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14.05.2014  09:59 Uhr

Seit Jahren kennt die Gewichtsentwicklung der deutschen Bevölkerung nur eine Richtung: nach oben. »Der durchschnittliche Deutsche hat schon lange kein gesundes Körpergewicht mehr«, sagte Professor Dr. Matthias Blüher von der Universität Leipzig bei einem von Cheplapharm ausgerichteten Symposium am Rand der Jahrestagung der Deutschen Adipositas-Gesellschaft in Potsdam. Meistens ist eine Verhaltensumstellung hin zu mehr Bewegung und einer geringeren Kalorienaufnahme, die die Basis jeder Adipositas-Therapie bildet, höchstens vorübergehend von Erfolg gekrönt. »Typischerweise erreicht man mit solchen Interventionen eine rasche Gewichtsabnahme, aber nur die wenigsten Patienten schaffen es, dauerhaft das niedrigere Körpergewicht zu halten«, berichtete Blüher.

 

Begrenzte Effekte

 

Zudem beträgt das Ausmaß der Gewichtsreduktion, das mit Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie erreichbar ist, nur bescheidene 3 bis 5 Prozent des Ausgangswerts. Eine chir­urgische Magenverkleinerung führt demgegenüber zwar zu einem durchschnittlichen Gewichtsverlust von 25 bis 30 Prozent. Doch diese Eingriffe sind nicht ohne Risiko. »Die Pa­tienten bleiben auch nach der Operation unsere Patienten«, sagte Blüher. Direkte Operationskomplikationen stehen dabei weniger im Vordergrund als vielmehr die Langzeitrisiken wie Mangelversorgung, Osteoporose, Faltenbildung und psychologische Probleme.

 

Es besteht also ein Bedarf an wirksamen Pharmakotherapeutika zur Unterstützung der Gewichtsreduktion. Nachdem Rimonabant aufgrund eines erhöhten Suizidrisikos und Sibutramin wegen eines Anstiegs des kardiovaskulären Risikos vom Markt verschwunden sind, ist dieser relativ leergefegt. In ­Europa zugelassen sind momentan der Lipasehemmer Orlistat, die beiden indirekten Sympathomimetika Cathin­hydrochlorid und Amfepramon, der GLP-1-Rezeptoragonist Liraglutid und Naltrexon/Bupropion. Von diesen wird in der S3-Leitlinie »Prävention und Therapie der Adipositas« als einziges Orlistat empfohlen. Das ursprünglich als Antidiabetikum entwickelte Liraglutid, das seit zwei Jahren auch zur Gewichtsreduktion zugelassen ist, befindet sich schon seit einem Jahr in der Evaluation, um ebenfalls als Empfehlung in die Leitlinie aufgenommen zu werden. »Die Hürden dafür sind hoch«, informierte Blüher.

 

Mysimba, der Neuling auf dem Antiadiposita-Markt, hat eine zentralen Angriffspunkt: den Nucleus arcuatus, einen Teil des Hypothalamus, in dem Hunger und Belohnung reguliert werden. Ein Botenstoff, über den diese Regulierung läuft, ist Proopiomelanocortin (POMC). Bupropion stimuliert POMC-abhängige Neuronen direkt und Naltrexon verstärkt diese Wirkung, indem es einen von β-Endorphin vermittelten negativen Rückkopplungs-Mechanismus unterdrückt. Beide Arzneistoffe sind alte Bekannte, wenn auch nicht in der Adipositas-Therapie. Der Noradrenalin- und Dopamin-Wiederaufnahmehemmer Bupropion ist als Antidepressivum und Raucherentwöhnungsmittel im Handel, der Opioid-Antagonist Naltrexon wird zur medikamentösen Unterstützung bei der Entwöhnung von Suchtkranken eingesetzt.

 

Jede Retardtablette Mysimba enthält 8 mg Naltrexon­hydrochlorid und 90 mg Bupropionhydrochlorid. Die Tabletten sollen im Ganzen, mit Flüssigkeit und bevorzugt zum ­Essen geschluckt werden. Die Dosierung wird während der ersten vier Wochen nach einem festen Schema gesteigert. Zunächst nimmt der Patient eine Woche lang morgens eine Tablette ein, dann eine Woche lang morgens und abends je eine Tablette. In der dritten Behandlungswoche sollen morgens zwei und abends eine Tablette eingenommen werden. Ab der vierten Woche ist mit morgens und abends je zwei Tabletten die empfohlene Tageshöchstdosis erreicht. Nach 16 Wochen und danach jährlich soll der behandelnde Arzt überprüfen, ob eine Fortsetzung der Therapie notwendig ist.

 

Wirksamkeit und Sicherheit von Mysimba wurden in vier randomisierten, placebokontrollierten Studien mit insgesamt 4536 Teilnehmern überprüft. Eine Behandlung mit ­Mysimba über 56 Wochen zusammen mit Diät und körper­licher Bewegung führte dazu, dass 53 bis 80 Prozent der Pa­tienten ihr Körpergewicht um mindestens 5 Prozent reduzieren konnten; mit Diät, Bewegung und Placebo schafften das nur 22 bis 60 Prozent. In einer Studie, in der die Patienten an einem besonders intensiven Sport- und Bewegungsprogramm teilnahmen, erreichten sowohl die Probanden in der Verum- als auch in der Placebogruppe eine überdurchschnittlich starke Gewichtsreduktion. »Dies belegt eindeutig, dass die Pharmakotherapie immer nur ein Add-on zur Verhaltensmodifikation sein sollte«, betonte Blüher.

Indikation von Mysimba

Mysimba ist zugelassen als Ergänzung zu einer kalorienreduzierten Diät bei vermehrter körperlicher Bewegung zum langfristigen Gewichtsmanagement bei erwachsenen Pa­tienten mit einem anfänglichen BMI von mindestens 30 kg/m2 (adipös), oder 27 bis 30 kg/m2 (übergewichtig) bei mindestens einer gewichtsbezogenen Begleiterkrankung, zum Beispiel Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes oder Fettstoffwechselstörung. Die Kosten werden von den Krankenkassen nicht übernommen.

Auf Suizidalität kontrollieren

 

Als häufigste Nebenwirkungen wurden in den Studien Übelkeit, Verstopfung, Erbrechen, Schwindel und Mundtrockenheit registriert. Erfahrungen mit dem bereits als Antidepressivum eingesetzten Bupropion haben gezeigt, dass es das Risiko für Krampfanfälle und Suizidalität erhöhen kann. Die Fachinformation von Mysimba enthält daher entsprechende Warnungen.

 

Patienten, die sich depressiv fühlen, suizidal sind, einen Suzidversuch oder andere mentale Gesundheitsprobleme in der Vorgeschichte haben, sollen insbesondere zu Beginn der Behandlung und nach Dosisanpassungen engmaschig überwacht werden – eine Sicherheitsvorkehrung, die vor dem Hintergrund der Erfahrung mit Rimonabant penibel befolgt werden sollte. Besondere Vorsicht ist zudem geboten bei erhöhtem Blutdruck, koronarer Herzkrankheit, zerebrovaskulären Erkrankungen, Leber- und Nierenfunktionsstörungen sowie einer Manie in der Anamnese. /

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