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Antidiabetika

Bahn frei für Darmhormone

15.02.2011  16:34 Uhr

Es gibt neue und alte Antidiabetika, physiologisch und unphysiologisch wirkende Substanzen sowie teure und günstige Diabetesmedikamente. Die Inkretin-basierten Therapien zählen bei diesen Vergleichen immer zur ersten Gruppe. Wie wirken sie, und was gibt es bei der Abgabe zu beachten?

Mindestens zwei relevante Pathomechanismen liegen dem Typ-2-Diabetes zugrunde: eine Störung der Insulinwirkung (Insulin­resistenz) und eine Sekretionsstörung. »Motor der Krankheitsprogression ist nicht die Insulinresistenz, sondern die Betazellfunktionsstörung«, sagte Dr. Eric Martin, Apotheker aus Marktheidenfeld. Schon bei der Diagnose »Typ-2-Diabetes« betrage der Verlust an Betazellfunktion meistens mindestens 50 Prozent. Im Krankheitsverlauf schreite er weiter voran, sodass körper­eigenes Insulin zunehmend Mangelware wird. Hinzu kommt bei Typ-2-Diabetikern eine Störung der Alphazellfunktion, die dazu führt, dass die Glucagon-Ausschüttung weiterläuft. Das gemischte Doppel aus wenig Insulin und viel Glucagon treibt den Zuckerspiegel vor allem nach dem Essen in die Höhe, und es dauert im Vergleich zu Gesunden wesentlich länger, bis sich die Zuckerwerte nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit wieder normalisiert haben.

Der Grund dafür ist der verminderte Inkretin-Effekt bei Typ-2-Diabetikern. Da­runter versteht man die Tatsache, dass bei gleichen Blutzuckerspiegeln die intra­venöse Glucoseaufnahme zu einer deutlich geringeren Insulinausschüttung führt als die orale Glucoseaufnahme. Grundlage sind im Darm gebildete Hormone wie das Glucagon-like Peptide-1 (GLP-1). Ist der Blutzuckerspiegel zu hoch, regt GLP-1 die Insulinausschüttung an. Das Inkretinhormon führt zudem zur vermehrten Insulinbiosynthese und erhöht die Glucose­empfindlichkeit der Betazellen. Ferner reduziert GLP-1 glucoseabhängig die Sekretion von Glucagon. Bei hohem Blutzucker sinkt über diesen Regulationsmechanismus der Glucoseausstoß aus der Leber. Das Hormon verzögert beim Menschen auch die Magenentleerung und erhöht das Sättigungsgefühl. »Vermutlich wirkt es auch Betazell-protektiv«, nannte Martin eine weitere wichtige Eigenschaft.

 

Natürliches GLP-1 hat nach intravenöser Gabe eine sehr kurze Halbwertszeit von 1 bis 2 Minuten. Das liegt am schnellen Abbau durch das Enzym Dipeptidyl-Peptidase-4 (DPP-4) und der raschen renalen Eliminierung. Aus diesem Grund ist es schwierig, das Protein therapeutisch zu nutzen.

 

»Zwei unterschiedliche Inkretin-basierte Therapien sind möglich«, erklärte Martin. Einerseits sind seit einigen Jahren DPP-4-Hemmer wie Sitagliptin, Vilda­gliptin und Saxagliptin verfügbar. Sie hemmen den Abbau von GLP-1. Dadurch sind annähernd physiologische GLP-1-Spiegel wieder erreichbar. Die Gliptine sind gewichtsneutral, gut verträglich und peroral wirksam. Eine HbA1c-Senkung zwischen 0,5 und 1 Prozent ist Martin zufolge möglich. Weiterer Vorteil: Die DPP-4-Hemmer selbst bergen kein Unterzuckerungsrisiko.

»Typ-2-Diabetiker haben ein dreifach erhöhtes Pankreatitis-Risiko.«

Als zweites Inkretin-basiertes Wirk­prinzip stellte Martin die GLP-1-Analoga vor. Vertreter dieser Klasse sind Liraglutid und Exenatid. Letzteres ist ein synthetisches Exendin-4. Dieser Stoff kommt auch im Speichel der amerikanischen Krustenechse vor. »Mit GLP-1-Analoga können pharma­kologische GLP-1-Wirkungen erzielt werden, da auch höhere Wirkspiegel als normal üblich erzeugt werden können«, informierte Martin. Insgesamt seien die GLP-1-Analoga auch stärker wirksam als DPP-4-Hemmer (Senkung des HbA1c-Wertes um 0,8 bis 1,1 Prozent) und führen zu einer Gewichtsreduktion. Dem gegenüber steht, dass sie parenteral zu applizieren sind und die Verträglichkeit schlechter ist.

 

Als Folge der gehemmten Magen­entleerung stellt insbesondere Übelkeit eine häufige Nebenwirkung bei GLP-1-Analoga dar. Im Verlauf der Therapie gehen die Beschwerden in den meisten Fällen spontan zurück. »Dauerhafte Übelkeit zwingt bis zu 5 Prozent der Behandelten zum Therapie­abbruch«, so Martin. Er riet dazu, die Patienten auf das mögliche Auftreten von Übelkeit hinzuweisen und ihnen Ernährungstipps mit auf den Weg zu geben. So sollten sie bewusst langsam und in kleinen Portionen essen. Stellt sich ein frühzeitiges Völlegefühl ein, sollten die Patienten auf keinen Fall zwanghaft den Teller leer essen. GLP-1-Analoga dürfen ferner nur schritt­weise aufdosiert werden, damit den Patienten nicht schlecht wird. Bei anhaltender und schwerer Übelkeit oder Erbrechen, begleitet von starken Oberbauchschmerzen, muss das Präparat sofort abgesetzt und ein Arzt aufgesucht werden. Dieser muss den Verdacht auf eine akute Pankreatitis abklären. Martin informierte, dass Typ-2-Diabetiker per se ein etwa dreifach erhöhtes Pankreatitis-Risiko haben. Daher seien Berichte über akute Pankreatitiden, die in Studien unter der Therapie mit GLP-1-Analoga auftraten, schwer zu beurteilen.

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