Pharmazeutische Zeitung online
Europäischer Gerichtshof

Regierung kämpft für Rabattverbot

23.03.2016  08:53 Uhr

Von Christina Müller und Daniel Rücker, Luxemburg / Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Beteiligten am sogenannten Rx-Boni-Prozess angehört. Dabei ging es um die Frage, ob das deutsche Preisrecht auch für ausländische Versandapotheken gilt. Die Bundesregierung will an dem Rabattverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel festhalten und stärkt damit den Präsenzapotheken den Rücken.

Die deutsche Regierung machte im gut gefüllten Verhandlungssaal ihre Position sehr deutlich: Aus ihrer Sicht ist klar, dass auch Versender mit Sitz im Ausland keine Rabatte auf rezeptpflichtige Medikamente gewähren dürfen. Die Anhörung war notwendig geworden, weil das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf den EuGH angerufen hatte. In dem ursprünglichen Verfahren hatte die Wettbewerbszentrale der Deutschen Parkinsonvereinigung (DPV) vorgeworfen, unlautere Werbung für die aus ihrer Sicht gesetzeswidrigen Rabatte des niederländischen Versenders Doc Morris zu machen.

Nun sah das OLG europarechtlichen Klärungsbedarf: Der EuGH hat nun zu prüfen, ob die deutsche Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel einen unzulässigen Eingrif­f in die Warenverkehrsfreiheit innerhalb der Europäischen Union bedeu­tet.

 

Nationales Recht

 

Der Bund pochte in der Anhörung auf sein Recht, zum Gesundheitschutz der Bevölkerung nach eigenem Ermesse­n handeln zu dürfen. Die Preisbindung auf Rx-Arzneimittel sei ein inte­graler Bestandteil des deutschen Gesundheitswesens und trage dazu bei, die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten zu sichern.

 

Boni seien hierbei kontraproduktiv, denn sie seien darauf ausgerichtet, den Wettbewerb unter den Marktteilnehmern zu verschärfen. Das sei nicht im Sinne der Bundesregierung. Wenn ausländische Versender Rx-Arzneimittel zu einem niedrigeren Preis abgeben dürften, dann schwäche dies die Position der öffentlichen Apotheken in Deutschland. Diese hätten jedoch neben der Abgabe von Arzneimitteln mit dem Nacht- und Notdienst, der Herstellung von Rezepturen und Zytostatika-Zubereitungen sowie der persönlichen Beratung von Patienten weitere wichtige Aufgaben, die Versandapotheken nicht erfüllen könnten.

 

Die DPV sah dies naturgemäß anders. Rechtsanwältin Kristina Nordlander hält nichts vom Verbot für Rx-Boni. Sie seien ein Hemmnis für den europä­ischen Binnenmarkt. Zudem gebe es keine Evidenz dafür, dass Boni eine Gefahr für die flächendeckende Versorgung seien. Im Gegenteil: Durch den Versandhandel verbessere sich die Verfüg­barkeit von Arzneimitteln in strukturschwachen Gebieten. Darüber hinaus könne mehr Wettbewerb auch den Offizinen nützen. Die Effekte der Boni hält sie insgesamt für eher gering. Dafür spricht laut Nordlander, dass der Versandhandel derzeit lediglich einen Anteil von 1,5  Prozent am Gesamtmarkt hat.

 

Als Vertreter der Wettbewerbszentrale widersprach Rechtsanwalt Professor Jürgen Schwarze den Ausführungen der DPV. Eine rein warenwirtschaftliche Argumentation könne er nicht gelten lassen. Arzneimittel seien besondere Güter. In diesem Fall stehe der Bundesregierung deshalb ein Wertungsspielraum zu. Schwarze warnte vor einer »experimentellen Gesetzgebung«. Bei der Gesundheit habe die Bundesregierung das Recht, das Schutzniveau in Deutschland selbst zu bestimmen.

 

Kritik an Preisbindung

 

Die EU-Kommission sprach sich hingegegen dafür aus, das Rx-Boni-Verbot zu kippen. Es sei als alleinige Maßnahme nicht geeignet, die flächendeckende Versorgung sicherzustellen. Zudem habe die Bundesregierung niemals nach Alternativen gesucht, kritisierte die Kommission. Aus ihrer Sicht verhindere das deutsche Preisrecht sogar, dass sich mehr Apotheken auf dem Land niederließen. Durch die einheitliche Preisgestaltung werde der Standort umso wichtiger. Demnach sei es für Apotheker deutlich reizvoller, einen Standort für ihre Offizinen zu wählen, an dem die Arzt- und Bevölkerungsdichte besonders hoch sei – also in den Ballungsgebieten.

 

Der Versandhandel ist der Kommission zufolge ohnehin weniger beliebt als die öffentlichen Apotheken, weil die Kunden länger auf ihre Arzneimittel warten und auf den persönlichen Kontakt verzichten müssten. Zudem hätten die Versender wegen der Logistik höhere Kosten. Daher bliebe ihnen nichts anderes übrig, als den Absatz durch niedrigere Preise anzukurbeln. Eine weitere Einschränkung des Geschäftsmodells der Versandapotheken sei deshalb zu viel des Guten .

 

Was nun die Luxemburger Richter aus der Anhörung machen, bleibt vorerst offen. Eine Tendenz in Richtung Verbot oder Erlaubnis ließen sie nicht erkennen. Die Geschäftsführerin der Wettbewerbszentrale, Christiane Köber, zeigte sich dennoch zufrieden. »Wir haben unsere Argumente sehr sorgfältig vorbereitet und überzeugend dargestellt.« Spannender wird es am 2. Juni. Dann wird der Generalanwalt seine Schlussanträge verlesen. Daraus dürfte sich schon eher eine Tendenz erkennen lassen. Das endgültige Urteil ist nach der Sommerpause des EuGH zu erwarten. /

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