Unscharfe Grenze zwischen Demenz und Altern |
16.02.2009 14:54 Uhr |
<typohead type="3">Alzheimer: Unscharfe Grenze zwischen Demenz und Altern
Die Pathogenese der Demenz ist oftmals schwer von den neurodegenerativen Prozessen des »normalen Alterns« zu unterscheiden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Pathophysiologie von Morbus Alzheimer nach wie vor nicht eindeutig geklärt ist.
»Neben der Alzheimerdemenz existieren zahlreiche weitere Demenzformen, die differenzialdiagnostisch abgegrenzt beziehungsweise ausgeschlossen werden müssen«, sagte Professor Dr. Hans Förstl, München. Denn spezifische Demenzformen bedürften einer individuellen Therapie, um einer nachhaltigen Schädigung der Hirnzellen entgegenzuwirken, betonte der Psychiater. So könne die mit Phenylketonurie einhergehende Beeinträchtigung geistiger Fähigkeiten eine phenylalaninarme Diät erforderlich machen. Bei Hirntumoren, aber auch Normaldruckhydrozephalus oder Subduralhämatomen könne eine Operation angezeigt sein. Geht das Wernicke-Korsakow-Syndrom mit der Unfähigkeit zur Bildung neuer beziehungsweise dem Verlust bereits gespeicherter Gedächtnisinhalte einher, liegt zumeist ein Thiaminmangel vor. Dieser macht die tägliche Thiamingabe unumgänglich. Förstl unterschied des Weiteren Demenzen bei infektiösen Krankheiten wie HIV, Herpes und BSE sowie Demenzen bei zerebrovaskulären Krankheiten. Vor allem Letztere böte die Chance der zusätzlichen differenzierten Therapie.
Faktoren, welche die Entstehung von Demenzen begünstigen, seien Alter, mangelnde Bildung, Alkohol- und Nicotinkonsum, aber auch vaskuläre Risiken wie Hypertonie, Hypercholesterolämie, Diabetes mellitus und zerebrale Ischämien. In Deutschland sind zurzeit circa eine Million Menschen von Demenz betroffen. Rund 700.000 leiden an einer Alzheimerdemenz (AD). Jährlich sind 200.000 Neuerkrankungen zu verzeichnen, von denen circa 125.000 AD-Erkrankungen sind. Laut Prognosen werde sich die Zahl der Demenzpatienten bis zum Jahr 2050 auf über zwei Millionen erhöhen.
Geht Morbus Alzheimer mit dem Verlust von Sprache, Kognition, Gedächtnis und Orientierungsvermögen sowie Rückzug, Depressionen und Isolation einher, so kommt es zu zentralen neuronalen Degenerationen und Nervenzellverlusten, im späteren Verlauf auch globaler Hirnatrophie mit temporal/mediobasaler und hippocampaler Betonung. Die AD-Pathologie ist durch kortikale Ablagerungen von Amyloidplaques und Bildung intrazellulärer Neurofibrillenbündel aus hyperphosphorylisiertem Mikrotubuli-assoziiertem Tau-Protein geprägt. Das Aβ-Peptid der Amyloidplaques entsteht aus einem Vorläuferprotein, dem Amyloid-Precursor-Protein (APP) als integralem Membranprotein. APP wird von α-, β und γ-Sekretasen gespalten, wobei Aβ-Peptide freigesetzt werden. Die durch β- und γ-Sekretase gebildeten Peptide variieren in ihrer Länge. Das längere, aus 42 Aminosäuren bestehende Aβ-Peptid 42 hat eine wesentlich höhere Tendenz zur Aggregation als das kleinere Aβ-40. Gemäß der Amyloid-Hypothese ist das Gleichgewicht der Abbauwege durch genetische und metabolische Faktoren verschoben.
Die Alzheimerdemenz beginnt schleichend. Sie kann bis heute nicht geheilt werden. Zur Behandlung kognitiver Defizite kommen Actelylcholinesterasehemmer wie Donepezil und Rivastigmin, aber auch Galantamin sowie NMDA-Rezeptor (N-Methyl-D-Aspartat)-Antagonisten wie Memantin zum Einsatz. Die Therapie von Verhaltensstörungen, so Förstl, kann den Einsatz von Aripripazol, Olanzapin und Quetiapin als atypische Neuroleptika erforderlich machen. Auch die mit AD einhergehenden Depressionen müssen unbedingt medikamentös therapiert werden. Als vielversprechende zukünftige Behandlungsoptionen zeigte der Referent unter anderem Tarenflurbil zur Modulation der γ-Sekretase und Senkung der Produktion von Aβ-Peptid 42 sowie Methylenblau auf. Als Wirkmechanismus wird hier die Verhinderung der Hyperphosphorylisierung von Tau-Protein diskutiert. Darüber hinaus sei unter anderem der Amyloid-Aggregationshemmer Tramiprosat in der klinischen Prüfung.