Krebs durch Viren und Bakterien |
| 30.08.2011 14:45 Uhr |
Von Hannelore Gießen, Lindau / Jeder fünften Tumorerkrankung weltweit liegt eine Infektion mit Mikroorganismen zugrunde. Die Infektion ist meist eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Krebsentstehung.
Neben humanen Papillomaviren (HPV) sind auch die Erreger von Hepatitis B und C sowie das Epstein-Barr-Virus an der Krebsentstehung direkt beteiligt, erläuterte Professor Dr. Harald zur Hausen vom Deutschen Krebsforschungszentrum beim jährlichen Treffen von Nobelpreisträgern mit Nachwuchswissenschaftlern in Lindau. Der Wissenschaftler wurde vor drei Jahren für seine Forschung an humanen Papillomaviren, die er als Mitverursacher von Gebärmutterhalskrebs entlarvte, mit dem Nobelpreis geehrt. Auf der Basis seiner Forschung wurde ein Impfstoff entwickelt, auf den der Virologe große Hoffnungen setzt. »Wir können es im Prinzip sogar schaffen, HPV-induzierte Tumoren vollständig auszurotten«, sagte zur Hausen in Lindau. »Doch dazu müssen weltweit über einen längeren Zeitraum nicht nur Mädchen, sondern auch Jungen vor dem ersten Sexualkontakt geimpft werden. Papillomaviren werden ganz überwiegend auf diesem Weg übertragen.«
Eine Infektion mit Hepatitis B oder C könne nach Jahren eine maligne Entartung von Leberzellen nach sich ziehen, warnte zur Hausen. Das zu den Herpesviren zählende Epstein-Barr-Virus begünstige das Entstehen eines vor allem in Afrika auftretenden Burkitt-Lymphoms. Nur gegen das Hepatitis-B-Virus ist bisher ein Impfstoff verfügbar, der das Risiko für Leberkrebs deutlich senkt. Andere Infektionen tragen indirekt zum Entstehen von Krebs bei. Das Humane Immundefizienz-Virus (HIV) unterdrückt die Immunabwehr und leistet so Infektionen mit potenziell kanzerogenen Erregern Vorschub, wie beispielsweise beim Kaposi-Sarkom durch das Humane Herpesvirus Typ 8 (HHV-8). Aus der Gruppe der bakteriellen Erreger ist Helicobacter pylori am Entstehen eines Magenkarzinoms beteiligt.
Viele Viren nisten sich im Körper ein und verbleiben dort, ohne Symptome zu verursachen. Da Viren von sich teilenden Wirtszellen abhängig sind, um sich zu vermehren, haben einige von ihnen Mechanismen entwickelt, die deren Wachstumskontrolle unterlaufen und den programmierten Zelltod verhindern. Manche Viren bauen ihr Erbgut auch in das der Wirtszelle ein und zerstören dabei die Gene, die diese normalerweise vor unkontrollierter Zellteilung schützen.
»Eine Infektion mit pathogenen Erregern ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für eine Tumorerkrankung«, machte der Virologe deutlich. Auch wenn Viren bei der Entstehung mancher Krebsarten eine mehr oder weniger wichtige Rolle spielen können, so ist die Virusinfektion nie der alleinige Auslöser für eine Krebserkrankung. Erst wenn zu einer Infektion andere Faktoren wie eine chronische Entzündung kommen, die genetische und epigenetische Veränderungen der Wirtszelle hervorrufen, kann dies schließlich zu einer malignen Entartung von Geweben führen.
Ernährung und Krebsrisiko
Auch andere Tumorerkrankungen sind inzwischen ins Visier der Forscher geraten: Seit einiger Zeit werde vermutet, dass der häufige Verzehr von rotem Fleisch ein Risikofaktor für bestimmte Krebsarten sei, berichtete zur Hausen. Vor allem Darmkrebs, aber auch Brust- und Lungenkrebs, werden mit dem Genuss von Rindfleisch in Verbindung gebracht. Zur Hausen zeigte anhand einer Grafik, dass die Darmkrebsrate in Indien, wo Kühe kaum verzehrt werden, deutlich niedriger ist als in Ländern, in denen Rindfleisch reichlich genossen wird.
In Ländern, in denen vor allem Fisch und Geflügel gebraten und gegrillt werden, treten weniger kolorektale Tumoren auf als in Kulturen, die bevorzugt – oftmals nicht vollständig durchgebratene – Rindersteaks konsumieren. In Japan und Korea steht erst in den letzten Jahrzehnten vermehrt Rindfleisch auf der Speisekarte. Seither sei die Zahl der Erkrankungen stark gestiegen, berichtet zur Hausen.
Bisher schreibt man die erhöhten Krebsraten hauptsächlich Kanzerogenen wie heterozyklischen Aromaten, die beim Braten und Grillen entstehen, zu. Die Forschungsgruppe um zur Hausen spürt nun der Frage nach, ob auch Viren bei der malignen Entartung eine Rolle spielen. »Wir halten es für denkbar, dass es hitzeresistente pathogene Erreger gibt, wie Papilloma- und Polyomaviren oder einzelsträngige DNA-Viren, die in Interaktion mit chemischen Faktoren kanzerogen wirken können. Hinweise gibt es dazu. Doch auch wenn wir eine deutliche Korrelation sehen, wissen wir noch nicht, ob der Zusammenhang kausal ist«, sagte zur Hausen im Gespräch mit der PZ. In der Vergangenheit habe man zu sehr nach chemischen, biologischen und physikalischen Noxen unterschieden. Nun käme es darauf an, diese Faktoren zusammen zu betrachten, um ihren Interaktionen auf die Spur kommen. /