Pharmazeutische Zeitung online

Strahlenschutz in Tablettenform

22.03.2011  17:58 Uhr

Maria Pues / Berliner Blau, Eisen-III-Hexacyanoferrat-II, lernen Pharmaziestudenten bereits im ersten Semester kennen, als Ergebnis eines positiven Eisennachweises mit Kaliumhexacyanoferrat. Dass die tiefblaue Komplexverbindung auch als Antidot bei Vergiftungen mit radioaktiven Caesium-Nukliden sowie bei Thallium-Vergiftungen zum Einsatz kommt, ist weniger bekannt.

 

Dabei besitzt ein Arzneimittel mit diesem Wirkstoff bereits seit mehr als dreißig Jahren eine Zulassung für diese Indikationen. Nach Auskunft des Herstellers Heyl wurden von Radiogardase-Cs® Kapseln über lange Zeit nur wenige hundert Packungen pro Jahr hergestellt. Das hat sich mit den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA grundlegend geändert. Die US-amerikanische Regierung hat danach das Präparat im Rahmen des Strategic National Stockpile einlagert, damit es im Notfall unverzüglich zur Verfügung steht. Verschiedene weitere Länder sind ebenso verfahren, Deutschland nicht. Japan hat Radiogardase-Cs® vor etwa einem halben Jahr die Zulassung erteilt.

 

Wie Berliner Blau wirkt

 

Caesium ist leicht löslich. Es wird rasch aus dem Gastrointestinaltrakt resorbiert und verteilt sich über den Blutweg im gesamten Körper. Es unterliegt jedoch auch dem enterohepatischen Kreislauf. So gelangt es aus der Leber mit der Gallenflüssigkeit in die Gallenblase und von dort mit der nächsten Mahlzeit wieder in den Darm. Berliner Blau ist hingegen praktisch unlöslich und wird über eine intakte Darmschleimhaut nicht resorbiert.

Antidote gegen Radionuklide

  • Caesium (Cs): Berliner Blau (Eisen-III-Hexacyanoferrat-II, Radiogardase-Cs®)
  • Iod (I): Kaliumiodid (cave: erforderliche Dosen im Milligramm-Bereich)
  • Plutonium (Pu): Ca-DTPA oder Zn-DTPA (Diethylentriaminpentaessigsäure)
  • Strontium (Sr): Alginate oder Aluminiumhydroxid-haltige Antazida, Bariumsulfat
  • Cobalt (Co): D-Penicillamin, Dimercaptopropansulfonsäure (DMPS, Dimaval®)
  • Polonium (Po): DMPS, BAL (British anti-Lewisite, INN-Name: Dimercaprol)

Bei einer Vergiftung mit radioaktivem Caesium sollte das Antidot möglichst rasch eingenommen werden, um die Caesium-Resorption aus dem Darm zu verhindern oder zumindest zu reduzieren. Eine weitere Einnahme vermindert die Rückresorption des Anteils, der mit der Gallenflüssigkeit erneut in den Darm gelangt und reduziert so nach und nach die radioaktive Belastung des Organismus mit Caesium-Nukliden. Die Dosis richtet sich nach dem Ausmaß der Intoxikation. Die Bindung des Caesiums an das Berliner Blau erfolgt über einen Ionenaustausch und nicht über eine Chelatbildung. Letztere würde mehrwertige Kationen voraus­setzen. Caesium und Berliner Blau werden gemeinsam über die Fäces ausgeschieden. Deren ungewöhnlich Färbung dürfte Patienten verwundern, ist jedoch nicht bedenklich.

 

Üblicher Vertriebsweg

 

Bei Radiogardase-Cs® handelt es sich um ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel, das über den pharmazeutischen Großhandel vertrieben wird. Zwar dürften die Vorräte eher gering sein. Mit Lieferproblemen ist trotzdem nicht zu rechnen. Nachfragen hierzulande dürften eher auf Verunsicherung als auf Verstrahlung zurückzuführen sein. Anders sieht es freilich in Japan und in dessen Nachbarländern aus. Interesse besteht möglicherweise auch bei Japan-Reisenden sowie Personen, die dort Familie und Freunde haben. Hierzulande ist wie beim Iod-Antidot Kaliumiodid sowohl von Hamsterkäufen als auch von der Einnahme des Arzneimittels mangels medizinischer Notwendigkeit abzuraten. / 

Online Extra: Reaktorunfall

Antworten auf häufig gestellte Fragen zur radioaktiven Belastung nach dem Störfall im Atomkraftwerk Fukushima finden Sie unter www.pharmazeutische-zeitung.de/extra. In unserer Rubrik »Zum Thema« finden Sie außerdem eine Linksammlung zur Atomkatastrophe in Japan.

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