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Kinderarzneimittel

Teilhabe am medizinischen Fortschritt

16.02.2010  18:12 Uhr

Von Annette Immel-Sehr, Bonn / Noch immer gibt es zu wenig Arzneimittel, die zur Anwendung an Kindern zugelassen sind. Das soll sich ändern. Die Politik hat mit Vertretern der pharmazeutischen Industrie über dieses Thema beraten.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hatten zu einer gemeinsamen Veranstaltung geladen. Im Mittelpunkt stand die Zulassung von Arzneimitteln für Kinder und Jugendliche. Ziel des Treffens war es, mit Vertretern der pharmazeutischen Industrie ins Gespräch zu kommen.

 

Die Präsidenten der beiden Institutionen, Professor Dr. Johannes Löwer (BfArM) und Professor Dr. Klaus Cichutek (PEI), wünschten sich einen regen Austausch, um unnötige Hemmnisse im Zulassungsverfahren zu vermeiden. Die Umsetzung der EU-Verordnung über Kinderarzneimittel, die seit Januar vergangenen Jahres vollständig in Kraft gesetzt ist, sei auf einem guten Weg.

 

Walter Schwerdtfeger vom Bundesministerium für Gesundheit stellte in seinen Eröffnungsworten fest, man habe erstaunlich lange hingenommen, dass Kinder Arzneimittel erhielten, deren adäquate Dosierung und deren Langzeitfolgen nicht bekannt seien. Vor allem dem Drängen der Kinderärzte sei es zu verdanken, dass dieser Missstand in den vergangenen Jahren zu einem Politikum geworden ist. Mit der EU-Kinderarzneimittel-Verordnung sei eine vernünftige Grundlage geschaffen worden, die Anzahl geprüfter sicherer und wirksamer Arzneimittel für Kinder zu erhöhen.

 

Professor Dr. Wolfgang Rascher, Vorsitzender der Kommission für Arzneimittel für Kinder und Jugendliche des BfArM, brachte es auf den Punkt: Der Gesetzgeber war unter Zugzwang geraten, weil die alte Gesetzeslage Kinder nicht ausreichend am medizinischen Fortschritt teilhaben ließ. Klinische Prüfungen mit Kindern und Jugendlichen waren nur möglich, wenn ein Nutzen für sie sicher oder sehr wahrscheinlich war. Der Einsatz von Placebo war folglich nicht möglich. Heute ist eine klinische Prüfung bei Minderjährigen auch dann möglich, wenn sie ihnen nicht unbedingt einen direkten Nutzen bringt. Es reicht, wenn die Gruppe der Patienten davon profitiert.

 

Nach der EU-Verordnung über Kinderarzneimittel müssen Hersteller für die Zulassung der meisten Arzneimittel ein pädiatrisches Prüfkonzept vorlegen. Es muss vom Pädiatrieausschuss (PDCO) der Europäischen Medizin-Agentur (EMA) genehmigt werden. Die Anforderungen an das pädiatrische Prüfkonzept sind sehr hoch. Antragsteller müssen für jede Altersgruppe vom Frühgeborenen bis zum Jugendlichen Wirksamkeit, Sicherheit, Dosierung und eine altersgerechte Darreichungsform darlegen, sagte Dr. Birka Lehmann vom BfArM.

 

Privatdozent Dr. Peter-Andreas Löschmann aus der Projektgruppe »pädiatrische Prüfung« des Verbands der forschenden Arzneimittelhersteller (VFA) berichtete über die Erfahrungen der Pharmaindustrie mit der neuen Rechtslage. Zunächst bescheinigte er dem PDCO pragmatische Lösungen bei den Prüfplänen. Allerdings scheint auch noch etwas Sand im Getriebe zu sein, etwa wenn Verfahren nicht immer nach denselben Grundsätzen angewendet werden. Löschmann bewertete die Forderungen des PDCO als manchmal unangemessen hoch. Dies habe dazu geführt, dass Firmen ganze Entwicklungsprogramme gestoppt hätten. In anderen Fällen seien zeitaufwendige Antragsänderungen nötig gewesen.

 

Möglichst wenig oder minimal

 

Nicht nur die Industrie, auch die Vertreter der Kinder kamen bei der Veranstaltung zu Wort. Klinische Prüfungen dürfen bei Minderjährigen nur durchgeführt werden, wenn sie mit möglichst wenig Belastungen und Risiken verbunden sind, erläuterte Dr. Petra Knupfer von der Ethikkommission der Landesärztekammer Baden-Württemberg. Wie dies garantiert werden soll, müsse im Prüfplan festgeschrieben werden. So könne bei einer Blutentnahme eine möglichst geringe Belastung dadurch gewährleistet sein, wenn diese per Verweilkanüle oder unter Lokalanästhesie erfolgt. Wie eine möglichst geringe Belastung und ein möglichst geringes Risiko zu definieren sind, hängt vom Alter des Patienten ab.

 

Kranke Kinder, die der Placebo-Gruppe zugeteilt sind, also selbst keinen direkten Nutzen von der klinischen Prüfung haben, dürfen noch weniger belastet werden. Statt »möglichst gering« gilt nun der Terminus »minimal«. Minimal wird hier interpretiert als »allenfalls sehr geringfügig und vorübergehend«, beispielsweise Wiegen, Messen, EKG und Kapillarblutentnahme.

 

Minderjährige müssen vor Beginn der klinischen Prüfung ihrem Alter entsprechend über Risiken und Nutzen aufgeklärt werden. Sie haben einen Anspruch darauf zu erfahren, was auf sie zukommt. Knupfer wies darauf hin, dass chronisch kranke Kinder im Alter von 9 oder 10 Jahren bezüglich ihrer Erkrankung sehr verständig seien. Laut Gesetz muss das Gespräch ein Prüfer führen, der im Umgang mit kranken Minderjährigen erfahren ist. Kinder und Jugendliche haben zudem Anspruch auf eine schriftliche Aufklärung. Knupfer empfahl den Herstellern, zwei altersgerechte Versionen zu erarbeiten: eine für Kinder zwischen 7 und 11 Jahren und eine für 12- bis 16-Jährige. Erklärt das Kind, nicht an der Prüfung teilnehmen zu wollen, so ist dies laut Arzneimittelgesetz zu beachten. / 

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