker für die flächendeckende wohnortnahe Arzneimittelversorgung rund um die Uhr.
Nach den Patienten machten Vertreter von neun Akteuren im Gesundheitswesen in kurzen Statements ihre Kritik an der Gesundheitsreform deutlich. »Die Lage ist bitter ernst, nicht nur für die PKV«, lautete die Einschätzung von Dr. Frank Schulze-Ehring vom Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV). Die Politiker wollten das System von Kopf bis Fuß umstellen, die Freiberuflichkeit von Arzt und Apotheker sei massiv gefährdet. Das neue Reformgesetz sei die Bürgerversicherung durch die Hintertür. Schulze-Ehring räumte ein, dass durchaus Reformbedarf bestehe, aber tragfähige Lösungen gefunden werden müssten.
»Das Wettbewerbsstärkungsgesetz ist die reine Mogelpackung«, so Henning Fahrenkamp, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie. Der Patient werde in Zukunft dadurch vom medizinischen Fortschritt abgeschnitten. Dies zeigten bereits Entscheidungen eines zentralistischen staatsmedizinischen Institutes zu den Analoginsulinen sowie die Verknüpfung der Verordnung innovativer Arzneimittel mit einer Zweitmeinung. Der BPI fordere, dass Arzneimittelinnovationen für alle Patienten zugänglich sind sowie die Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel. Allein eine Halbierung könne 800 Millionen Euro generieren.
»Alles wird komplizierter, aber nichts besser«, konstatierte Joachim Schmitt vom Bundesverband Medizintechnologie. »Wir fordern die uneingeschränkte Aufrechterhaltung des Patientenwahlrechts, eine Vielzahl qualifizierter Leistungserbringer und einen freien und fairen Wettbewerb im Sinne des Patienten.«
»Mindestens die Hälfte des Gesetzes muss gestrichen werden«, lautete das vernichtende Urteil von Hermann Hofmann, Pro Generika. Hofmann kritisierte, dass durch die Zuzahlungsbefreiung ausschließlich auf die ohnehin preiswerten Generika ein erneuter zusätzlicher Preisdruck ausgeübt werde. Pro Generika verlangte, den Sparbeitrag der Generika anzuerkennen und zum Nutzen der Kostenträger und Versicherten weiter auszubauen.
Nullnummer Fonds
»Der geplante Gesundheitsfonds ist eine Nullnummer« sagte Gerhard Schulte vom BKK Landesverband Bayern. Ein Gesundheitsfonds mache auf Basis der vorgelegten Eckpunkte keinen Sinn, da die Einlagen allein von Mitgliedern der GKV beziehungsweise ihren Arbeitgebern eingebracht werden sollen. Einlagen von Privatversicherten und Beamten sowie Steuermittel, die sinnvoll über einen Fonds zu verteilen wären, spielten nach den Plänen der Großen Koalition keine oder nur eine marginale Rolle.
Die Finanzgrundlage der GKV werde durch diesen Fonds nicht verbessert. Falls der Beitragseinzug für alle Sozialversicherungsbeiträge wie vorgesehen zentral organisiert werden sollte, befürchte er, dass dadurch bewährte Strukturen zerstört werden und eine unflexible Mammutbehörde aufgebaut wird.
Nationaler Gesundheitsdienst
»Das ist der maximale Einstieg in einen Nationalen Gesundheitsdienst, bei dem der Gesetzgeber selbst die Leistungsbeschreibung, Gebühren- und Beitragsskala festlegen will«, sagte Dr. Jürgen Weitkamp. Der Präsident der Bundeszahnärztekammer warnte mit Blick auf das vorliegende Eckpunktepapier zur Gesundheitsreform vor einem schwerwiegenden Systembruch. »Entgegen der politischen Beteuerungen werden mit diesem Entwurf Marktmechanismen außer Kraft gesetzt, anstatt sie zu fördern«.
»Der Arzneimittelbereich sollte nicht immer das Sparschwein der GKV sein«, sagte Bernadette Sickendiek, Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels. Als Mittler zwischen pharmazeutischer Industrie und Apothekern betreffe das Arbeitspapier auch den Großhandel. In seiner derzeitigen Form werde der pharmazeutische Großhandel im Hinblick auf die geplanten Rabattverträge mehr und mehr von der Belieferung ausgeschlossen.
»Die Patienten werden zukünftig keinen Zugang mehr zu innovativen Arzneimitteln haben«, zeigte sich auch Dr. Uwe Ernst vom Verband Forschender Arzneimittelhersteller überzeugt. Eine Kosten-Nutzen-Bewertung sei durchaus erstrebenswert, aber nicht seitens eines selbstherrlichen IQWIGs. In diesem Zusammenhang erscheine es konsequent, dass neue innovative Wirkstoffe festbetragsfrei bleiben und dass neue Arzneimittel nach ihrer Zulassung grundsätzlich zu Lasten der GKV verordnungsfähig sind. Zudem müsse der Patient die uneingeschränkte Wahlfreiheit des jeweiligen Leistungserbringers haben.
Man sah ihnen das gute Gefühl an, den Apothekerinnen und Apothekern und den Sympathisanten der deutschen Apotheke. Das gute Gefühl, endlich mit Plakaten und Trillerpfeifen ihrem Unmut Ausdruck verleihen zu können. Endlich aufzubegehren gegen eine Gesundheitspolitik, die keine Rücksicht nimmt auf Gesundheitsversorgung und Versorgungsqualität, sondern nur nach dem politisch Machbaren und der Kostenseite trachtet. Natürlich hat sich manch' einer danach gesehnt, dass der Protest öffentlicher wird, dass mehr Menschen wahrnehmen, wie sich Deutschlands Apothekerinnen und Apotheker fühlen. Wichtig aber ist: Der Anfang ist gemacht. Jetzt geht es darum, Patienten und Versicherte, aber ganz besonders die politisch Verantwortlichen zu erreichen.
Dazu ist es wichtig, dass die Kommunikation mindestens ebenso flächendeckend ist wie die Versorgungsleistung der deutschen Apotheke. Nur dann können solche Protesttage, egal ob im Saal oder draußen, wahrgenommen werden und ihre Wirkung entfalten.
Thomas Bellartz
Leiter der Hauptstadtredaktion