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Bundesärztekammer

Placeboeffekt stärker nutzen

08.03.2011  16:45 Uhr

Von Stephanie Schersch, Berlin / Der Placeboeffekt ist mehr als nur Einbildung. Die Bundesärztekammer verweist in einer Stellungnahme auf die Bedeutung von Scheinpräparaten in der Medizin. Darin fordert sie, Placebos stärker einzusetzen.

Der Placeboeffekt steht häufig als Synonym für mangelnde Wirkung. Das jedoch werde den Scheinpräparaten nicht gerecht, sagte Professor Dr. Christoph Fuchs, Hauptgeschäftsführer der Bundesärztekammer (BÄK), in Berlin. »Placebos wirken stärker und sehr viel komplexer als bisher angenommen.« Ihr Einsatz sei bereits jetzt von enormer Bedeutung für die ärztliche Praxis. Angesichts überzeugender wissenschaftlicher Beweise sei künftig sogar eine stärkere Nutzung zu empfehlen.

»Mit dem Einsatz von Placebos lassen sich erwünschte Arzneimittelwirkungen maximieren, unerwünschte Wirkungen von Medikamenten verringern und Kosten im Gesundheitswesen sparen«, sagte auch der Stuttgarter Medizinhis­toriker Professor Dr. Robert Jütte. Unter seiner Leitung hat der Wissenschaftliche Beirat der BÄK eine umfangreiche Stellungnahme mit dem Titel »Placebo in der Medizin« verfasst.

 

Ziel dieses Gutachtens sei es, den Ärzten die Bedeutung des Placeboeffekts in der täglichen Behandlung von Patienten deutlich zu machen, sagte Fuchs. Die Wissenschaftler stellen dabei nicht nur den aktuellen Forschungsstand dar. Sie gehen auch auf ethische Aspekte und die rechtliche Grauzone ein, in der sich ein Arzt bei der Placebo-Abgabe bewegt. Insgesamt sollten Mediziner den Placeboeffekt stärker für die Therapie nutzen, fordern die Autoren. Bereits im Studium und später auch in der ärztlichen Weiterbildung sollte das Thema eine größere Rolle spielen.

 

Welche verblüffenden Ergebnisse sich mit Scheinpräparaten erzielen lassen, zeigen verschiedene Studien. So helfen Placebos einer Untersuchung zufolge in Deutschland 59 Prozent der Patienten mit Magengeschwüren. Bei Depressionen zeigten Placebos in beinahe ebenso vielen Fällen Wirkung wie tatsächliche Psychopharmaka, sagte Jütte.

 

Trotz intensiver Forschung ist bislang nicht vollständig geklärt, wie Placebo funktioniert. Der Effekt sei aber hirnphysiologisch und -anatomisch lokalisierbar, heißt es in der Stellungnahme. So legten viele Untersuchungen nahe, dass vor allem eine Aktivierung der Stirnlappen die Wirkweise erklären kann.

 

Jütte verwies darauf, dass Placebos nicht nur in der klinischen Forschung eine zentrale Rolle spielten. Auch viele Mediziner in der Praxis würden bereits auf Scheinpräparate zurückgreifen. So gaben im vergangenen Jahr bei einer Umfrage unter Hausärzten in Bayern 88 Prozent an, Placebos einzusetzen. In einer schweizerischen Studie waren es 72 Prozent der Mediziner. Reine Placebos, wie Zuckertabletten ohne jeglichen Wirkstoff, sind im Praxisalltag dabei eher die Ausnahme. Von großer Bedeutung sind dagegen die sogenannten Pseudo-Placebos, wie etwa Vitaminpräparate oder Arzneistoffe mit sehr niedriger Wirkstoffdosis.

 

Häufig stehen dem Einsatz von Placebo jedoch ethische Bedenken entgegen. Der Wissenschaftliche Beirat hält Scheinpräparate unter bestimmten Voraussetzungen aber für vertretbar: So darf der Arzt dem Patienten kein wirksames Arzneimittel vorenthalten, es muss sich um relativ geringe Beschwerden handeln und die Placebotherapie muss Aussicht auf Erfolg versprechen. Besonders wichtig sei die Aufklärung des Patienten, sagte Jütte. Dieser müsse zumindest im Groben über den Einsatz eines Scheinpräparats informiert werden. Dabei sei es beispielsweise zulässig, wenn der Arzt etwa von einer unspezifischen Therapie spreche, um den Begriff Placebo zu vermeiden.

 

Das Vertrauen in den Arzt und die Weise, wie dieser auf den Patienten eingeht sind generell wichtig für den Therapieerfolg und damit ebenso für den Placeboeffekt. Hier kann auch der Apotheker Unterstützung leisten. Einige Ärzte setzten gezielt auf die Zusammenarbeit mit einer Apotheke, sagte Jütte. Sie sei eingeweiht und wisse mit einem Rezept über Placebos umzugehen. Bei Abgabe des Scheinpräparats kann der Apotheker die Therapie mit unterstützenden Worten fördern. / 

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