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Kartellamt

Millionenstrafe für Pharmagroßhändler

04.09.2006  11:51 Uhr

Kartellamt

<typohead type="3">Millionenstrafe für Pharmagroßhändler

Von Thomas Bellartz

 

Die Pharmagroßhändler Phoenix, Gehe, Anzag und Sanacorp und deren Führungspersonal haben böse Briefe vom Bundeskartellamt bekommen. Bußgelder von rund 2,6 Millionen Euro verhängte die Behörde. Die Signalwirkung dürfte auch politischer Natur sein.

 

Als in Mannheim, Frankfurt, Stuttgart und München die Briefe aus Bonn eingetroffen waren, wussten einige längst, was sie erwartete. Das Bundeskartellamt und insbesondere dessen Leiter Dr. Ulf Böge hatten sich die pharmazeutischen Großhändler vorgeknöpft. Der Zahlungsaufforderung waren bereits im Jahr 2003 Durchsuchungen von Büros und Privatwohnungen vorausgegangen. Seitdem hatte die Angelegenheit im Stillen weiter gegoren. Das Amt hatte die umfangreichen Unterlagen gesichtet und offenbar genügend Material gefunden, um den Unternehmen eine deftige Strafe aufzubürden. Dabei hatten die Beteiligten bereits vor drei Jahren abgewiegelt und jede Schuld von sich gewiesen. Von Preisabsprachen oder Ähnlichem könne keine Rede sein, hieß es damals.

 

Das Bundeskartellamt sieht das freilich anders. Auch wenn nicht übersehen werden sollte, dass auch diesmal wieder eine ganz andere Komponente eine Rolle zu spielen scheint. Nach den Durchsuchungen hatte das Kartellamt einige Monate später vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe beim Übernahmeverfahren Sanacorp/Anzag Zusammenhänge herstellen wollen ­ nicht ohne Erfolg. Die Genossenschaft Sanacorp bemüht sich seit Jahren darum, den Konkurrenten aus Frankfurt zu übernehmen. Und das Kartellamt seinerseits tut das Seinige, um genau diese Übernahme zu verhindern. Dieses für alle Beteiligten ermüdende Verfahren findet in diesem Monat, drei Wochen nach der Veröffentlichung des Bußgeldbescheids für die Großhändler, in einer entscheidenden Verhandlung, die für den 20. September 2006 in Düsseldorf am dortigen Oberlandesgericht terminiert ist, seinen vorläufigen Höhepunkt. Dieser Termin ist richtungsentscheidend und dürfte der vorletzte Schritt sein in der Geschichte Anzag-Sanacorp. Denn das Ergebnis dürfte bereits bei der Verhandlung unüberhörbar sein, die Urteilsverkündung im Oktober ist dann nur noch Formsache. Die Zusammenhänge sind insgesamt frappierend: An der Anzag hält Sanacorp knapp 25 Prozent; eine so genannte Call-Option der Sanacorp teilen sich zurzeit Phoenix und Celesio.

 

Das Bundeskartellamt teilte am vergangenen Freitag mit, dass gegen vier Pharmagroßhändler und gegen sieben persönlich Verantwortliche »Bußgelder wegen kartellrechtswidriger Absprachen in Höhe von insgesamt rund 2,6 Millionen Euro« verhängt worden seien. Die Vorgeschichte dürfte nicht nur den Grossisten, sondern besonders auch den Apotheken durchaus geläufig sein. Anfang 2003 hatte sich die Anzag demnach zu einer so genannten »Vorwärtsstrategie« entschlossen, um den Marktanteil auszubauen. Im Rahmen dieser Strategie erhöhte Anzag die den Apothekern gewährten Rabatte. Es kam zu einem Preiskampf zwischen den Großhändlern.

 

Nach einem Wechsel im Vorstand habe sich Anzag Mitte 2003 entschlossen, den in der Branche als »Rabattschlacht« bezeichneten Preiskampf zu beenden. Dazu sei mit den drei anderen großen bundesweit tätigen Pharmagroßhändlern Phoenix, Gehe und Sanacorp vereinbart worden, die von Anzag im Zuge der »Vorwärtsstrategie« gewonnenen Marktanteile wieder auf die drei Pharmagroßhändler zu verteilen. Auf regionaler Basis wurden laut Kartellbehörde daher so genannte »Saldenlisten« ausgetauscht. In diesen wurde aufgelistet, wie viele Apotheken mit welchem durchschnittlichen Monatsumsatz in der betreffenden Region von Anzag zu dem jeweiligen Wettbewerber gewechselt waren und umgekehrt. Die Differenz sollte in der Weise ausgeglichen werden, dass Anzag Apotheken mit einem entsprechenden Einkaufsvolumen ungünstige Einkaufskonditionen gewährt, um den Apotheker zu veranlassen, zu dem jeweiligen Absprachepartner zu wechseln. Auf diese Weise sollte die Marktruhe wiederhergestellt, der Rabattwettbewerb beendet und die Marktanteile auf den Stand vor der Zeit der »Vorwärtsstrategie« gebracht werden.

 

Böge erklärte, man habe »keine Zweifel an der vorsätzlichen Absprache der beschuldigten Pharmagroßhändler«. Es handele sich um ein Quotenkartell an der Grenze zu einem Preiskartell, der schärfsten Form der Wettbewerbsbeschränkung. Das Kartellamt erinnerte an die Geldbußen aus den Jahren 1990/1991 wegen ähnlicher Absprachen. Die Absprachen seien auf der Führungsebene initiiert worden. Da für die Bußgeldbemessung das zum Zeitpunkt des Kartellverstoßes geltende Gesetz angewendet werden musste und ein kartellbedingter Mehrerlös letztlich nicht mit der notwendigen Sicherheit festgestellt werden konnte, »fielen die Bußgelder vergleichsweise milde aus«.

 

Gegen die Bußgeldbescheide können die Betroffenen beim OLG Düsseldorf (dort wird auch die Angelegenheit Anzag/Sanacorp verhandelt) Einspruch einlegen. Bei Gehe und der Anzag sei man sich keiner Schuld bewusst, hieß es. Insgesamt hielten sich die Großhandlungen mit Kommentaren zu dem laufenden Verfahren zurück.

Kommentar: Große Einheiten

Für deutsche Pharmagroßhändler ist die Auseinandersetzung mit Kartellbehörden beinahe Gewohnheit. Die Sanacorp streitet sich seit Jahren mit den Bonner Wettbewerbshütern und auch die internationalen Konzerne Celesio und Phoenix kennen Kartellbehörden und deren Interessen. Lassen wir außen vor, dass das Kartellamt mit Sicherheit bei der Veröffentlichung seiner Bußgeldbescheide auch das Verfahren Sanacorp/Anzag im Blick hatte. Denn die Veröffentlichung wirft den Spot auf die aktuelle Gesundheitspolitik. Denn die »großen Einheiten«, die sich mancher herbeisehnt, sind nicht zwingend dazu angetan, Wettbewerb zu fördern. Passt den wenigen, die Märkte kontrollieren, der Wettbewerb nicht mehr in den Kram, können sie ihn ausschalten. Das wäre beim Fremdbesitz nicht anders. Die Politik wird die Meldung des Kartellamts wohl auch diesbzüglich zur Kenntnis nehmen.

 

Thomas Bellartz

Leiter der Hauptstadtredaktion

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