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Typ-2-Diabetes

Arrivederci Avandia?

20.07.2010  17:58 Uhr

Von Sven Siebenand / Glinide und Glitazone machen mal wieder Schlagzeilen. Und es sind nicht die besten. Nachdem der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) im Juni einen weitgehenden Verordnungsausschluss zulasten der Krankenkassen beschlossen hat, stand in den USA die komplette Zulassung von Rosiglitazon auf der Kippe. Auch die EU beschäftigt sich gerade mit diesem Thema.

Glinide und Glitazone können bei Typ-2-Diabetikern künftig nur noch in medizinisch begründeten Einzelfällen zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnet werden. Dies hat der GBA im Juni beschlossen und damit entsprechende Nutzenbewertungen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) umgesetzt. Um Patienten sowie Ärzten ausreichend Zeit zur Umstellung der Medikation zu geben, hat sich der GBA auf eine angemessene Frist bis zum Inkrafttreten der Beschlüsse nach der Nichtbeanstandung durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) verständigt.

Bei der Bewertung der Glinide führte der nicht belegte Nutzen zu dem Verordnungsausschluss. Typ-2-Diabetiker mit schweren Nierenfunktions­störungen bilden die Ausnahme. Für diese kön­nen Ärzte den Wirkstoff Repaglinid weiterhin ver­ord­nen. Bei der Nutzenbewertung der Glitazone war das deutlich belegte Schadenspoten­zial Grund für den Verordnungsausschluss. Studien zufolge kann die Behandlung mit Glitazonen sowohl zu Knochenbrüchen als auch zu gravie­ren­der Herzschwäche führen, so der GBA. »Wir sind der Auffassung, dass Patienten sowohl vor nutzlosen als auch vor schädlichen Therapien geschützt werden müssen«, so der GBA-Vorsitzende Dr. Rainer Hess.

 

In den USA hat der Insulinsensitizer Rosiglitazon (Avandia®) mittlerweile einen Stammplatz in den Medien. Zunächst hatte die »New York Times« den Hersteller Glaxo-Smith-Kline (GSK) an den Pranger gestellt. Einem Artikel zufolge wusste GSK seit 1999 durch eine eigene Studie, dass mit dem Glitazon Herzinfarktrisiken verbunden waren. Doch GSK habe geschwiegen, weil das Präparat guten Umsatz brachte. Die Zeitung berief sich auf Unterlagen, die ihr vorlagen. Eine Sprecherin von GSK bestritt die Vorwürfe.

 

Zulassung von Rosiglitazon in Gefahr

 

Vergangene Woche beriet in den USA zudem ein 33-köpfiges Gremium der US-Gesundheitsbehörde FDA darüber, ob Rosiglitazon weiterhin auf dem Markt bleibt. Fazit: Voraussichtlich wird es bleiben dürfen, jedoch äußerten die Experten starke Bedenken gegen das Medikament. Auch hier geht es darum, dass das Mittel im Ruf steht, Herzinfarkte zu begünstigen. Das Gremium stellte in einer mehrstündigen Sitzung fest, dass Rosiglitazon gegenüber dem konkurrierenden Wirkstoff Pioglitazon größere Risiken aufweist (21:4-Entscheidung bei acht Enthaltungen). In der abschließenden Abstimmung reichte die Zahl der Stimmen für eine Verbotsempfehlung aber nicht aus. Nur 12 stimmten dafür, 20 entschieden sich dagegen. Üblicherweise folgt die FDA den Empfehlungen ihrer Gremien. Die Experten forderten stattdessen Einschränkungen und stärkere Warnhinweise. Auch von den 20 Personen, die sich gegen die Verbotsempfehlung ausgesprochen hatten, verlangten das 17.

 

Wird es weitere Negativschlagzeilen geben? Möglich ist das, denn vom 19. bis 22. Juli wird die europäische Arzneimittelbehörde EMA darüber beraten, ob Rosiglitazon in der EU weiter vertrieben werden darf. Davon wären nicht nur das Präparat Avandia, sondern auch die Kombinationsmittel Avandamet® (Rosiglitazon plus Metformin) und Avaglim® (Rosiglitazon plus Glimepirid) betroffen.

 

Wie gehts mit Pioglitazon weiter

 

Ärger von der EMA droht dem Pioglitazon-haltigen Konkurrenzpräparat Actos® nicht. Im Gegenteil: Erst Anfang Juni erließ die EMA eine positive Opinion für die Verlängerung der Zulassung. Der GBA-Beschluss vom 17. Juni zu den Glitazonen löst jedoch »blankes Entsetzen« bei Konstantin von Alvensleben, Geschäftsführer von Actos-Hersteller Takeda Pharma, und Kopfschütteln bei vielen Experten aus. Zwei Monate hat das BMG insgesamt Zeit, den Beschluss zu beanstanden, zu kippen oder ihm zuzustimmen. Für den Fall, dass das BMG komplett stillhält und gar nicht interveniert, wird der Beschluss im Bundesanzeiger veröffentlicht und Glitazone wären dann ab Januar 2011 nicht mehr verordnungs- und erstattungsfähig. Auf einer Pressekonferenz von Takeda Pharma in Köln kritisierte deren Leiter Medizin, Dr.  Reinhold Hübner, dass sich der GBA bei seiner Entscheidung auf das Schadenspotenzial beschränkt und den Nutzen von Pioglitazon komplett ausgeblendet habe. Und das obwohl auch das vom GBA beauftragte IQWiG Belege und Hinweise für einen Nutzen attestiert ­hatte.

 

Nicht nur Takeda Pharma, auch viele Experten sind der Auffassung, dass der GBA eine Fehlentscheidung getroffen hat. So zum Beispiel der Direktor am Herzzentrum der Universität Köln, Professor Dr. Erland Erdmann. »Wenn 70 Prozent aller Typ-2-Diabetiker an Herzinfarkt und Schlaganfall sterben und ein Antidiabetikum in der PROactive-Studie einen kombinierten Endpunkt aus Tod, Herzinfarkt und Schlaganfall senken kann, dann ist es in der Diabetestherapie unverzichtbar«, so Erdmann. Auch die Begründung des GBA, dass der mögliche Schaden durch Herzinsuffizienzen den Nutzen überwiege, kann der Kardiologe nicht nachvollziehen. In der PROactive-Studie seien zwar mehr Patienten unter Pioglitazon mit der Diagnose »Herzinsuffizienz« stationär behandelt worden, die Gesamtsterblichkeit infolge einer Herzinsuffizienz sei jedoch nicht erhöht gewesen. Erdmann warnte zudem davor, alle Glitazone in einen Topf zu werfen. So würde er sich für die Marktrücknahme von Rosiglitazon aussprechen, Pioglitazon sei aber als Therapieoption unverzichtbar. Erst kürzlich habe eine in »JAMA« veröffentlichte Studie (doi: 10.1001/jama.2010.920) nochmals gezeigt, dass Glitazon nicht gleich Glitazon ist und klare Vorteile von Pioglitazon gegenüber Rosiglitazon herausgestellt. Unter anderem erhöhe Pioglitazon das HDL-Cholesterol und senke die Triglyceride. Rosi-glitazon tut dies nicht.

 

Wie kommt es, dass es bei den beiden Insulinsensitizern offenbar doch kleine, aber feine Unterschiede gibt? Erdmann zufolge ist das unterschiedliche Ausmaß von Genexpressionen zu einem Großteil für diese Unterschiede verantwortlich. / 

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