Keine falsche Hoffnung wecken |
04.06.2013 17:36 Uhr |
Lungenkrebs ist weltweit einer der häufigsten malignen Tumoren. Jährlich erkranken etwa 1,35 Millionen Menschen und 1,2 Millionen sterben daran. Trotz vieler Fortschritte, auch dank molekulargenetischer Analysen, ist die Prognose der Patienten infaust.
»Lungenkrebs wird sehr häufig erst im fortgeschrittenen Stadium entdeckt, wenn eine kurative Operation nicht mehr möglich ist«, informierte Professor Dr. Georg Maschmeyer vom Tumorzentrum Potsdam. Insgesamt gesehen überleben nach Diagnosestellung weniger als 20 Prozent der Patienten länger als fünf Jahre.
Lungenkrebs wird häufig erst spät entdeckt und ist dann in der Regel nicht mehr heilbar.
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Die histologische Einteilung und das Tumorstadium sind ausschlaggebend für die Therapie. Diese müsse immer multimodal und interdisziplinär erfolgen, betonte der Onkologe. Mehr als drei Viertel der Tumoren sind nicht kleinzellige Lungenkarzinome (NSCLC), davon wiederum sind 25 bis 30 Prozent Plattenepithel-Karzinome. Chirurgische Resektion und Chemotherapie sind meist Standard. Etwa die Hälfte der Patienten werde bestrahlt. In der primären Chemotherapie werden in der Regel Platinderivate und Vincaalkaloide oder Gemcitabin eingesetzt. Dennoch leben laut Maschmeyer nur 25 bis 30 Prozent der Patienten im Stadium II noch nach fünf Jahren.
Bei den NSCLC vom Typ des Adenokarzinoms hat die molekulargenetische Forschung zu zielgerichteten Therapien geführt. So wurden beispielsweise aktivierende Mutationen im epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR), KRAS-Onkogen und BRAF sowie ein EML4-ALK-Fusions-Onkogen nachgewiesen. Diese Veränderungen fachen vereinfacht gesagt ein unkontrolliertes Zellwachstum an und sind daher ein gutes Ziel für spezifische Tyrosinkinase-Hemmstoffe (TKI). So zeigte Gefitinib im Vergleich zu Carboplatin/Paclitaxel in einer Studie einen hochsignifikanten Vorteil im progressionsfreien Überleben (PFS) – aber nur bei Patienten mit Mutation im EGFR. Bei allen anderen schnitt der TKI deutlich schlechter ab. Gefitinib und Erlotinib dürfen daher nur bei Trägern dieser Mutation eingesetzt werden.
Maschmeyer berichtete von einer Studie mit dem TKI Afatinib, die beim amerikanischen Krebskongress ASCO 2012 vorgestellt wurde. Afatinib hemmt irreversibel EGFR sowie HER2 und HER4. Patienten mit aktivierender EGFR-Mutation hatten unter Afatinib ein deutlich längeres PFS als unter Cisplatin/ Pemetrexed.
Bei 2 bis 7 Prozent der NSCLC-Patienten ist das EML4-ALK-Fusions-Onkogen nachweisbar. Hier setzt der orale ALK-Inhibitor Crizotinib an. ALK-positive Patienten hatten ein »dramatisch besseres« PFS mit Crizotinib als unter Pemetrexed/Docetaxel, so Maschmeyer. Dennoch habe das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen Crizotinib keinen Zusatznutzen zuerkannt.
Trotz dieser Erfolge: Maschmeyer warnte eindringlich vor Totalgenomanalysen und »Testorgien« bei Krebspatienten, die meist mit vorschnellen Hoffnungsversprechen verbunden seien. Das Genom einer Krebszelle beim NSCLC könne bis zu 22 000 Mutationen enthalten, »aber welche sind relevant?«. Zudem gebe es für viele Mutationen keine Therapie. Der Onkologe sprach sich dagegen aus, nach einem Mutationstest automatisiert eine zielgerichtete Therapie einzuleiten. Zudem könne die Blockade von Signalwegen das Tumorwachstum eine Weile, aber nicht dauerhaft bremsen.
Wenig Neues bei kleinzelligen Tumoren
Im Gegensatz zum NSCLC gebe es bei kleinzelligen Tumoren (SCLC) kaum therapeutische Fortschritte, konstatierte Maschmeyer. Diese Tumoren metastasieren sehr rasch, vor allem in Leber und Nebenniere, sodass eine Operation fast nie in Betracht kommt. Etwa 70 Prozent der Patienten erhalten eine Chemotherapie, meist Etoposid plus Carbo- oder Cisplatin. Eine Dreierkombination mit Topotecan habe in der Primärtherapie keinen Vorteil gebracht. In zweiter Linie werden meist Topotecan, Cyclophosphamid, Epirubicin und Vincaalkaloide in Kombination eingesetzt. Mehr als die Hälfte der Patienten wird bestrahlt. Doch auch wenn sie gut auf die Therapie ansprechen, sei die Prognose schlecht, räumte der Referent ein.
Eine Phase-III-Studie mit Amrubicin versus Irinotecan, jeweils in Kombination mit Cisplatin, sei im letzten Jahr abgebrochen worden, da das Überleben im Amrubicin-Arm deutlich schlechter war. Erfolg versprechender verlief eine Phase-II-Studie mit Patienten mit ausgedehntem SCLC, die als Zweitlinientherapie den löslichen VEGF-Antagonisten Aflibercept plus Topotecan bekamen. Unter der Kombination hatten die Patienten ein signifikant längeres PFS als unter Topotecan allein, überlebten aber insgesamt nicht länger.