Eingeschränkte Einigkeit |
26.09.2006 14:22 Uhr |
<typohead type="3">Eingeschränkte Einigkeit
In ihren Grußworten sprachen sich Industrie und Großhandel dafür aus, die gute Zusammenarbeit mit den Apothekern weiterzuführen. Doch die Harmonie wurde getrübt: Der BAH lehnt den ABDA-Vorschlag ab, den Apotheker als Verantwortlichen in den Preisverhandlungen einzusetzen.
Bei seinem Statement im Rahmen der Expopharm-Eröffnungsveranstaltung übte der Vorsitzende des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH), Hans-Georg Hoffmann, Kritik an einem aktuellen Vorschlag der ABDA (siehe Kommentar). Die ABDA hatte als Alternative zu den von der Regierung in den bisherigen Arbeitsentwürfen vorgesehenen Preisverhandlungen zwischen Herstellern und Kassen vorgeschlagen, innerhalb dieser Konstruktion dem Apotheker die Rolle des wirtschaftlich verantwortlichen Lenkers zu geben. Hoffmann wehrte sich dagegen: »Der Vorschlag der ABDA wird vom BAH strikt abgelehnt.« Er befürchtet, Preisverhandlungen eröffneten die Möglichkeit, Positivlisten zu erstellen. Und diese seien bislang von den Apothekern wie vom BAH abgelehnt worden. Hoffmann kündigte an, man werde sich auf der politischen Ebene mit allen Mitteln gegen den ABDA-Vorschlag wehren.
Der BAH-Chef wandte sich grundsätzlich gegen Verhandlungen mit den Kassen und kündigte an, dass man dazu nicht bereit sei. Die Industrie sei zu weiteren Rabattgewährungen nicht mehr in der Lage. »Wenn die Industrie keine weiteren Rabatte mehr anbieten kann, kann der Apotheker auch keine weiteren aushandeln«, sagte Hoffmann und stellte klar, die Apotheker würden dann »völlig unberechtigterweise mit einer Art Strafgebühr von 500 Millionen Euro belastet und allein gelassen«.
Trotz der Differenzen sagte Hoffmann Unterstützung zu; die Apotheker könnten selbstbewusst sein und sollten sich ihre Kompetenz nicht streitig machen lassen. Er beklagte die Entwicklung des Selbstmedikationsmarktes seit der GMG-Einführung Anfang 2004. Hier setze man auch auf die Apothekerinnen und Apotheker »als vertrauenswürdige fachliche Berater und als emotionale Stützen der OTC-Kunden«. Niemand anders könne dem Patienten besser als »verlässliche Instanz und Selektionshilfe dienen und ihm die häufig fehlende Absicherung in der Selbstmedikation verschaffen«.
Gemeinsame Wege
»Wir dürfen uns nichts vormachen: Auch in Zukunft wird an allen Ecken und Enden Geld gespart«, sagte Dr. Andreas Barner, Vorstandsvorsitzender des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VFA). Er befürchtet »Staatsmedizin pur« und immer höhere Belastungen bei immer weniger Qualität für die Hersteller und Apotheker, aber auch für die Patienten. Ineffizienz, Milliardendefizite und eine Zwei-Klassen-Medizin prägen seiner Auffassung nach immer noch das deutsche Gesundheitswesen. Den Leistungserbringern drohe größtes Ungemach. Apotheker und Arzneimittelhersteller müssten auch nach einem neuerlichen Gesetz wieder die Hauptlast tragen. Barner: »So kann und darf es in der deutschen Gesundheitspolitik nicht weitergehen.« Der Arbeitsentwurf aus dem Gesundheitsministerium drohe, die Marktpreisbildung für Innovationen vollends abzuschaffen. »Nun sollen auch noch die Medikamente, die sich nicht in Festbetragsgruppen einordnen und dann mit Festbeträgen belegen lassen, in ein GKV-Preiskorsett gezwungen werden.«
Apotheker und Arzneimittelhersteller seien sich einig, dass Arzneimittel vor allem unter Qualitätsgesichtspunkten gesehen werden müssten. Deshalb müsse das gemeinsame Ziel sein, den Nutzen guter Arzneimittel zu vermitteln. Auch wenn der Wind einem scharf ins Gesicht weht, müsse die Botschaft lauten: »Preiswerte Arzneimittel sind nicht in jedem Fall billige Medikamente.«
Barner kritisierte die Entwicklungen bei der Verblisterung von Arzneimitteln und im Fall DocMorris. Apotheker und Hersteller dürften sich jetzt nicht auseinanderdividieren und übervorteilen lassen »im immer härter werdenden Verteilungskampf. Wir müssen uns auf unsere Gemeinsamkeiten besinnen und diese formulieren.«
Mehrwertsteuer belastet Patienten
Auch der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) sieht weiterhin mit »großer Sorge« auf das geplante Reformgesetz inklusive Höchstpreise und Kosten-Nutzen-Bewertung. Eine der zentralen Forderungen der Wirtschaftsinstitute und Industrieverbände werde nicht erfüllt: »Mit den angestrebten Änderungen findet keine Abkopplung der GKV- Beiträge von den Lohnkosten statt.« Stattdessen werden zusätzliche Zwangsregulierungen auf die Apotheker und die Pharmaindustrie zukommen, während die Politik »monopolistisch über die medizinischen Versorgungsstrukturen« verfügt, kritisierte der stellvertretende BPI-Vorsitzende Professor Dr. Michael Popp. Die geplanten strukturellen Veränderungen stellten die patientengerechte medizinische Versorgung infrage und verschärften die Zwei-Klassen-Medizin. »Schon heute führt der Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus der Erstattung zu einer massiven finanziellen Zusatzbelastung des Patienten.« Mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer im kommenden Jahr werde diese noch verstärkt. Der BPI fordere daher erneut, die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel zu senken, wie in den meisten Teilen Europas bereits geschehen. Auf diese Weise würde der Patient entlastet und die Kassen könnten rund 1,7 Milliarden Euro einsparen.
Die weiteren Kostendämpfungsmaßnahmen werden Popp zufolge über den Preisdruck das Ende vieler kleinerer und mittlerer Unternehmen und nachfolgend wieder steigende Generikapreise heraufbeschwören. Darüber hinaus warnte der BPI-Vize davor, das »bewährte Arzneimitteldistributionssystem« mit der Aufgabenteilung zwischen Arzneimittelhersteller, pharmazeutischem Großhandel und der Apotheke zu verändern. Der pharmazeutische Mittelstand benötige die Vertriebslogistik des Großhandels ebenso wie der Patient die Apotheke »als verlässlichen Partner« brauche. »Die Apothekenpflicht und Apothekenexklusivität sind aktiver Verbraucherschutz«, sagte Popp und sprach sich für den Erhalt des Fremd- und Mehrbesitzverbots aus.
Vollversorger gefährdet
Ein Absenken der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel und den Erhalt des derzeitigen Distributionssystems fordert auch der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro). Die stattdessen geplanten, im Widerspruch zum AVWG stehenden Einzelmaßnahmen wiesen »versteckte Nebenwirkungen« auf, die »funktionierende Systeme so destabilisieren, dass höhere Gesamtkosten die zwangsläufige Folge sind«, sagte Ulrich von der Linde. Der stellvertretende Phagro-Vorsitzende machte deutlich, dass der Großhandel das AVWG »noch bei weitem nicht verdaut« habe. Preissenkungen, Lagerwertverluste und der Wegfall zusätzlicher Ertragsquellen hätten zu massiven Ergebniseinbrüchen geführt.
Nun würden die geplanten Maßnahmen den Großhandel in seiner Rolle als herstellerneutraler Vollversorger »massiv bedrohen«: Hersteller würden sich vermehrt auf die Direktbelieferung verlegen, da die Nutzung von Lieferdaten zu verschreibungspflichtigen Medikamenten radikal eingeschränkt werde. Weitere Vertriebswege, die die klassische Distribution umgehen und damit auf Dauer gefährden, seien absehbar, sagte von der Linde und verwies auf den Sprechstundenbedarf, die Arzneimittelabgabe im stationären Bereich und die Hilfsmittel-Ausschreibung. »Davon werden sowohl Großhandel als auch Apotheken betroffen sein«, prognostizierte von der Linde und machte deutlich, dass die Therapiefreiheit der Ärzte und der erwünschte Preis- und Qualitätswettbewerb vom Prinzip der Vollversorgung abhängen.
Die Grußworte der Industrie auf der Eröffnungsveranstaltung zur Expopharm haben deutlich gemacht, dass die Industrie unisono Preisverhandlungen jeglicher Art ablehnt. Sie könnten auch keine Rabatte mehr verteilen, weil sie nichts zu verteilen hätten. Bei zweistelligen Renditen fällt es schwer, das zu glauben.
Damit hat die Industrie eine deutliche Absage an die Apotheker gerichtet, sie in irgendeiner Weise als neutrale Sachwalter von Rabattvereinbarungen zwischen Herstellern und Krankenkassen anzunehmen. Mit anderen Worten: Apotheker seht zu, wie ihr die 500 Millionen Euro einspart. Wir helfen euch nicht. Einen gesetzlichen Zwang werde man mit allen Mitteln bekämpfen.
Mit der gleichzeitig in den Grußworten beschworenen Partnerschaft hat das nichts zu tun. Auf Hilfe aus der Industrie bei der Findung einer sinnvollen Ersatzlösung für die 500-Millionen-Haftung können die Apotheker jedenfalls nicht hoffen.
Professor Dr. Hartmut Morck
Chefredakteur