Abwarten reicht nicht |
24.04.2007 11:58 Uhr |
<typohead type="3">Abwarten reicht nicht
Parasiten sind heute in den Industriestaaten ein überschaubares Problem. Lediglich Kopfläuse, von denen hauptsächlich Kinder heimgesucht werden, kommen noch öfters vor. Vor allem in Kindergärten und Schulen kann sich Pediculus humanus capitis heute noch austoben. Erwachsene sind dagegen seltener betroffen, denn die Ausbreitung der Kopfläuse erfolgt über einen engen Kontakt der Kopfhaare.
»Apotheker können maßgeblich dazu beitragen, die Krankheit einzudämmen«, sagte Dr. Eric Martin, Marktheidenfeld. Medizinisch stellen Kopfläuse keine große Herausforderung dar. Das eigentliche Problem ist die Stigmatisierung der betroffenen Familien. Deshalb scheuen Eltern betroffener Kinder häufig einen Arztbesuch und informieren auch Kindergarten oder Schule nur ungern. Apotheker können hier als erste Anlaufstelle wichtige Aufklärung betreiben. Eine frühe Therapie ist wichtig, um die Ausbreitung der Parasiten schnell zu stoppen.
Dabei haben Kopfläuse kein Standesdenken. Wie Martin erklärte, fühlen sie sich auf den Haaren aller Einkommensschichten wohl. Eine Häufung bei Kindern aus sozial schlechter gestellten Familien lässt sich nicht belegen. Kopfläuse sind im Gegensatz zu Filz- oder Kleiderläusen auch kein Hygieneproblem. Mangelnde Reinlichkeit des Wirtes nützt ihnen nicht.
Wenn die Insekten einen neuen Wirt gefunden haben, klammern sie sich mit Haken ihrer Beine in behaarten Hautpartien fest. In der Regel bemerkt der Wirt den Ektoparasiten erst nach einigen Wochen. Die erste Zeit verläuft nämlich symptomfrei. Erst wenn sich ein stärker werdender Juckreiz einstellt, wird die Erkrankung offenkundig. In der Regel lassen sich dann auch Läuse oder deren Eier, die Nissen, finden.
Klinisch äußert sich der Befall durch kleine, rote, nicht entzündliche Punkte in der Kopfhaut. Bei einem starken, unbehandelten Befall kommt es infolge der Verklebung der Haare durch Nissen zu nässenden Ekzemen und sekundären bakteriellen Infektionen. Martin rät allerdings dazu, es nicht so weit kommen zu lassen. Die Therapie sollte möglichst schnell begonnen werden, von allein gehen die Läuse nicht weg. Martin: »Abwarten hilft nicht.«
Unnötig ist es dagegen, den gesamten Hausstand zu entlausen, Spielsachen in die Tiefkühltruhe zu legen oder Polster neu zu beziehen. Kopfläuse sind in kurzen Abständen auf Blut angewiesen, sonst trocknen sie aus. Sie halten sich dicht an der Haut auf. Ihren Wirt zu verlassen, kommt ihnen ohne Weiteres nicht in den Sinn und wenn sie es doch tun sollten, verenden sie schnell, es sei denn, das Schicksal meint es gut mit ihnen und lässt sie auf einem neuen Wirt landen.
Für die Therapie empfiehlt Martin in jedem Fall neurotoxische pediculozide Medikamente. Sie wirken alle nach demselben Prinzip: Sie öffnen Natriumkanäle und führen so zu spastischen Krämpfen. Die medikamentöse Therapie sollte mit einer physikalischen Therapie ergänzt werden. Eine sichere Beseitigung von Läusen und Nissen sei nur mit einer Kombination aus Pediculoziden und mechanischem Auskämmen gewährleistet. Als wirkungsvollste Substanzen nannte Martin Pyrethrum-Extrakt (Goldgeist® forte), Pyrethroide wie Permethrin (Infectopedicul®) und Lindan (Jacutin®), wobei Lindan nach seiner Einschätzung die stärksten Nebenwirkungen hat. Wichtig sei bei allen Präparaten, dass die Anwendung nach acht bis zehn Tagen wiederholt werde.
Neben den neurotoxischen Substanzen werden auch Präparate eingesetzt, die die Atemöffnungen der Läuse verstopfen und die Tiere so ersticken. Als Beispiele führte der Referent hier Kokosöl, das außerdem einen neurotoxischen Effekt hat und Dimeticon, ein silikonhaltiges Präparat, an. Lediglich als Reservetherapeutika bezeichnete Martin Neemöl und Teebaumöl.
Bei der Prävention von Kopflausbefall setzt Martin ausschließlich auf Aufklärung und regelmäßige Kontrolle. Auf dem Markt befindliche präventive Shampoos hält er dagegen für unwirksam. Dasselbe gilt für Haarspray, das nach seiner Einschätzung keinen Nutzen hat. Diese wenig wirksamen Methoden der Prävention hätten darüber hinaus den Nachteil, dass sie die Anwender in einer falschen Sicherheit wiegen, die die Aufmerksamkeit für einen Befall sinken lassen könnte.
Grundsätzlich gibt Martin der Apotheke einen hohen Stellenwert bei der Behandlung von Läusen. Zum einen sind die Präparate nicht verschreibungspflichtig und zum anderen ist es vielen Menschen wegen der erwähnten Vorurteile peinlich, zum Arzt zu gehen. Grenzen habe die apothekergestützte Selbstmedikation allerdings bei Schwangeren, diese sollten in jedem Fall einen Arzt aufsuchen.