Pharmazeutische Zeitung online
Multimorbidität und Multimedikation

Gratwanderung notwendig

04.06.2013  16:55 Uhr

In der Praxis sind multimorbide Patienten mittlerweile eher Regel als Ausnahme. Ihre Behandlung stellt eine große Herausforderung dar. Es gilt, die Balance zwischen unangemessener Übertherapie auf der einen und Untertherapie bezüglich eindeutig nützlicher Therapien auf der anderen Seite zu finden.

Definiert sei der Begriff Multimorbidität als das gleichzeitige Vorkommen mehrerer chronischer Erkrankungen in einem Patienten, erklärte Professor Dr. Marjan van den Akker aus Maastricht. Dabei bestehe zwischen den Erkrankungen nicht notwendigerweise ein Kausalzusammenhang. Die einzelnen Krankheiten könnten sich aber gegenseitig beeinflussen oder verschlechtern. So erhöhe die Multimorbidität die Krankheitsbelastung und die Komplexität des Pa­tienten.

Studienergebnisse zeigten, dass die Multimorbidität in der Bevölkerung mittlerweile epidemische Ausmaße erreicht habe, sagte die Allgemeinmedizinerin. Die Prävalenz steige zwar mit dem Alter, sie beschränke sich aber nicht auf ältere Generationen. Eine Datenerhebung in den Niederlanden zeige, dass inzwischen die meisten Menschen im Alter von 40 bis 60 Jahren davon betroffen seien. Im Jahr 2040 werde auch die relative Prävalenz in dieser Altersgruppe am höchsten sein, so die Prognose. Häufiger betroffen seien Frauen sowie einkommensschwache Menschen und Personen mit niedrigerem Bildungsgrad. Klinische Studien spiegelten diese Situation jedoch nicht wider. »Studienpopulationen zeigen eine viel niedrigere Prävalenz von Multimorbidität als die Realität«, so van den Akker. »Es ist fraglich, ob sich die Ergebnisse überhaupt in die Praxis übertragen lassen.«

 

Multimorbidität habe in der Praxis viele Konsequenzen, sowohl für den Patienten als auch für Ärzte, Pflege­personal und Apotheker. Die Patienten seien oft bei mehreren Ärzten in Behandlung, auch die Zahl der Krankenhausaufenthalte steige mit der Zahl der Erkrankungen. Zudem bedinge die Multimorbidität eine Multimedikation, die sich wiederum negativ auf die Adhärenz des Patienten auswirke, so van den Akker. Folgen für den Patienten seien eine niedrige Lebensqualität sowie eine erhöhte Mortalität.

 

»Multimorbide Patienten sind komplexe Patienten«, betonte van den Akker. Ihre Behandlung sei oftmals schwierig, vor allem weil evidenz­basierte Therapieleitlinien nur für jede einzelne Erkrankung existierten und diese keine Empfehlungen für die Behandlung multimorbider Patienten und möglicher Interaktionen zwischen den Erkrankungen enthielten.

 

Paradoxon Untertherapie

 

Die Multimedikation stelle eine weitere Herausforderung bei der Therapie multimorbider Patienten dar. Häufig nehmen die Betroffenen fünf oder mehr Arzneimittel dauerhaft ein. 6 bis 17 Prozent aller Krankenhauseinweisungen von Menschen über 65 Jahren seien auf Arzneimittelnebenwirkungen zurückzuführen, viermal so viel wie bei jungen Menschen. 70 bis 90 Prozent dieser Nebenwirkungen seien jedoch vermeidbar. Die Medikamentenliste enthalte meist kontra­indizierte oder überflüssige Arzneimittel, Arzneistoffe ohne klare Indikation oder Medikamente gegen die Nebenwirkungen eines anderen Arzneimittels, erklärte van den Akker. In einigen Fällen bekomme der Patient jedoch auch zu wenige Medikamente, vor allem die Schmerz­medikation sei häufig unzureichend. Hinzu komme, dass die Körperzusammensetzung im Alter verändert ist. Dies beeinflusse Pharmakokinetik und -dynamik der Arzneistoffe, so van den Akker.

 

Die Medizinerin forderte, jeden multimorbiden Patienten individuell zu behandeln. Wichtig seien dabei auch die Prioritäten und Ziele des Patienten. Bei einer eingeschränkten Lebenserwartung sei es beispielsweise vorrangig, die Symptome des Patienten zu lindern. Hat der Patient hingegen eine höhere Lebenserwartung, könnten auch längerfristige oder präventive Therapien zum Einsatz kommen. Arzt und Patient sollte jedoch bewusst sein, dass sich oft nicht alle gewünschten Ergebnisse gleichzeitig realisieren ließen.

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.
THEMEN
Alter

Mehr von Avoxa